Doctor Sleep

Filmkritik: Doctor Sleep

Nach dem großen Erfolg von „ES“ war es nur eine Frage der Zeit, bis weitere Adaptionen von Stephen King-Romanen den Weg ins Kino finden würden. Das wohl prominenteste Projekt war dabei „Doctor Sleep“, Kings erste offizielle Fortsetzung überhaupt. Film und Roman erzählen die Geschichte von Danny Torrance, der als Kind in „Shining“ überlebt hat und nun in neue Gefahr gerät. Dabei musste Regisseur und Drehbuchautor Mike Flanagan sowohl den Roman als auch Kubricks Klassiker unterbringen. Hat das geklappt?

Horrorfans ist er längst ein Begriff. Mike Flanagan hat sich in den vergangenen Jahren durch einige herausragende Arbeiten im Horrorbereich einen guten Namen gemacht. Ob Stephen Kings „Das Spiel“ oder die großartige Serie „Spuk in Hill House“ (beide für Netflix)  – Flanagan gilt bei den Fans als beste Adresse für gute Storys und viel Spannung. Mit Doctor Sleep hat er sich allerdings fast unlösbare Schwierigkeiten aufgehalst. Welche das sind, erfahren Sie in der Kritik. 

Doctor Sleep
Danny war seit 40 Jahren nicht mehr im Overlook-Hotel. Doch die Ereignisse von damals lassen ihn nicht los.

Doctor Sleep: Die Handlung

Danny Torrance (Ewan McGregor) ist mittlerweile in seinen 40ern, über die Ereignisse im Overlook-Hotel des Jahres 1980 ist er allerdings nie ganz hinweggekommen. Nachdem er Jahre seines Lebens seine Gabe im Suff etränkt hat, wagt er einen Neuanfang in einer Kleinstadt in New Jersey. Dort findet er neue Freunde und auch einen Job im Hospiz. Mit seinem Shining kann er dort sterbende Patienten bei ihrem letzten Weg unterstützen. Doch der Frieden währt nur ein paar Jahre.

Denn auch andere haben Fähigkeiten. Eine davon ist Abra Stone (Kyliegh Curran), ein junges Mädchen mit fast grenzenlosen psychischen Fähigkeiten, das telepathisch Kontakt zu Danny aufnimmt. Eine andere ist Rose the Hat (Rebecca Ferguson). Sie führt den True Knot an, eine Gruppe von Menschen mit Fähigkeiten. Die entführen Kinder mit dem Shining, quälen sie und ernähren sich vom „Dampf“, der dabei entsteht und den True Knot jung erhält. Als Abra in den Fokus von Rose gerät, muss Danny handeln …

Doctor Sleep: Schon verloren

Eigentlich hatte Mike Flanagan von Anfang an verloren. Denn es stand außer Frage, dass er die ikonischen Szenen aus Kubricks Film Shining in seiner Fortsetzung nutzen musste. Andererseits gab Kubrick nicht viel auf den Roman und ließ sein Werk komplett anders enden. Doctor Sleep bezieht sich aber auf Kings Roman, der mit dem Buch-Ende von Shining arbeitet. Daher musste Flanagan den gesamten dritten Akt seines Films ändern, damit er zu Kubricks Film passte. Romanleser bekommen also ein Finale, dass auch sie nicht kennen.

Nun ist Flanagan wahrlich kein schlechter Autor, aber zwei Herren gleichzeitig gerecht zu werden, überfordert auch ihn. Beide Vorlagen übereinander zu bringen, erforderte Änderungen an der Handlung, die dem Film nicht unbedingt gut getan haben. So dürfte Flanagan sowohl King-Puristen als auch die zahlreichen Verehrer des Kubrick-Films nicht restlos glücklich machen. Das US-Publikum strafte den Film trotz guter Kritiken bereits mit Nichtachtung. Dass Doctor Sleep floppt, hat der Film allerdings auch nicht verdient.

Doctor Sleep
Rose und ihre Gruppe ernähren sich von Kindern mit dem Shining – und altern daher so gut wie gar nicht.

Doctor Sleep: Mehr Dark Fantasy als Horror

Denn die Hauptstory des Buches hat nur wenig Berührungspunkte mit Shining und schildert den Kampf zwischen Danny und Abra auf der einen und dem True Knot auf der anderen Seite. Und das ist zwar nicht sehr gruselig, aber doch spannend und manchmal auch erschreckend in Szene gesetzt. Hier beweist Flanagan, dass er das Genre beherrscht und weiß, wie man unheimliche Atmosphäre erzeugt. Vor allem die Unausweichlichkeit des Kampfes zwischen den beiden Gruppen baut er stark auf und lässt sie als gleichwertige Gegner erscheinen.

Die Schauspieler unterstützen ihn dabei gut. Sowohl Ewan McGregor als auch die junge Kyliegh Curran spielen ihre Rollen nah am Roman und sehr glaubhaft. Die stärkste Leistung zeigt aber Rebecca Ferguson, die die charismatische, aber bis ins Mark bösartige Rose großartig auf die Leinwand bringt. Die restlichen Figuren bleiben fast zwangsweise blass, da Flanagan trotz 150 Minuten Laufzeit so viel zu erzählen hat, dass er nur drei Figuren in den Fokus rückt. Denn die Romanvorlage ist mehr als 600 Seiten dick.

Deshalb bleibt, wie so oft bei King-Verfilmungen, vieles auf der Strecke, was die Geschichte so lesenswert machte. Den Preis dafür bezahlt Flanagan mit fehlender emotionaler Tiefe beim Zuschauer, der die ganze Tragik mancher Figuren hier nicht wiederfindet – und Doctor Sleep daher weitgehend ungerührt ansieht. Hätte sich Mike Flanagan entschieden, die Verbindungen zu Shining stärker zu kappen, sein Film wäre wohl ein besserer geworden, als er es jetzt ist. Und schlecht ist der schon so keineswegs.

Fazit:

Doctor Sleep ist nicht unbedingt Stephen Kings stärkster Roman – aber seine erste offizielle Fortsetzung. Den Spagat zwischen der Buchvorlage und den Vorgaben aus Kubricks Shining-Verfilmung bekommt Regisseur und Autor Mike Flanagan aber nur bedingt hin. Trotz guter Schauspieler drückt die Überlänge von 152 Minuten und zu viele Erzählstränge, für die dennoch keine zeit bleiben, auf die Spannung und den Horrorfaktor. Für King-Fans mit Roman-Hintergrund dennoch ein Muss, für den Rest nicht unbedingt.

Doctor Sleep startet am 21. November 2019 in den deutschen Kinos.

Doctor Sleep
Als Rose auf Abra trifft, wittert sie ein Festmahl. Doch Abra und Danny haben noch ein Ass im Ärmel.