Das Spiel

Filmkritik: Das Spiel

Der Alltagshorror, den Stephen King so gern für seine Geschichten nimmt, ist auch das Hauptthema der Netflix-Verfilmung „Das Spiel“ nach einem Roman des Horrorkönigs. Statt Sex mit dem Gatten zu haben, gerät Jessie in Sekunden in höchste Lebensgefahr. Kann sie sich retten? Und sollten wir ihr dabei zusehen?

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Selten hatte der Horrormeister Stephen King derartig viel Aufwind wie in diesen Tagen. „Sleeping Beauties“, sein erstes Buch, das er gemeinsam mit seinem Sohn Owen King schrieb, kommt auf den Markt, „ES“ durchbricht alle Horrorfilm-Rekorde und weitere Remakes und Reboots seiner Stoffe sind in Arbeit. Auch Netflix hat sich zwei Verfilmungen gesichert, die erste ist Das Spiel (im Original „Gerald’s Game“), der Film zur Novelle „1922“ folgt im Oktober. Hat der Horror-erfahrene Regisseur und Autor Mike Flanagan einen guten Job gemacht?

Das Spiel: Die Handlung

Das Ehepaar Gerald (Bruce Greenwood) und Jessie (Carla Gugino) fährt in sein einsam gelegenes Wochenendhaus. Die Ehe war in letzter Zeit mehr Routine als alles andere, und Gerald erhofft sich vom gemeinsamen Wochenende allein neue Impulse. Ein streunender Hund ist das einzige Lebewesen, das ihnen auf der Reise begegnet, meilenweit kein andere Mensch. Bald schon landet das paar im Bett und Jessie lässt sich von Gerald mit Handschellen an die Bettpfosten fesseln. Doch bald fühlt sich sich von Geralds Spiel abgestoßen und verlangt, dass er damit aufhört. Doch noch bevor er sie von ihren Fesseln befreien kann, erleidet er einen Herzinfarkt und fällt tot zu Boden. Jessie ist allein und gefesselt weitab der Zivilisation – und ihr rennt die Zeit davon. Sie hat nur ein paar Stunden, sich zu befreien, ehe Durst und Schwäche sie daran hindern …

Das Spiel: Horror als klassisches Drama

Wie bereits Kings Roman ist auch der Film kein reiner Horror, obwohl genug gruselige Elemente enthalten sind. In erster Linie geht es dennoch um Jessie und ihre Art, aufgrund ihres bisherigen Lebens mit der Situation umzugehen. Denn einige Aspekte ihrer Persönlichkeit, die sich angesichts ihrer dramatischen Situation als Gerald und eine coole Version ihrer selbst manifestieren, reden fast permanent auf sie ein. Gerald, um sie als schwaches Weibchen zu brandmarken, das sich wie schon so oft auch diesmal in ihr Schicksal fügen sollte. Und die coole Jessie, die sie zwingen will, die Sache kalt und logisch zu analysieren, um diesen Alptraum zu überleben. Denn dafür, dass es ein solcher wird, sorgt neben dem streunenden, sehr hungrigen Hund auch noch eine andere Kreatur, die noch gefährlicher scheint.

Und so entblättert sich Jessie, die ohnehin nur knapp bekleidet ist, seelisch noch deutlich mehr und gibt dem Zuschauer tiefe Einblicke in ihre Vergangenheit. Denn schon als Zwölfjährige hatte sie ein einschneidendes Erlebnis. Und das nutzt Regisseur Mike Flanagan als optischen Aufhänger, um den zweiten, spannenderen Teil seines Films zusammenzuhalten. Jessies Erlebnis während einer Sonnenfinsternis prägte ihr weiteres Leben und die Finsternis ist es von nun an, die für Jessie als möglicher Problemlöser steht.

Das Spiel
Jessie fühlt sich mit den Handschellen nicht wohl, Gatte Gerald nimmt ihre Ablehnung aber nicht ernst – bis es zu spät ist.

Das Spiel: Starke Frau

Weite Teil des Films muss Carla Gugino denn auch ganz allein stemmen – und das macht sie beeindruckend gut. Während Greenwood den fiesen Gatten spielt, macht Gugino die Entwicklung Jessies und die einzelnen Phasen ihres Martyriums emotional packend deutlich. Und macht den Zuschauer so zum Mitkämpfer an ihrer Seite. Wie sie vom verschüchterten Mäuschen zur harten Kämpfern – auch gegen sich selbst wird – ist jederzeit glaubhaft und spannend. Doch es wäre natürlich keine richtige Stephen King-Story, wenn das Drama seiner Heldin bereits alles wäre, was den Zuschauer mitnimmt. Und so inszeniert Flanagan, der bislang nicht nur guten Horror ablieferte, sondern auch ein paar mäßige Streifen, hier durchgehend bedrohlich und setzt das „Monster“ des Plots sehr unheimlich in Szene.

Mit langsamen Kamerafahrten und regelmäßigem Blick durch Jessies Augen hält er beim Zuschauer das ungute Gefühl wach, es könne gleich noch etwas Schlimmeres passieren, als die Frau bisher schon aushalten musste. Dabei vermischt er geschickt die Realität mit den Fantasien, die Jessie immer häufiger hat, sodass dem Publikum regelmäßig die Sicherheit fehlt, sagen zu können, was genau es gerade sieht. Lediglich am Ende fällt Flanagan von seinem Konzept ab, sich eng an die Vorgabe des Romans zu halten und dichtet noch Ereignisse hinzu, die der Film definitiv nicht gebraucht hätte. Es nimmt ein wenig von der Wucht der Grundidee und sorgt für ein klareres Ende, als King das offenbar im Sinn hatte.

Fazit:

Mike Flanagans Netflix-Version eines King-Romans aus den 80ern kann sich sehen lassen. Eine großartige Carla Gugino nimmt die Zuschauer mit auf einen fiesen Trip durch ihre Qualen. Der unheimliche Aspekt des Dramas geht dabei nie verloren. Lediglich zum Ende dichtet Flanagan eigene Ideen hinzu, die allerdings mit denen des Meisters King nicht konkurrieren können. Dennoch gelingt ihm ein spannender und sehenswerter Film, der zu den besseren Umsetzungen von Kings Werken gehört.

Das Spiel ist ab dem 29. September bei Netflix zu sehen.

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Das Spiel
Auch eine Wunde am Arm hält den längs toten Gerald nicht davon ab, seine Frau verbal zu attackieren.