Nicht jeder Comic dreht sich um Superhelden! Die dreiteilige Graphic-Novel „The Last Days of American Crime“ von Autor Rick Remender beweist das erneut. Nachdem Netflix schon Projekte wie „Polar“ oder „October Faction“ umgesetzt hatte, bietet dieser Film ebenfalls derbe Comic-Action abseits kostümierter Figuren. Die düstere Zukunfts-Vision ist zwar extrem blutig, Helden sucht der Zuschauer hier aber vergeblich. Ob das gut ist oder nicht, verrät die Kritik.
Comic-Autor Rick Remender kann bereits auf etliche Jahre in seiner Karriere zurückblicken. Gearbeitet hat der 47-jährige Amerikaner dabei schon für alle großen US-Verlage, seine Arbeiten für Marvel sind aber vermutlich seine bekanntesten. Denn neben Captain America und den X-Men schrieb Remender auch für die Avengers etliche Ausgaben. Dass er auch anders kann, zeigte er mit The Last Days of American Crime, einer blutigen Gangsterstory, die er bei DC unterbrachte. Wie ist die Umsetzung als Film geraten?
The Last Days of American Crime: Die Handlung
Graham Bricke (Edgar Ramirez) war einst ein sehr erfolgreicher Bankräuber. Doch als sein kleiner Bruder im Knast angeblich durch Selbstmord stirbt, verliert Bricke die Lust am Job. Stattdessen will er herausfinden, wie es dazu kommen konnte und legt sich dazu sogar mit der Gangstersippe der Dumois an. Als ausgerechnet der Sohn dieser Familie auf ihn zukommt, um ein letztes, großes Ding zu drehen, traut Bricke dem Braten zuerst nicht. Doch als Kevin Cash (Michael Pitt) ihm erzählt, dass sein Bruder von der Regierung getötet wurde, willigt er voller Rachegedanken ein.
Denn die USA will in wenigen Tagen ein flächendeckendes Signal einschalten, dass jegliches Verbrechen für immer verhindert, weil die Einwohner schlicht nichts mehr tun können, was gegen das Gesetz ist. In nur einer Woche wollen Bricke und Cash eine satte Milliarde Dollar klauen und damit nach Kanada entkommen, bevor das Signal startet . Aber spielt Kevin wirklich ehrlich? Und welche Ziele verfolgt Kevins geheimnisvolle Freundin Shelby (Anna Brewster), eine Weltklasse-Hackerin? Bricke bleibt nicht viel Zeit, um all das herauszufinden …
The Last Days of American Crime: Blutig, aber flach
Der Pate? Goodfellas? Heat? Nein. Wer hier ein Gangsterepos im Stil eines Martin Scorsese erwartet, ist im komplett falschen Film. The Last Days … erinnert deutlich stärker an die Comic-Verfilmung Polar mit Mads Mikkelsen als an einen realistisch anmutenden Mafia-Film. Der Comic-Charakter der Vorlage schlägt hier wie dort deutlich durch. Und beide sind auch in Sachen Gewalt ähnlich explizit. In The Last Days … wird viel gestorben, und in aller Regel nicht friedlich im Bett. Damit hält sich der Film an seine ähnlich kompromisslose Vorlage.
Folter, wilde Schießereien und jede Menge Blut gehören hier ebenso dazu wie schablonenhaft gezeichnete Figuren. Der stoische Bankräuber. Der brutale Soziopath. Die Femme Fatale. Der trottelige Cop. Ob Remender die Figuren ebenso klischeehaft schrieb, wie sie hier zu sehen sind, müssen Leser der Comics beurteilen. Fest steht, dass hier tatsächlich eher Comicfiguren agieren als echte Menschen. Tiefe hat das Ganze also nicht, unterhält es dafür wenigstens besser als der eher enttäuschende Polar?
The Last Days of American Crime: Satte Action, aber zu lang
Im Prinzip schon. Denn Olivier Megaton, Regisseur von Filmen wie „Taken 2+3“ sowie „Colombiana“, ist durchaus Spezialist für harten Tobak, der schon beim Zusehen weh tut. Und das setzt er auch hier in gewohnter Qualität um. Dennoch dauert es fast eine Stunde, bis er die erste starke Action-Szene nach dem fiesen Auftakt des Films präsentiert. Die größte Schwäche von The Last Days … ist denn auch seine Länge. Fast zweieinhalb Stunden braucht Megaton für seine Story, obwohl die Figuren allesamt blass bleiben und manche schlicht überflüssig sind.
Was auch daran liegt, dass die Schauspieler wenig Gelegenheit bekommen, um sich auszuzeichnen. So darf Edgar Ramirez kaum mehr tun, als bei einer Schusswunde einmal kurz aufzustöhnen, sonst ist sein Charakter derart cool, dass es für das Publikum nicht leicht ist, Kontakt zu ihm zu bekommen. Shelby bekommt zwar ein Motiv für ihre Taten im Lauf des Films, sonderlich originell oder stark ist das aber nicht. Immerhin beweist Anna Brewster, dass sie eine körperlich so herausfordernde Rolle durchaus meistern kann. Und Michael Pitt?
Der vielen Zuschauern aus dem US-Remake von „Funny Games“ bekannte Schauspieler hat als Psycho Kevin noch die interessanteste Rolle und macht auch einiges daraus. Dem Klischee des verrückten Sohnes eines mächtigen Mannes kann aber auch er nicht entkommen. All das ist gar nicht schlimm, wenn man The Last Days … als das nimmt, was er ist: eine Comicverfilmung an der Grenze zur Parodie. Wer ihn sich unter dieser Prämisse ansieht, wird trotz der unnötigen Überlange seinen Spaß an den sauber inszenierten Gewalt-Grotesken haben.
Fazit:
Hart, aber hohl, so lässt sich The Last Days of American Crime kurz zusammenfassen. Schablonenhafte Charaktere schießen und morden sich hier durch einen deutlich zu langen Plot, der nur selten einmal eine halbwegs überraschende Wendung nimmt. Dafür kann der Film mit derben Gewaltspitzen aufwarten und geht wenig zimperlich mit seinen Figuren um. Dazu sind die Action-Sequenzen von Regisseur Olivier Megaton durchaus sehenswert. Mit Filmen wie von Scorsese oder Michael Mann hat das aber nichts zu tun, eher mit „Sim City“. Wer so etwas mag, ist hier genau richtig.
The Last Days of American Crime startet am 5. Juni 2020 bei Netflix.