Für viele Fans nehmen die Superhelden-Storys in Kino und TV langsam überhand. Wer allerdings glaubt, die neue Superhelden-Netflix-Serie „The Umbrella Academy“ habe Ähnlichkeiten mit Marvel- oder DC-Helden, der muss umdenken. Denn die zehn Folgen der Adaption eines Comics vom ehemaligen „My Chemical Romance“-Sänger Gerard Way haben mit den typischen Geschichten vom Kampf Gut gegen Böse nur am Rande zu tun. Lohnt sich das Ansehen?
Die Kritik zu Umbrella Academy Staffel 2 finden Sie hier.
Üppig ist es nicht gerade, was Gerard Way und sein Zeichner Gabriel Ba bislang zu Papier gebracht haben. In den Jahren 2007 bis 2009 brachten sie es auf zwei Storys mit insgesamt zwölf Heften und haben erst im Oktober 2018 wieder begonnen, neues Material zu veröffentlichen. Way entwirft mit seiner Umbrella Academy das wohl dysfunktionalste Super-Team der Comic-Historie und packt zwischen all die Familienprobleme noch extrem schräge Figuren wie einen Schimpansen-Butler. Wer ist für diese Serie die Zielgruppe?
The Umbrella Academy: Die Handlung
An einem Tag im Oktober 1989 bringen 43 Frauen auf dem ganzen Erdball ein Kind zur Welt, obwohl sie Minuten vorher noch gar nicht schwanger gewesen waren. Der exzentrische Milliardär Reginald Hargreeves (Colm Feore, „The Prodigy“) adoptiert sieben dieser Kinder und formt aus ihnen das Superheldenteam Umbrella Academy. Luther (Tom Hopper), Nummer eins, ist stark und schnell, Nummer zwei, Diego, kann gut kämpfen und ist ein Meister im Umgang mit Messern. Allison kann Menschen durch Lügen ihren Willen aufzwingen.
Mit Klaus (Robert Sheehan), der Tote sehen und hören kann und Vanya (Ellen Page), die als einziges Kind keine Superfähigkeit entwickelte, finden sich alle nach Jahren der Trennung als Erwachsene wieder im Haus von Hargreeves ein, denn der alte Mann wird zu Grabe getragen. Lediglich Ben, der vor langer Zeit starb, und Fünf, der als Kind spurlos verschwand, fehlen. Doch dann taucht Fünf plötzlich auf der Beerdigung auf und warnt seine Adoptiv-Geschwister vor einer nahenden Apokalypse. In einer Woche wird die Erde untergehen …
The Umbrella Academy: Schräger Stoff
Edle Helden, die in bunten Kostümen gegen fiese Bösewichte kämpfen, auf die hatte Autor Gerard Way ganz offensichtlich keine Lust. Stattdessen dachte sich der Musiker einige der schrägsten Gestalten aus, die je Superkräfte besessen haben. Und wirft sie in eine Story, die fast noch schräger ist als die Helden selbst. Wem also Serien wie „Titans“ oder „Cloak and Dagger“ schon zu abseitig sind, der sollte um The Umbrella Academy besser einen weiten Bogen machen. Hier erinnert viel an „Preacher“ und „American Gods“ – und wenig an die „Avengers“.
So landet beispielsweise Klaus mitten in der Story für ein Jahr im Vietnam-Krieg von 1968. (Dessen Darsteller Robert Sheehan hat als einziger bereits Erfahrung in schrägen Superhelden-Serien, er spielte in der britischen Serie „Misfits“ mit.) Fünf hingegen liebt eine Schaufenster-Puppe. Und die Nebencharaktere wie der grandios in Szene gesetzte Schimpanse Pogo, die beiden Killer Cha-Cha (Mary J. Blige) und Hazel oder die undurchsichtige Handler (Kate Walsh) sorgen auch nicht dafür, dass die Serie in irgendeiner Weise normaler wird.
The Umbrella Academy: Tolle Szenen, maue Story
Und immer wieder präsentieren die Drehbuchschreiber und Regisseure großartige Szenen. So ist die schon zu Beginn der Serie klar ersichtliche Love-Story zwischen Luther und Allison wundervoll erzählt. Mit Klaus und Fünf sind den Autoren ebenfalls herrlich abstruse Momente eingefallen. Und wenn es denn einmal rund geht in der Serie, dann wird auch nicht gekleckert, sondern in Sachen Effekte richtig geklotzt. Leider passiert das aber relativ selten. So sind die meisten Fähigkeiten der Geschwister kaum einmal wirklich zu erleben.
Und die eigentliche Hauptgeschichte, der Kampf der Umbrella Academy gegen die Apokalypse, ist derart langsam und spannungsarm erzählt, dass sich die erste Hälfte der Staffel immer wieder zäh wie Kaugummi zeigt. In manchen Folgen passiert so gut wie nichts, was die Handlung nach vorn bringt. Stattdessen begnügen sich die Autoren mit der Charakterzeichnung der vielen Figuren, die hier eine Rolle spielen. Für viele der Charaktere gibt es Nebenhandlungen und Rückblenden, die das Tempo noch einmal verlangsamen. Zehn Folgen hätte diese Story nicht gebraucht.
Die zweite Hälfte der Staffel ist allerdings deutlich besser als die erste. Hier geht es zwar immer noch nicht viel schneller voran, aber wenn die ersten vorbereiteten Twists langsam zünden, gewinnt die Serie zumindest Spannung zurück. Auch wenn sich Way bei seinem Finale offenkundig ein wenig bei der Phoenix-Saga der „X-Men“ bedient hat. Aber da gibt es ja schlechtere Vorbilder. So versöhnen vor allem die letzten drei Folgen mit dem zähen Start und retten The Umbrella Academy noch akzeptabel ins Ziel.
Fazit:
Auf diese schräge Nummer sollten sich nur Comic-Fans einlassen, denen „Superman“ oder „Spider-Man“ viel zu langweilig und normal sind. The Umbrella Academy erzählt eine völlig andere Superhelden-Story, als man sie im Kino zu sehen bekommt. Leider macht sie das in weiten Teilen nicht sonderlich spannend oder stringent, sondern verzettelt sich in vielen Nebenhandlungen, die nicht alle interessant oder fesselnd sind. Erst zum Finale zeigt die Serie, welch großes Potenzial sie eigentlich hat.
The Umbrella Academy startet am 15. Februar 2019 bei Netflix.
Gesehen: Zehn von zehn Folgen.