You

Serienkritik: You – Du wirst mich lieben

Ein Stalker kann durchaus komödiantisches Potenzial haben, wie „Verrückt nach Mary“ bewiesen hat. Oder ist, wie zum Beispiel in „Unsane“, ein Grund für mörderische Spannung. Die neue Netflix-Serie „You – Du wirst mich lieben“ gehört eindeutig zur zweiten Kategorie. Denn der scheinbar so harmlose Buchhändler Joe mutiert nach einem Blick auf die hübsche Beck zum gruseligen Strippenzieher im Hintergrund, um seine Traumfrau für sich zu gewinnen – mit allen Mitteln. Wie gut ist die Serie?

Im Jahr 2014 schrieb die Amerikanerin Caroline Kepnes den Thriller You und feierte damit schnell Erfolge. Der Roman wurde mit den Büchern von Gillian Flynn verglichen und zog nicht nur eine Fortsetzung nach sich. Sondern auch die Serien-Adaption, die von Warner für den Pay-TV-Sender „Lifetime“ in den USA produziert wurde. Netflix holte sich die Serie für den Rest der Welt ins Programm und versieht sie mit dem Original-Netflix-Siegel, was aber nicht stimmt. Können die zehn Folgen der ersten Staffel überzeugen?

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Die junge New Yorkerin Beck will Schriftstellerin werden und geht daher häufig in Buchläden stöbern.

You: Die Handlung

Als der Buchhändler Joe Goldberg (Penn Badgley) die junge Guinevere Beck (Elizabeth Lail) in seinem Laden sieht, ist es für ihn Liebe auf den ersten Blick. Doch seine Auserwählte ahnt von alldem nichts, hat sie doch nur ein paar harmlose Sätze mit Joe gesprochen. Doch der lässt Beck, wie sie sich selbst nennt, von nun an nicht mehr aus den Augen, checkt das Internet nach Fakten über sie ab und verfolgt sie auf Schritt und tritt, ohne sich sehen zu lassen. Und bald hat Joe ein sehr gutes Bild von seiner neuen Flamme.

Und beginnt damit, sämtliche Elemente, die sich seiner Meinung nach störend auf seine Chancen bei Beck auswirken könnten, nach und nach auszumerzen. Er startet bei ihrer Affäre mit dem blasierten, schwer reichen Yuppie Benji (Lou Taylor Pucci), den Joe bald aus dem Verkehr zieht. Und fährt damit fort, sich Becks Freundinnen genauer anzusehen, um zu verhindern, dass eine von ihnen möglicherweise quer schießt und die Freundin vor dem vermeintlichen Traummann warnt. Schon bald sind Joes Bemühungen von Erfolg gekrönt …

You: Schmerzhaft glaubwürdig

Mit einem klassischen Krimiplot hat You nichts zu tun. Denn schon an den ersten, von Joe aus dem Off gesprochenen Kommentaren merkt der Zuschauer, dass er es hier mit einem eiskalten Soziopathen zu tun hat. So lässt die Serie keinen Zweifel daran, was hier auf das Publikum zukommt. Eine Story nämlich, in der der Zuschauer durch sein Wissen zum unfreiwilligen Komplizen Joes wird. Und das funktioniert überraschend gut, denn ohnmächtig muss das Publikum zusehen, wie Joe einer Spinne gleich sein ahnungsloses Opfer einwickelt.

So erinnert You beispielsweise an die hochgelobte Serie „Hannibal“, in der ebenfalls von Anfang an klar ist, welches Monster da mit dem FBI zusammenarbeitet und die aus diesem Umstand eine Menge Spannung zieht. You spielt geschickt mit der Erwartungshaltung der Zuschauer und kreiert viele Momente, in denen etwas Schlimmes passieren könnte – oder auch nicht. Wenn dann etwas passiert, kommt das häufig aber völlig unvermittelt und schockt so noch deutlich mehr als erwartet. Schnell wird klar: Hier waren Profis am Werk.

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Dort trifft sie auf Joe, der sich sofort in sie verliebt und die Eroberung seiner Traumfrau akribisch plant.

You: Erfahrene Macher, gute Darsteller

Denn die Serienerfinder Greg Berlanti und Sera Gamble haben schon einige Erfolge zu verantworten. So hat Berlanti nicht nur mit „Love, Simon“ eine sehenswerte Teenie-Romanze in die Kinos gebracht, sondern ist auch für fast alle DC-Serien bei CW und dem neuen Streaming-Dienst DC Universe verantwortlich. Und Gamble hat sich als Produzentin von „Supernatural“ einen Namen gemacht. Kein Wunder also, dass You auf mehr als einer Ebene überzeugen kann. Aber die Serienerfinder haben auch gut gecastet.

Denn Penn Badgley ist in der Rolle des kühl agierenden Monsters überaus sehenswert. Auch, weil der Charakter gut geschrieben ist. So ist Joe auf der einen Seite ein skrupelloser Soziopath ohne irgendein Gewissen, auf der anderen Seite kümmert er sich aber geradezu aufopfernd um den Nachbarsjungen Paco (Luca Padovan), der unter dem neuen Freund der Mutter leidet. Deshalb ist Joe weit mehr als nur ein fieser Stalker. Und auch Elizabeth Lail ist als ahnungslose, aber keinesfalls dumme, sondern clevere und wenn nötig sogar toughe junge Frau gut besetzt.

Und das macht den Kampf zwischen den beiden Figuren auch so spannend. Denn als Zuschauer ist man ständig auf der Hut, ob Joe vielleicht einen Fehler macht, den Beck bemerken könnte. Und somit der Schlagabtausch zwischen ihm und ihr endlich beginnen kann. Denn das Beck kein wehrloses Opfer ist, macht You bald klar. Und sorgt so dafür, dass der Beginn der Serie, der ein ohnmächtiges Zusehen eines sicheren Geschehens suggeriert, sich langsam zum Duell gleichstarker Gegner entwickeln könnte. Kein „Schweigen der Lämmer“, aber ein mehr als solider Serien-Thriller.

Fazit:

Den cleveren Drehbüchern und beiden Hauptdarstellern verdankt You – Du wirst mich lieben seine Qualität. Der manchmal eiskalte, manchmal fast sympathische Penn Badgley und die auf den ersten Blick naiv-süße, aber langsam immer stärker wirkende Beck sorgen dafür, dass man bei diesem Versuch, eine junge Frau in eine Liebesbeziehung hineinzutricksen, wirklich mitfiebert. Kein Meisterwerk, aber eine ansprechende Thriller-Serie mit ein paar fiesen Wendungen.

Gesehen: 3 von 10 Folgen

You – Du wirst mich lieben startet am 26. Dezember 2018 bei Netflix.

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Wird Beck ihren neuen Freund durchschauen oder nimmt es für sie ein übles Ende?