Zeit der Geheimnisse

Serienkritik: Zeit der Geheimnisse

Und noch eine deutsche Serie bei Netflix! Die dreiteilige Mini-Serie „Zeit der Geheimnisse“ hätte zeitlich auch gut als Spielfilm laufen können. Denn insgesamt dauert die Geschichte nur etwa zwei Stunden. Im Gegensatz zu Serien wie „Ghul“, die ursprünglich auch als Film geplant waren, bevor sie zur Mini-Serie umgeschnitten wurden, merkt man der deutschen Familiensaga dramaturgisch die Serien-Idee aber an. Wie gut ist das hochkarätige besetzte Feiertagstreffen einer ganz und gar ungewöhnlichen Familie?

Schauspielerin und Autorin Katharina Eyssen ließ sich für das Script von Zeit der Geheimnisse von einer spanischen Serie inspirieren, verlegt die Handlung aber an die norddeutsche Küste. Eyssen schrieb bereits so unterschiedliche Drehbücher wie die Tragikomödie „Heute bin ich blond“ oder die misslungene Komödie „Rate your Date“ aus dem vergangenen Jahr. Die Netflix-Serie Zeit der Geheimnisse war für Eyssen ein lange gehegtes Wunschprojekt. Merkt man das dem Dreiteiler an?

Zeit der Geheimnisse
Oma Eva schaut auf ein bewegtes Leben zurück.

Zeit der Geheimnisse: Die Handlung

Vivi (Svenja Jung) kommt zwei Tage vor Heiligabend am Haus ihrer Großmutter Eva (Corinna Harfouch) an – und wird von Haushaltshilfe Ljubi mit einer Hiobsbotschaft empfangen: Eva ist tot! Wenig später treffen auch Vivis Schwester Lara (Leonie Benesch) und ihre Mutter Sonja (Christiane Paul) ein und sind durch die Nachricht am Boden zerstört. Doch wie sich herausstellt, ist Ljubi keine allzu gute Ärztin, denn Eva kommt nur wenig später putzmunter die Treppe herunter. Das ist der Beginn eines Weihnachtsfestes, das nicht so ist wie die vielen Feste vorher.

Denn im Laufe der Feiertage treten nicht nur Spannungen zwischen Frauen zutage, sondern auch lange vergessene oder verdrängte Geheimnisse der Familie werden durch unterschiedliche Anlässe wieder aktuell. Das überfordert nicht nur Laras Verlobten, sondern auch die anderen Männer, die in den Tagen bei Eva hereinschneien. Die Frauen aber, die sich schon so lange kennen und wissen, in welche verrückte Familie sie hineingeboren wurden, wollen endlich reinen Tisch machen. Doch das ist gar nicht so leicht, wie es sich anhört …

Zeit der Geheimnisse: Tolles Ensemble

Diese Serie steht und fällt mit ihren Darstellerinnen. Und die sind allesamt sehr stark. Corinna Harfouch und Christiane Paul haben schon so oft bewiesen, was für gute Schauspielerinnen sie sind, dass ihre Leistung hier keinen wirklich überraschen sollte. Selbst wenn Paul mit einer Serie wie „Acht Tage“ unlängst kräftig danebengelangt hat. Aber auch die heimliche Hauptfigur Vivi wird von Svenja Jung, mit Paul bereits gemeinsam in „Ostfriesenkiller“ zu sehen, so packend gespielt, dass der Zuschauer stets dran bleibt.

Und auch die vielleicht undankbarste Rolle der unscheinbaren Lara wird von Leonie Benesch großartig verkörpert. Benesch konnte schon in „Babylon Berlin“ mit der vielleicht tragischsten Figur der ganzen Serie überzeugen – hier tut sie es auch. Dem starken Ensemble ist es zu verdanken, dass Zeit der Geheimnisse trotz einiger deutlich zu unglaubwürdigen Kapriolen nie zu albern oder zu sentimental wird. Und statt Rosamunde Pilcher eher die norddeutsch-kantige Version von „Sieben verdammt lange Tage“.

Zeit der Geheimnisse
Sonja hat den beiden Töchtern schon häufiger übel mitgespielt – meist zu Weihnachten.

Zeit der Geheimnisse: Etwas zu viel Drama

Dann auch die knarzigen One-Liner einer Corinna Harfouch können nicht ganz verhindern, dass einige der Familiengeheimnisse arg übertrieben wirken. So ist die Vaterschaft von Vivi eine der großen Fragen der Serie, die am Ende eher mau aufgelöst wird. Und ein paar der anderen vermeintlich großen Überraschungen sieht der Zuschauer auch schon von Weitem kommen. Das Drehbuch kann mit dem Leistungen der Schauspieler nicht ganz mithalten. Obwohl die Grundidee von vier Generationen im Schnelldurchlauf durchaus ihren Reiz hat.

Regisseurin Samira Radsi übertreibt es besonder in Folge zwei mit den Zeitsprüngen und fordert so dem Publikum eine hohe Konzentration ab, um jederzeit zu wissen, in welcher Zeitebene sich die Handlung gerade befindet. Dass jeder der weiblichen Figuren von mindestens zwei verschiedenen Darstellerinnen verkörpert wird, macht das in drei knappen Folgen erzählte Projekt auch nicht gerade einfacher. Wer hier nicht aufpasst, verliert möglicherweise bald den roten Faden.

Sobald Eyssen in ihrem Script die leisen Töne aufleben lässt, hat Zeit der Geheimnisse seine stärksten Szenen. Denn es sind nicht die überdrehten Plot-Twists, die wirklich berühren, sondern die kleinen Momente. In denen trotz aller Streits und Vorwürfen die Liebe der Figuren füreinander so gut zum Tragen kommt. Das unterscheidet Zeit der Geheimnisse wohltuend von einer klassischen Seifenoper, die auch aus dieser Serie hätte werden können. Harfouch und Co. verhindern das eindrucksvoll.

Fazit:

War es die Angst vor zuviel Normalität? Autorin Katharina Eyssen lässt den Protagonisten in vier Generationen so viel abstruse Dinge zustoßen, dass Zeit der Geheimnisse mehrfach knapp an der Parodie vorbeischrammt. Den großartigen Schauspielerinnen ist es zu verdanken, dass die Serie immer im richtigen Moment wieder geerdet wird. Und vor allem die ruhigen Momente und der staubtrockene Humor in diesem ansonsten so turbulenten Weihnachtsfest im Gedächtnis bleiben. Ein reinigendes Familiengewitter, das sich sehen lassen kann!

Zeit der Geheimnisse startet am 20. November 2019 bei Netflix.

Gesehen: Drei von drei Folgen.

Zeit der Geheimnisse
Schon als Kinder litten die beiden unter ihrer Mutter und lebten deshalb bei Oma Eva.