Ghul
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Serienkritik: Ghul

Eigentlich verbinden die meisten Filmfreunde indisches Kino mit bunten Liebesfilmen voller Tanzeinlagen und garantiert nicht mit blutigem Horror. Doch nun präsentiert Netflix eine Miniserie namens „Ghul“, die in Sachen Härte und Spannung durchaus mit dem besten US-Serien mithalten kann. Dahinter steht neben einem in Indien lebenden britischen Regisseur auch US-Erfolgsproduzent Jason Blum.

Die US-indische Produktion Ghul als Serie zu verkaufen, wäre eigentlich etwas für die BBC. Denn nur die bringen es fertig, einen Dreiteiler als  ganze Serie anzukündigen. Was in diesem Fall besonders seltsam ist, da es eigentlich einmal ein Spielfilm war und erst nachträglich zur Netflix-Serie umgeschnitten wurde. Die gerade einmal 130 Minuten lange Serie hätte aber auch als Film funktioniert. Und der sollte es nach einem Deal zwischen Blumhouse („Get Out“) und dem indischen Studio auch werden.

Ghul
Ist der neue Gefangene Ali wirklich der Anführer der Rebellen? Oder ist da etwas gänzlich Anderes ins Foltergefängnis geraten.

Ghul: Die Handlung

Indien in naher Zukunft. Aus dem Land ist durch religiöse Fanatiker ein totalitärer Überwachungsstaat geworden. Auch die junge Nida (Radhika Apte) glaubt fest an den neuen Staat und geht dabei sogar so weit, ihren eigenen Vater, einen liberalen Universitäts-Professor, an ihre Leute zu verraten. Aber weil er statt mit einer Standpauke entlassen zu werden, spurlos verschwunden ist, fühlt Nida sich schuldig. Auch ihre Abkommandierung in ein geheimes Gefangenenlager sieht die junge Frau mit gemischten Gefühlen.

Auch die Anführer vor Ort, der Kriegsheld Dacunha (Manav Kaul) und seine rechte Hand Laxmi (Ratnabali Bhattacharjee), begegnen Nida mit Misstrauen. Dennoch wird sie zur Befragung eines wichtigen Gefangenen abkommandiert – Ali Saeed (Mahesh Balraj), dem Anführer der Rebellen. Doch als das Verhör mit begleitender Folter an dem Mann beginnt, kommen Nida Zweifel, ob der Gefangene tatsächlich der ist, der er zu sein scheint. Bald gibt es im Gefängnis die ersten Leichen. Und das Töten hat gerade erst begonnen …

Ghul: Hart und düster

Eine indische Horrorserie dürfte für die meisten Zuschauer eine Wundertüte sein, da es kaum Filme oder Serien dieses Genre aus dem Land gibt. Der britische Regisseur und Drehbuchautor Patrick Graham lebt und arbeitet in Indien und schafft eine durchgehend packende Verschmelzung aus westlichen Genre-Versatzstücken und indischer Mythologie. Die vor und hinter der Kamera fast ausschließlich mit indischen Filmschaffenden umgesetzt wird. Dabei schreckt Graham auch vor recht rabiaten Bildern nicht zurück.

Sowohl die Hintergrundgeschichte um die Diktatur, die ihre Gegner in Foltergefängnissen verschwinden lässt, als auch die Hauptstory um einen sehr unmenschlichen Gefangenen, sind extrem düster inszeniert und erzählt. Das ist eine ganze Spur härter als die üblichen Teenie-Horrorstoffe aus den USA und zeigt, dass das Genre noch immer Geschichten erzählen kann, die man nicht schon hundert Mal gesehen hat. Zwar ist auch Ghul nicht frei von Anleihen, Graham holt sich aber Inspiration von ganz großen Vorbildern.

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Schon bald muss Nida um ihr Leben kämpfen.

Ghul: Das Ding lässt grüßen

Den Body-Horror von John Carpenters Meisterwerk zeigt Grahams Film zwar nicht, den Paranoia-Aspekt von „Das Ding“ fängt Ghul aber sehr gut ein. Denn langsam wächst das Misstrauen unter den Gefängniswärtern und bald traut niemand mehr irgendjemanden. Ohne große Effekte, nur durch die guten Schauspieler, entsteht so ein Spannungsfeld, dass sich bis zum Schluss nicht mehr abbaut. Graham nimmt den Klassiker auch beim Soundtrack als Inspiration. Minimale Elektroklänge verstärken das Grauen in den düsteren Gängen nochmals und führen virtuos akustisch auf den nächsten Höhenpunkt zu. 

Obwohl Graham seine Dystopie lediglich als Aufhänger für seinen Horror nimmt, nimm er sich auch Zeit für ein paar Aussagen über Diktaturen und Terror gegen das eigene Volk, die auch für viele Menschen heute noch immer Alltag sind. Diese zweite Ebene des Horrors packt auch dann, wenn von übernatürlichen Kräften auf dem Bildschirm gar nichts zu sehen ist. Dazu sorgt die Kamera dafür, dass der Zuschauer genauso vorsichtig und zitternd um die Ecken des Gefängnisses spähen wie die Heldin Nida. Keine Frage, Graham versteht sein Horror-Handwerk.

Dass ihm zwar eine sehr gute, aber keine herausragende Serie gelingt, liegt denn auch hauptsächlich am Drehbuch. Denn das ist trotz einiger guter Ideen ein wenig vorhersehbar und wird Kenner des Genres nicht lange im Dunkeln lassen. Das ist aber angesichts der guten Umsetzung und des originellen Kulturen-Mixes durchaus zu verschmerzen.

Fazit:

Mit Ghul weht aus mehreren Gründen ein frischer Wind durch Netflix‘ Horror-Ecke. Zum einen ist der eigentlich gut zweistündige Film hier zur Mini-Serie mutiert, was gut funktioniert. Außerdem überzeugt die Mischung aus derbem Polit-Thriller und recht hartem Horror fast komplett. Mit ein wenig mehr Schliff am Drehbuch hätte Ghul sogar das Zeug zum Klassiker gehabt, aber auch so bleibt er ansehnlicher Horrorstoff. So darf gern mehr Gruseliges aus Indien kommen.

Ghul ist ab dem 24. August 2018 bei Netflix zu sehen.

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Ist Nidas Gegner wirklich ein Mensch?