Revenge

Filmkritik: Revenge

Das Horror- und Thriller-Sub-Genre „Rape and Revenge“ steht von je her bei den Moralhütern des Kinos besonders unter Beschuss. Ob „Last House on the Left“ von Wes Craven oder die „I spit on your Grave“-Reihe: Stets fand sich jemand, der das Gesehene zutiefst verurteilte. Meist ging es dabei um das Frauenbild, das in solchen Filmen vermittelt wurde. Schon diesbezüglich bietet „Revenge“ hier Abwechslung, denn der Film wurde von einer Frau geschrieben und inszeniert. Wie gut ist er?

Coralie Fargeat hatte vor Revenge noch keinen Film inszeniert – und suchte sich für ihr Debüt ausgerechnet einen so beinharten und blutigen Thriller aus. Damit nimmt sie ihren Film zumindest in Sachen Sexismus aus der Schusslinie. Beim Blutgehalt und grafischer Brutalität steht sie ihren männlichen Kollegen des Genres aber in nichts nach. Und hat sich mit Revenge eindeutig die Freigabe „ab 18 Jahren“ verdient. Bietet der Film nur etwas für Gorehounds?

Revenge
Da ist die Welt noch in Ordnung: Jen im Pool.

Revenge: Die Handlung

Als die junge Jen (Matilda Lutz) mit ihrem Lover Richard (Kevin Janssens) zu seiner Villa in die Wüste fliegt, freut sie sich auf ein schönes Wochenende. Kaum ist der Hubschrauber gelandet, landen die beiden auch schon im Bett. Doch der Anruf von Richards Frau verhagelt Jen ein wenig die Laune. Noch mehr aufs Gemüt schlägt ihr allerdings der Besuch von Stan (Vincent Colombe) und Dimitri (Guillaume Bouchede), Richards Freunde und Geschäftspartner, die einen Tag zu früh auftauchen.

Schlimmer als das ist allerdings das deutlich lüsterne Verhalten Stans, der Jen ständig mit Blicken auszieht. Zuerst macht sie noch gute Mine zum bösen Spiel, doch als Richard am nächsten Tag unterwegs ist, eskaliert die Situation. Stan vergewaltigt Jen mit Einverständnis von Dimitri. Richard ist zwar extrem wütend, als er davon erfährt, seine Konsequenzen überraschen aber. Um keine Schwierigkeiten mit Gesetz und Gattin zu bekommen, wirft er Jen kurzerhand eine Klippe hinunter. Doch sie stirbt dabei nicht …

Revenge: Weibliche Hand

Das Rachemotiv im meist testosterongesteuerten Actionkino ist wahrlich nicht neu. Ob Charles Bronson in den 70ern oder Steven Seagal in den 80ern – immer gab es den einsamen Rächer, der nach erlittenem Unrecht eisenhart zurückschlug. Mit einer Frau als wehrhaftem Opfer ist das bisher allerdings selten umgesetzt worden – und dann meist in Verbindung mit Vergewaltigung. Regisseurin und Drehbuchautorin Coralie Fargeat ändert aber für das Sub-Genre Rape and Revenge gleich einmal die Regeln – zumindest ein bisschen.

Denn die Vergewaltigung, in anderen Filmen des Genres meist des Kernstück der fiesen Bilder, zeigt die Regisseurin nur in Ansätzen, begleitet dann aber Dimitri ins Nebenzimmer und lässt die Vergewaltigung nur akustisch geschehen. Und nimmt so sämtlichen möglichen Sex-Phantasien den Wind aus den Segeln. Zwar setzt Fargeat ihren Star Matilda Lutz durchaus sexy in Szene, was für den Film ja auch sinnvoll ist, bei der Vergewaltigung zieht sie aber eine Grenze. Und sendet so eine Botschaft, nicht nur an ihre männlichen Antagonisten, sondern auch an den männlichen Zuschauer: Ihr bekommt hier nicht zu sehen, worauf ihr vielleicht hofft.

Revenge
Als die drei Männer Jagd auf ihre verletztes Opfer machen, zeigt Jen echte Kämpferqualitäten.

Revenge: Keine Gefangenen

Allerdings lässt Fargeat auch wenig Zweifel dran – oder schert sich nicht darum – dass es sich bei Revenge eher um eine blutige Fantasy-Story handelt als um reale Vorgänge. Denn schon der Aufprall Jens nach dem Sturz überdreht die Glaubwürdigkeit deutlich. Was dann später noch folgt, damit die junge Frau das alles überleben kann, ist sogar noch unglaubwürdiger. Das macht die meist gut getricksten Bilder über Wundenversorgung und Zufügung derselben aber nur unwesentlich besser zu ertragen, Zartbesaitete sollten hier besser nicht zusehen.

Wer allerdings mit derben Bildern kein Problem hat, wird nach und nach den immer wieder aufblitzenden tiefschwarzen Humor entdecken, mit dem Fargeat ihre ansonsten komplett bekannte Story auskleidet. Denn die Regisseurin übertreibt ein kleines Stück in jedem Aspekt ihres Films. So lässt sie Jen bei der Landung einen Lolli lutschen, ein Versprechen auf Oral-Sex, die sie dann auch gleich einlöst. Und die drei Männer sind in ihrer Lüsternheit und Kälte auch derart überzogen dargestellt, dass ein Gefühl des Realismus schnell auf der Strecke bleibt.

Fargeat kann offenbar von ihrer Heldin nicht genug bekommen, lässt die Kamera immer wieder um den geschundenen Körper kreisen, der nun keinem jungen Sex-Häschen, sondern einer Kriegerin gehört. Dazu fängt sie die Schönheit der kargen Wüste immer wieder gekonnt ein und setzt so einen interessanten Kontrast zum Geschehen. Das völlig durchgedrehte Blutbad-Finale lässt Freunde von derben Szenen sicher jubeln. Für die ist Revenge auch ein durchgehend großer Spaß. Wer hier ein tiefgehendes, emotional packendes Drama erwartet, ist aber falsch.

Fazit:

Revenge ist ein sehr blutiger und tief schwarzhumoriger Genre-Ausflug. Der bei aller Übertreibung und Brutalität aber durchaus deutlich zeigt, dass er von einer Frau geschrieben und inszeniert wurde. Denn Coralie Fargeat verdreht gekonnt die Versatzstücke des Rape and Revenge-Themas und entscheidet sehr genau, was sie zeigt – und was nicht. Und das ist für ein Regie-Debüt aller Ehren wert. 

Revenge ist ab dem 23. August 2018 auf DVD und Blu-Ray im Handel.

Revenge
Kann Jen tatsächlich die Angriffe der drei Männer überleben?