Krista Kosonen

Serienkritik: Der Schwarm

Nachdem 2004 Frank Schätzings Erfolgsroman „Der Schwarm“ erschien, gab es schnell erste Gerüchte über eine Verfilmung des mehr als 1000 Seiten starken Buches. Doch immer wieder scheiterten geplante Film-Projekte von großen Hollywood-Studios wie Paramount. Schließlich griff ausgerechnet das ZDF zu, sonst nicht unbedingt Heimat spektakulärer Sci-Fi-Serien, und plante unter Einbindung Schätzings eine Serie, die vom „Game of Thrones„-Produzenten Frank Doelger als Showrunner umgesetzt werden sollte. Schätzing stieg irgendwann wegen kreativer Differenzen aus. Und ließ unlängst kein gutes Haar an der Serie. Er fand dass sie mehr pilcherte als schwärmte, zudem fehle das Vertrauen in das Narrativ des Romans. Hat der Autor recht? Das klärt die Kritik.

Der Schwarm Hauptfiguren
Sieben Wissenschaftler versuchen in der Schwarm, die Menschheit zu retten.

Die Handlung

Es beginnt klein. Die junge Meeresbiologin Charlie (Leonie Benesch) entdeckt auf den Shetlandinseln nicht nur den netten Fischer Douglas (Jack Greenlees), sondern auch seltsame Vorgänge im Atlantic. So steigen Brocken gefrorenes Methan an die Wasseroberfläche, die eigentlich Kilometer tiefer auf den Grund gehören würden. Charlie gibt ihre Beobachtungen weiter. Doch ihre Vorgesetzte, Dr. Katharina Lehmann (Barbara Sukowa), misst ihrem Fund zunächst keine große Bedeutung bei. Der kanadische Wissenschaftler Leon Anawak muss mit ansehen, wie eine Freundin mitsamt ihrem Boot voller Touristen auf See von einer Grippe Wale angegriffen und getötet wird. Die Wale verhalten sich dabei völlig atypisch und Anawak hat zunächst keinerlei Erklärung für den Vorfall, forscht aber weiter.

Bei einigen Bohrinseln in der Nordsee gibt es ebenfalls ungewöhnliche Funde. Und so holt die für den Öl-Konzern arbeitende Wissenschaftlerin Tina Lund (Krista Kosonen) ihren Ex-Freund Sigur Johanson (Alexander Karim) dazu, der Experte für Meeresbiologie ist. Gemeinsam entdecken sie auf dem Meeresgrund eine neue Spezies von Eiswürmen, die offenbar gezielt Methaneis anfressen und große Brocken lockern. Schließlich wird in Frankreich durch einen scheinbar verdorbenen Hummer eine Epidemie ausgelöst, die der Ärztin Cecile Roche (Cecile de France) ein völliges Rätsel ist – und die niemand in den Griff bekommt. Es scheint, als habe sich die Meeresflora und Faun gegen die Menschheit verschworen …

Langeweile statt Spannung

Wer ein solches Mammutprojekt wie die Verfilmung eines Monsters von einem Roman gut umsetzen will, muss viele Dinge im Kopf haben. Worum geht es im Buch? Was sind die wichtigsten Aspekte? Welche Inhalte haben die Leser besonders begeistert? Und wie setzte ich sie filmisch um? All diese Fragen dürfte sich auch Frank Doelger gestellt haben, als er vom ZDF, die etwa ein Drittel des Budgets von 40 Millionen Euro beisteuerten, angeheuert wurde, um Der Schwarm als TV-Serie zu verwirklichen. Erstaunlicherweise hat Doelger mit seinem Team aus Autoren und Regisseuren fast nur Antworten auf diese Fragen gefunden, die gänzlich daneben liegen. Nach sechs von acht Folgen muss man leider sagen: Der Schwarm ist eine größtenteils langweilige Veranstaltung.

Das hat viele Gründe. So klingt 40 Millionen erst einmal viel, aber die Szenen, die den Lesern das Buches im Gedächtnis bleiben, die verwüsteten Landstriche Nordeuropas nach einer gigantischen Tsunami beispielsweise oder der heftige Angriff der Wale auf die Touristen – all das zeigt auch die Serie kaum oder gar nicht, weil dafür des Geld eben nicht reichte. Zwar gelingt Doelger mit dem Tsunami einer der wenigen emotionalen Höhepunkte der Serie. Aber das Ausmaß der Zerstörung, die unfassbare Bedrohung allen menschlichen Lebens an den Küsten der Welt, die bleibt Doelger den Zuschauern schuldig. Einzelne Szenen wie eine Attacke von Millionen Krabben auf den Strand in Südafrika oder eine Quallenplage in Venedig sind ordentlich in Szene gesetzt. Sie bleiben aber die Ausnahme.

Der Schwarm
Leon Anawak riskiert in der Tiefe sein Leben, um Walen wichtige Proben zu entnehmen.

Schauspieler auf verlorenem Posten

Dazu langweilt die Serie mit uninspirierten und halbherzigen Love-Storys – was Schätzing wohl zu der Pilcher-Aussage brachte – die zur Handlung wenig beitragen und selten einmal emotional zünden. Ebenso wenig wie die Action-Einlagen, denen die im Roman durchaus vorkommende Brutalität völlig abgeht. Statt hier dem Thema angemessen auf eine FSK 16 zu gehen, ließ Boelger eine FSK 12-Serie drehen. Die in keinem Moment die Wucht des Buches entfesselt, weil sie viel zu harmlos inszeniert ist. Dass Frank Schätzings Buch ein vielleicht etwas zu langer, aber im Kern dennoch spannender Thriller ist, merkt man der Serienumsetzung kaum an. In gemütlichem Tempo, größtenteils ohne echte Höhepunkte schippern die ersten Folgen über den Bildschirm. Packend ist dabei nichts.

Das liegt ausdrücklich nicht an den Schauspielern. Die holen aus ihren wenig spannend geschriebenen Figuren noch  heraus, was ihnen möglich ist, allen voran Leonie Benesch. Sie hat mit der jungen Charlie nicht nur eine der emotionalsten Rollen. Ihr gelingt es auch, die Zuschauer wirklich zu erreichen. Ihre Ohnmacht angesichts der Ereignisse sorgt für ein paar der gelungenen Momente in Der Schwarm. Aber auch der restliche Cast versucht redlich, dem müden Script Leben einzuhauchen. Das klappt in den ersten sechs Folgen selten genug. Was zum Großteil am Drehbuch liegt. Viele der Themen, die Schätzing in seinem Roman recht ausführlich behandelt, finden in der Serie kaum statt. Die Dramaturgie erinnert eher an eine Vorabendserie, die den Puls tunlichst nicht über 100 treiben soll.

Der Schwarm
Millionen von Quallen verstopfen die Kanäle von Venedig – eine Attacke?

Ob man aber Doelger wirklich die ganze Schuld in die Schuhe schieben kann, oder ob man sich ehrlich machen muss, ist eine andere Frage. Denn Serien wie „The Last Of Us“ oder „Game of Thrones“ haben deutlich mehr gekostet als Der Schwarm. Da man wohl davon ausgehen kann, dass auch diese Showrunner das Geld nicht mit beiden Händen aus dem Fenster geworfen haben, sondern soviel bekamen, um die Illusion perfekt zu machen, sind 40 Millionen Euro vielleicht einfach zu wenig, um Der Schwarm überzeugend umzusetzen. Die nötigen Schauwerte waren wohl schlicht zu teuer. Dass dem Publikum die meisten Charaktere egal bleiben und selten wirklich Spannung aufkommt, das geht allerdings uneingeschränkt auf Doelgers Deckel.

Fazit:

Leider hat Frank Schätzing mit seiner Kritik an der Serienumsetzung seines Romans Der Schwarm völlig Recht. Der Showrunner Frank Doelger hat aus einem spannenden, wenn auch mitunter zu langen Roman eine Serie gemacht, die die stärksten Momente der Geschichte nicht ansatzweise auf den Bildschirm übertragen kann. Stattdessen langweilt der Plot mit unwichtigen Romanzen und vielen Nebenkriegsschauplätzen. Dafür verliert er die Grundidee der globalen Bedrohung aus den Meeren schnell aus den Augen. Die Handlung plätschert in den ersten sechs Folgen derart vor sich hin, dass es kaum wahrscheinlich scheint, die beiden finalen Episoden könnten am schwachen Gesamteindruck noch etwas ändern.

Der Schwarm startet am 22 Februar mit drei Folgen in der Mediathek, ab dem 6. März im ZDF in Doppelfolgen.

Gesehen: Sechs von acht Episoden

Leonie Benesch
Brennendes Eis? Biologin Charlie entdeckt gefrorenes Methan, das an der Oberfläche treibt.