Quicksand

Serienkritik: Quicksand

Ein Massaker an einem Stockholmer Gymnasium der oberen Zehntausend steht im Mittelpunkt der neuen Netflix-Serie „Quicksand“. Der Sechsteiler nach dem preisgekrönten Roman der schwedischen Autorin Malin Persson Giolito erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die den Amoklauf überlebt hat. Aber wie viel Schuld trägt sie daran? Ob die Serie an die großen skandinavischen Crime-Thriller herankommt, erfahren Sie hier.

Nicht immer steht die klassische Mördersuche bei Krimis im Vordergrund. Manche Geschichten verraten früh, wer hinter der Tat steht, interessieren sich aber viel mehr für das Warum. Wie konnte es zu dem Verbrechen kommen? Welche Motive hatte der oder die Täter? Diese Anatomie des Verbrechens steht auch bei Quicksand im Zentrum der Story, denn hier lösen sich scheinbar klare Fakten im Lauf der Zeit immer mehr in diffuse Aussagen auf – und zeigen doch eine grausame Tat. Wie spannend ist die neue Thriller-Serie?

Quicksand
Sebastian ist Majas erste große Liebe. Doch der Junge hat dunkle Geheimnisse, die auch Maja nicht unberührt lassen.

Quicksand: Die Handlung

Die 18-jährige Maja Nordberg (Hanna Ardéhn) starrt auf ihre Hände, die voller Blut sind. Wie aus einem Traum scheint sie zu erwachen, nur um festzustellen, dass um sie herum lauter leblose Körper liegen. Sie befindet sich in ihrem Klassenzimmer – doch nichts ist wie sonst. Bald wird die junge Frau in ein Krankenhaus gebracht und untersucht. Und bald tritt auch die Polizei auf den Plan. Maja wird verhaftet, unter dem dringenden Tatverdacht, mehrere Menschen in einer Art Amoklauf erschossen zu haben. Hat sie das wirklich getan?

In Rückblicken erzählt die Serie den Beginn von Majas verhängnisvoller Liebe zu Sebastian Fagerman (Felix Sandman), dem Sohn eines superreichen Geschäftsmannes. Langsam rutscht Maja so in einen Strudel aus Gewalt und Drogen, der schon seit langer Zeit an ihrem Freund zieht und der nun droht, auch sie in die Tiefe zu reißen. Obwohl Majas enge Freunde und ihre Familie ihr helfen wollen, kann sie sich dem Einfluss der Fagermans nicht entziehen. Denn deren Familiengeschichte ist mörderisch. Und treibt Maja zu einer verhängnisvollen Tat …

Quicksand: Täter oder Opfer?

Im Kern ist Quicksand ein klassischer Skandinavien-Krimi. Denn die Geschichte interessiert sich mehr dafür, wie es zu der Tat kommen konnte als für die reine Mörderjagd. Was ungefähr passiert ist, darüber sind sich Krimi-Fans sicher bereits nach zwei der sechs Folgen im Klaren. Hier ist es aber der genaue Ablauf, der für die Spannung des Plots entscheidend ist. Denn Maja steht wegen Mordes und Beihilfe zum Mord vor Gericht, wird also verdächtigt, Partnerin des Verbrechens gewesen zu sein – statt selbst als Opfer wahrgenommen zu werden.

Aber ist sie das wirklich? Aus dieser Frage bezieht der Sechsteiler weitgehend seine Spannung. Und die steht und fällt mit Hauptdarstellerin Hanna Ardéhn, die in so gut wie jeder Szene mitwirkt. Ihr Spiel fällt derart ambivalent aus, dass der Zuschauer tatsächlich nie sicher sein kann, ob die junge Frau ohne eigenes Zutun in ein schreckliches Verbrechen verwickelt wurde oder eine eiskalte Killerin ist, wie es die Staatsanwaltschaft behauptet. Damit ein Krimi die Zuschauer wirklich berührt, muss es Figuren geben, mit denen man mitzittert. Maja ist so eine Figur.

Quicksand
Sekunden nach der Tat hockt Maja apathisch am Boden. Aber ist sie Überlebende – oder Mörderin?

Quicksand: Keine einfachen Antworten

Denn die Rolle ist nicht nur stark gespielt, sondern auch ebenso gut geschrieben. Maja, ebenfalls aus reichem Elternhaus, hat Momente, in denen sie um die Toten weint, die sie allesamt kannte. Aber auch Szenen, in denen sie rechte Aussagen ihres Freundes unkommentiert stehen lässt oder gar selbst von sich gibt. Ardéhn verkörpert diese Zerrissenheit so intensiv, dass der Zuschauer ebenfalls in ein Gefühlschaos gestürzt wird. Eigentlich will man Mitleid mit ihr haben – aber was, wenn sie doch die Killerin ist, als die sie dargestellt wird?

Das Regie-Duo Per-Olav Sørensen und Lisa Farzaneh lässt das Publikum bis zur allerletzten Szene im Unklaren darüber, erst dann zeigen sie das Massaker aus Majas Sicht. Und auch erst dann kann sich der Zuschauer wirklich sicher sein, ob er mit einem Opfer oder einer Mörderin sympathisiert hat. Dass die Story dabei auch aktuelle politische Probleme wie Massenflucht und Rassismus miteinbezieht, verleiht Quicksand zusätzlich noch einen Grad an Realismus, der dafür sorgt, dass die Serie nach dem Ansehen nicht sofort wieder aus dem Kopf verschwindet.

Wenn man der Serie etwas ankreiden will, dann ist es ihr Tempo. Bis die Spannung nach einer guten ersten Folge wieder richtig anzieht, dauert es eine Weile. Zwar ist das durchaus komplexe Beziehungsgeflecht der Figuren wichtig und braucht daher auch seinen Platz, aber die frühen Folgen erzählen das ein wenig zu langsam, um durchgehend interessant zu bleiben. Trotzdem beweist auch Quicksand wieder einmal, dass Skandinavien  – in diesem Fall Schweden – völlig zu Recht in dem Ruf steht, starke Crime-Storys mit Tiefgang liefern zu können.

Fazit:

Starke Story, stark gespielt, so lässt sich der Sechsteiler Quicksand gut zusammenfassen. In einer Geschichte, die kluge Fragen nach wahrer Schuld stellt, glänzt Hanna Ardéhn als ambivalente Hauptfigur Maja, deren Liebe zu Sebastian in einer Spirale der Gewalt mündet. Wer ist dafür verantwortlich? Die Serie gibt dazu Antworten, die sicher nicht jedem gefallen werden. Und die dennoch wahr sind. Für Krimifans, die das Warum spannender finden als das Wer, ist Quicksand daher eine sehr gute Wahl – trotz einiger Längen zu Beginn.

Quicksand startet am 5. April 2019 bei Netflix.

Gesehen: Sechs von sechs Folgen.

Quicksand
Maja wird des Mordes angeklagt. Kann der Prozess klären, was an diesem Morgen wirklich passiert ist?