Black Widow

Filmkritik: Black Widow

Eigentlich sollte „Black Widow“ bereits vor 14 Monaten in die Kinos kommen. Corona bremste, wie so viele andere, auch Marvels knallharte Heldin aus. Doch nun ist es endlich soweit: Am 8. Juli im Kino und am 9. Juli auf Disney+ (mit VIP-Zugang) startet das Solo-Abenteuer des weiblichen Avengers. Dabei stellen sich einige Fragen. Ist der erste Solo-Film auch gleich der letzte? Führt der Film eine neue Black Widow ein? Gibt es durch die Verzögerung Abstimmungsprobleme mit anderen Projekten des MCU? Dies und mehr klärt die Kritik.

Scarlet Johansson
Eigentlich wollte Natasha nur den Häschern von General Ross entkommen.

Die Handlung

Der Civil War ist vorbei und Natasha Romanoff (Scarlet Johansson) ist auf der Flucht vor General Ross (William Hurt), weil sie den Black Panther bei der Verfolgung von Cap und dem Winter Soldier ausgebremst hat. Wie so oft ist sie ihren Jägern einen Schritt voraus und kann sich nach Norwegen absetzen. Doch dort erhält sie aufgrund einer Postlieferung bald unerfreulichen Besuch eines geheimnisvollen Gegners, den sie nur knapp übersteht. Die Spur führt sie danach nach Budapest, wo sie einmal eine gefährliche Mission an der Seite von Hawkeye zu überstehen hatte.

In einer Wohnung dort trifft sie auf Yelena Belova (Florence Pugh), die so etwas wie eine Schwester für Natasha ist. Von ihr stammt die Post, die die Ereignisse ins Rollen brachten. Und von ihr erfährt Natasha auch ein paar unliebsame Wahrheiten. Der Mann, der Natashas und Yelenas Kindheit und Jugend zur Hölle und beide zu tödlichen Waffen machte, ist noch am Leben und richtet weiterhin junge Frauen zu Killern ab wie Tiere. Um ihn zu finden, brauchen die beiden aber Hilfe vom Red Guardian (David Harbour), Russlands Antwort auf Captain America …

Black Widow
Doch bald jagt der geheimnisvolle Taskmaster sie und ihre Schwester Yelena durch Budapest.

Nur auf den ersten Blick Standard

Nachdem sich Marvel mit „Wandavision“ und „Loki“ traute, auch neue Wege zu gehen und vom Standard-Superheldenstoff ein wenig abzuweichen, fragten sich die Fans, ob auch Black Widow hier Neuland betreten würde. Auf den ersten Black gibt es dazu ein klares Nein. Der Solo-Film, über den nicht nur Darstellerin Scarlet Johansson schon jahrelang sprach, ist auf vielen Ebenen ein ganz klassischer Marvel-Superheldenfilm. Das beginnt bei den zahlreichen Actionsequenzen des Films, die auf dem gleichen hohen Niveau bleiben, das die Fans in aller Welt gewohnt sind.

Allerdings sind manche Ähnlichkeiten zu bereits bestehenden Marvel-Filmen nicht wegzudiskutieren. So ähnelt die Flucht aus Budapest durchaus der Jagd auf Nick Fury in „Captain America: The Winter Soldier“. Und auch andere Sets sind zwar durchgehend hochwertig gemacht, atmen aber wenig Innovation aus – das kennt der Marvel-Fan bereits. Zudem ist mit Ray Winstone als schurkischer General ein Bösewicht dabei, der zu den schwächsten des bisherigen MCU gehört und vor Klischees nur so strotzt. Die wahre Qualität von Black Widow liegt in anderen Bereichen.

Black Widow
Nur knapp können die beiden Agentinnen ihrem Jäger entkommen – und suchen danach Hilfe.

Emotional aufgeladen

Der starke Filmauftakt zeigt Natasha und Yelena als Kinder in Ohio, wo sie mit ihren nur scheinbaren Eltern, dem Red Guardian und der Mutterfigur Melina (Rachel Weisz) als Schläferzelle leben – und nach vollendetem Einsatz fliehen müssen. Dieser Beginn definiert den restlichen Film. Denn bald wird klar, wie tief Natashas Schuldgefühle, die sie in früheren Filmen immer wieder andeutet und die letztlich auch für ihre Opferbereitschaft in „Avengers: Endgame“ verantwortlich sind, wirklich sitzen und wo sie herrühren.

In der stärksten Szene des ganzen Films, wenn Natashas damals vom Geheimdienst zusammengestellte Familie nach vielen Jahren erstmals wieder aufeinandertrifft und sofort eine hochemotionale, von tiefer Bitterkeit erfüllte Atmosphäre aufkommt, zeigt das MCU eine selten erreichte Tiefe. Regisseurin Cate Shortland lässt sich in dieser Pause zwischen zwei Actionszenen viel Zeit, um die Gefühle der Protagonisten zu erforschen. Und hier können die Darsteller endlich richtig glänzen. Das Vater-Tochter-Gespräch zwischen Yelena und dem Red Guardian Alexi ist dabei der emotionale Höhepunkt. Obwohl Shortland ihn mit Humor auflöst, bleiben einige der gefallenen Sätze doch haften. Und diese Emotionalität bleibt dem Film bis zur Post-Credit-Szene erhalten.

Black Widow
Der Red Guardian, Russlands Supersoldat und Pflegevater von Natasha und Yelena, soll sie zum Feind führen.

Auch in Natashas Seele gibt Black Widow tiefere Einblicke als alle bisherigen Filmauftritte der harten Agentin. Fans dürften nach diesem Film gut nachvollziehen können, warum Scarlet Johansson seit Jahren so vehement für diesen Film gekämpft hat. Also muss man das klare Nein vom Beginn der Kritik ein wenig relativieren. Ein paar neue Töne schlägt der Film durchaus an. Zu den Fragen: Im ersten und vermutlich auch letzten Solofilm mit Natasha Romanoff als Black Widow gibt es zwar keine Verständnisprobleme durch die Verschiebung. Aber die Einführung einer Figur, die hier stattfinden sollte, wurde nun schon zum zweiten Auftritt. Und ja, Florence Pugh könnte die neue Black Widow werden, zumindest wird sie in der Serie „Hawkeye“ dabei sein.

Fazit:

Mit Black Widow legt Regisseurin Cate Shortland in Sachen Action einen guten, aber keinen sonderlich innovativen Film vor. Dafür lotet das Drehbuch unter ihrer Leitung die Emotionen der Figuren für das MCU ungewohnt tief aus und schafft langjährige, schwelende Konflikte auch nicht durch eine Prügelei aus der Welt. Hier treffen tief verletzte Figuren aufeinander, die Black Widow trotz des hohen Action-Anteils zu einem eher ungewöhnlichen Marvel-Film machen. Das Haus der Ideen ist also weiterhin auf dem richtigen Weg.

Black Widow startet am 8. Juli in den deutschen Kinos und am 9. Juli bei Disney + (VIP-Zugang).

Black Widow
In luftiger Höhe kämpft Natasha gegen die Schatten ihrer Vergangenheit.