How to sell drugs online

Serienkritik: How To Sell Drugs Online (Fast)

Weil Deutschland für Netflix ein interessanter Markt ist – und mit „Dark“ die erste in Deutschland produzierte Serie für den Streaming-Dienst weltweit gut ankam, hat Netflix mehrere deutsche Serien geordert. Die erste davon ist „How To Sell Drugs Online (Fast)“, die zwar nicht deutsch klingt, aber definitiv deutsch ist. Und dann auch noch zumindest in Ansätzen auf einer wahren Geschichte beruht. Kann das eine gute Serie geben?

Wenn sich Netflix eine neue Serie an Bord holt, achtet der Streaming-Dienst offenbar auf gute Ideen – und erfahrene Macher. Denn mit den beiden Regisseuren Lars Montag und Arne Feldhusen engagierten sie geballte deutsche TV-Macht. Montag drehte etliche Tatorte, Feldhusen ist Regisseur von „Der Tatortreiniger“. Und genau diese Mischung von Crime und Comedy, gemischt mit innovativen Drehbuch-Ideen, findet sich in How To Sell Drugs Online (Fast). Aber ist das auch gut?

How to sell drugs online
Moritz ist verzweifelt, weil seine große Liebe ihn verlassen hat. Mit dem Verkauf von Ecstasy soll der Rubel rollen, damit er sie zurückgewinnen kann.

How To Sell Drugs Online (Fast): Die Handlung

Oberschüler Moritz (Maximilian Mundt, „Tigermilch“) freut sich auf die Rückkehr seiner Freundin Lisa (Lena Klenke, „8 Tage“), die ein Jahr im Schüleraustausch in den USA verbracht hat. Doch das Wiedersehen wird zum Totalausfall für Moritz. Lisa sagt, sie habe sich verändert und wolle erst einmal eine Beziehungspause. Und weil der Schul-Schönling Dan (Damian Hardung, „Der Name der Rose“) auch noch an Ecstasy kommt, gilt Lisas Interesse bald ihm. Verletzt und rasend vor Eifersucht spannt Moritz seinen besten Kumpel Lenny (Danilo Kamber) ein, um Dan auszubooten.

Doch die Idee, Dans Drogendealer leer zu kaufen, bevor der für Lisas Party Stoff holen kann, erweist sich bei genauerer Betrachtung als nicht komplett durchdacht. Denn der Kleinkriminelle Buba (Bjarne Mädel) hat ganz andere Vorstellungen von einem coolen Deal als Moritz. Doch durch einen dummen Zufall steht der Schüler am Ende der Nacht mit einem ganzen Sack Ecstasy da. Und fasst den Entschluss, durch das Dealen mit Drogen im Darknet so viel Geld und Coolness zu sammeln, dass er Lisa zurückerobern kann. Ob das wohl gut geht?

How To Sell Drugs Online (Fast): Viel Style, wenig Drogendrama

Ein eigentlich harmloser Typ gerät durch äußere Umstände ans Dealen – das ist spätestens seit „Breaking Bad“ ein Thema, das eigentlich keine weitere Serie braucht. Das dachten sich wohl auch die Macher von HTSDOF und bauten in ihre relativ einfache Story jede Menge optischer und inszenatorischer Highlights ein, um das Ganze gehörig aufzupeppen. Vom knallbunten Vorspann über diverse Monologe von Moritz in Richtung der Zuschauer – wie das auch „Deadpool“ gern macht. Und der Plan geht auf. Die Story, bei der man sich immer wieder klarmachen muss, dass sie so ähnlich wirklich passiert ist, funktioniert durch die Art, wie sie erzählt wird, richtig gut.

So richtigen breiten Raum nimmt der Drogenhandel selbst dabei gar nicht ein, denn viel mehr als einen Umschlag in den Briefkasten zu werfen, ist es eigentlich nicht – und das gibt es mehr als einmal zu sehen. Aber so bleibt der Serie viel Zeit, sich mit ihren Figuren zu beschäftigen. Hier beweisen die Autoren, darunter ehemalige Gagschreiber für Jan Böhmermanns „Neo Royale“-Sendung, dass sie Charaktere abseits der fiesesten Klischees, aber dennoch mit genug Wiedererkennungswert, ausgezeichnet hinbekommen.

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Moritz‘ Traumfrau Lisa probiert gern Drogen aus. Kann Moritz seine Angebetete mit den entsprechenden Pillen tatsächlich beeindrucken?

How To Sell Drugs Online (Fast): Der Mädel macht den Unterschied

Was allerdings Bjarne Mädel als Drogendealer Buba vor der Kamera abliefert, ist – nicht zum ersten Mal – so außergewöhnlich, dass er aus dem guten Cast deutlich hervor sticht. Jede Szene mit ihm ist ein Highlight der Serie und gehört zu den witzigsten Momenten von HTSDOF. Seine ultra-trockene Art, die immer am Rand der Albernheit kratzt, ohne diese Grenze jemals zu überschreiten, ist so einmalig Mädel, dass der Schauspieler auch als Nebenrolle unvergessen bleibt – und in jeder Episode, in der er nicht zu sehen ist, schmerzlich vermisst wird.

Nur ihn zu erwähnen, würde aber dem Rest der Schauspieler Unrecht tun. Vor allem Lena Klenke, der man trotz ihrer 23 Jahre die 17-jährige jederzeit abnimmt. Und die mit ihrem Gefühlschaos eine der interessanteren Rollen in der kurzen Serie spielt. Damian Hardung ist als coole Sportskanone, die aber nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, ebenfalls großartig. Maximilian Mundt ist hingegen etwas fehlbesetzt. Obwohl auch er seinen Rolle gut spielt, wirkt er einfach nicht mehr wie ein 17-jähriger, obwohl er sogar ein Jahr jünger ist als Klenke.

Die sechs Folgen der ersten Staffel, die allesamt keine halbe Stunde dauern, sind schnell vorbei, ohne dabei jemals Längen zu entwickeln. Montag und Feldhusen erzählen den eigentlich abstrusen Plot mit vielen Ideen und ordentlich Tempo. Und sorgen so für viel schrägen Humor und rührende Coming-of-Age-Momente. Die Krimi-Szenen sind da eigentlich am verzichtbarsten, auch wenn sie die Story am Laufen halten. Und immer wieder staunen lassen, wie einfach es doch ist, Drogendealer zu werden. Etwas irritierend ist nur, dass die Serie auf Englisch gedreht und später deutsch nachsynchronisiert wurde. Denn man sieht den Schauspielern an, dass der text nicht mit den Mundbewegungen zusammenpasst. Seltsam für eine eigentlich deutsche Serie.

Fazit:

How To Sell Drugs Online (Fast) ist sicher kein Tarantino-Niveau, auch wenn sich die Autoren immer mal wieder an langen, trocken-humorigen Dialogen versuchen. Dafür aber ein erstaunlich sensibles Coming-of-Age-Dramedy mit guten Darstellern und einem herausragenden Bjarne Mädel. Und da die Geschichte mit der ersten Staffel auch noch nicht abgeschlossen wird, darf hier gern eine zweite Staffel folgen. Und vielleicht sogar ein wenig länger sein als dieser doch recht kurze Appetithappen.

How To Sell Drugs Online (Fast) startet am 31. Mai 2019 bei Netflix.

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Oder pustet ihm vorher der rachsüchtige Klein-Dealer Buba das Lebenslicht aus?