Mit „The Walking Dead“ erfand Robert Kirkman als Comicautor seine bislang erfolgreichste Serie – aber nicht seine einzige. Auch mit „Outcast“, das er gemeinsam mit Zeichner Paul Azaceta ins Leben rief, konnte er aus einer seiner Comic- eine TV-Serie machen. Die zweite Staffel läuft gerade auf FOX Channel, höchste Zeit für einen Blick auf eine ungewöhnlich gute Horrorserie.
Dämonische Besessenheit ist kein neues Thema. Spätestens seit dem „Exorzist“, der 1973 in die Kinos kam und seine Zuschauer in Panik versetzte, sind Geschichten vom Teufel oder Dämonen, die in unschuldige Menschen fahren, ein beliebtes Thema der Horrorfilme. Was aber Robert Kirkman aus dem eigentlich bekannten Stoff macht, zeigt seine Fähigkeit, Neues im eigentlich ausgelutschten Genre zu finden.
Outcast: Die Handlung
Kyle Barnes (Patrick Fugit „Gone Girl“) kann sich eigentlich nicht mehr erinnern, je ein schönes Leben gehabt zu haben. Schon in seiner Kindheit quälte und schlug ihn seine Mutter, bis sie durch ein Ereignis, an das er sich nicht mehr erinnert, ins Koma fiel. Aber auch in seiner Pflegefamilie, aus der seine enge Bindung zu Stiefschwester Megan (Wrenn Schmidt) stammt, hat er Schlimmes erlebt. Dennoch: Er fand eine Frau, bekam eine Tochter. Doch als der Zuschauer Kyle das erste Mal begegnet, ist das alles hinfällig: Allison hat eine einstweilige Verfügung gegen ihn verfügt, so dass er sich ihr und Tochter Amber nicht nähern darf. Seine Tage verbringt Kyle im Bett, hat aufgegeben. Doch die Welt hat ihn nicht vergessen.
Das stellt er fest, als eines Tages Reverend John Anderson (Phil Glenister) vor seiner Tür steht und ihn bittet, bei einem Exorzismus in der Nähe zu helfen. Denn Kyle hat ein verborgenes Talent. Das sieht auch Anderson, als Kyle, ohne es kontrollieren zu können, eine schwarze Substanz aus dem jungen Joshua vertreibt. Vorher hatte der Junge ihn Outcast (dt. Ausgestoßener) genannt. Welches Geheimis umgibt Kyle? Und was für Kreaturen sind die Wesen, die als schwarze Flüssigkeit in Menschen leben?
Atmosphärisch dicht
Wer sich mit dem Erzähltempo von The Walking Dead nie anfreunden konnte, dem wird wohl auch Outcast zu langsam vorangehen. Denn Kirkmans Erzählung nimmt sich viel Zeit, die Protagonisten vorzustellen und das Grauen, dem er in der Pilotepisode recht blutig Rechnung trägt, danach langsam aufzubauen. Denn die trostlose Kleinstadt Rome ist regelrecht unterwandert von den Dämonen, die Anderson schon seit Jahren scheinbar erfolgreich bekämpft. Und je länger Kyle und ein paar andere aufrechte Bürger der Stadt sich in ihrem Umfeld umsehen, desto deutlich tritt das hervor. Das entlädt sich nur selten in wirklich gruseligen Szenen, meistens begnügt sich Outcast damit, die Schraube des schleichenden Entsetzens langsam anzuziehen, ohne den Zuschauer aber je vom Haken zu lassen. Auch wenn es Episoden gibt, in denen die Dämonen scheinbar gar nicht in Erscheinung treten, bleibt das leiste Unbehagen ständiger Begleiter des Publikums.
Kein Schwarz und Weiß
Die beeindruckendste Botschaft der Serie ist aber, dass auch nicht besessene Menschen Böses tun und scheinbar dem Bösen angehörende Einwohner Romes zu guten Taten fähig sind. Auch der anfangs so offenkundig begnadete Dämonenjäger Kyle muss üble Rückschläge hinnehmen. So landen manche seiner Exorzismen wie seine Mutter im Koma, ohne dass Kyle ein Muster dahinter erkennen kann. Und auch Reverend Anderson muss auf die harte Tour lernen, dass seine bisherigen Bemühungen mit Kreuz und Weihwasser offenbar keinen Erfolg hatten. Sind die Wesen im Körper der Menschen überhaupt Dämonen? Und sind sie so böse, wie es den Anschein hat? Und warum gilt Kyle als der Outcast? Kirkman gelingt es, seinem Stoff ganz neue Aspekte abzugewinnen. Die klassische Exorzismus-Story wird hier schnell ad acta gelegt.

Zweite Staffel gestartet
Die erste Staffel ging kürzlich auf ZDFneo zu Ende, die bereits vor langer Zeit bestellte zweite Staffel startete fast zeitgleich auf FOX Channel und erzählt die Geschichte nahtlos weiter. Und ganz langsam beginnt sich ein größeres Bild zu entfalten, als man zu Beginn der Story erwartet hatte. Denn Kyle muss feststellen, dass er den Wesen, die ihn seit seiner Kindheit verfolgen, nicht so einfach entkommen kann. Dabei setzt das Team um Kirkman und Produzentin Sue Naegle, einst Programmchefin von HBO, weiterhin auf die ruhige, unaufgeregte Erzählung, die das langsame Verschwinden der vermeintlichen Normalität nur um so gruseliger macht. Comicfans müssen dennoch Abstriche machen, denn die Colorierung von Elizabeth Breitweiser, dem heimlichen Star der Serie, kann die TV-Version nicht einfangen. Sie hat zwar eine eigene dunkle Ästhetik, aber die farbgewaltigen Bilder der Vorlage ließen sich offenbar nicht umsetzen.
Fazit:
Obwohl Robert Kirkman auch für Outcast verantwortlich ist, hat die Serie mit seinem Hit The Walking Dead wenig gemeinsam. Deutlich unblutiger, setzt Outcast mehr auf Atmosphäre und schleichendes Grauen, als auf Splatter-Effekte und Apokalypse. Und da es außer Kyle auch keinen richtigen Helden gibt, muss der Zuschauer um fast jeden Charakter ständig Angst haben. Denn gestorben wird auch in Rome. Aber anders als die mitunter sehr actionreiche Zombiesaga Kirkmans bleibt Outcast stets ihrer düsteren Stimmung verhaftet. Damit ist sie nicht so leicht zugänglich wie The Walking Dead. Auf diese Serie muss man sich deutlich mehr einlassen, als dass man im Sturm erobert wird. Aber es lohnt sich: Horrorfans, die mehr auf Atmosphäre als auf Gore stehen, bekommen mit Outcast eine der besten Serien der vergangenen Jahre.
