Seit seinem Horrorhit „Saw“ aus dem Jahr 2004 hat sich James Wan zu so etwas wie dem neuen Horrorpapst entwickelt. Neben zwei Ausflügen ins Action- und Superheldenfach (Fast and Furious 7, Aquaman) hob der Regisseur auch noch zwei weitere große Horror-Franchises aus der Taufe: „The Conjuring“ und „Insidious“. Ob auch aus seinem bislang letzten Film „Malignant“ noch ein Franchise wird, bleibt abzuwarten, das letzte Wort ist dazu offenbar noch nicht gesprochen. Sobald Wan allerdings nur als Produzent fungiert und nicht selbst auf dem Regiestuhl Platz nimmt, ist das Ergebnis weniger eindeutig. Weder „The Nun“ noch „Lloronas Fluch“ konnten richtig überzeugen. Nun steht mit „M3gan“ das nächste Horrorprojekt an, das Wan nur produzierte. Wie es geworden ist, verrät die Kritik.
Die Handlung
Der kleinen Cady (Violet McGraw, „Spuk in Hill House“) passiert das Schlimmste, was sich ein Kind nur vorstellen kann. Beide Eltern werden bei einem Autounfall getötet, den Cady verletzt überlebt. Das traumatisierte Kind kommt in die Obhut ihrer Tante Gemma (Allison Williams), der Schwester ihrer Mutter. Die ist ein echter Computer-Nerd und arbeitet schon seit Jahren bei einer Firma, die elektronisches Spielzeug herstellt. Gegenüber dem trauernden Kind ist die junge Frau dementsprechend völlig hilflos und weiß nicht, wie sie mit Cady umgehen soll. Da kommt ihr das neueste Projekt sehr gelegen, an dem sie arbeitet: eine Puppe, die sich durch künstliche Intelligenz an das Kind anpasst, mit dem sie zu tun hat. Cady wird zum Versuchskaninchen für das Projekt M3gan.
Und nach ein paar Anfangsschwierigkeiten schlägt M3gan auch voll ein. Ihre Anpassungsfähigkeit an Cadys Bedürfnisse ist erstaunlich. Und schon nach kurzer Zeit kann sich die Kleine gar nicht mehr vorstellen, ohne M3gan zu sein. Das wiederum macht Gemma stutzig und sie versucht, ihre Nichte auch mit anderen Kindern zusammenzubringen. Doch das geht fürchterlich schief. Auch der Hund der Nachbarin, mit dem M3gan und Cady einen unerfreulichen Zusammenstoß hatten, ist plötzlich nicht mehr aufzufinden. Hat sich M3gans Programmierung etwa über wichtige Grundregeln hinweggesetzt, um Cady besser beschützen zu können? Hat Gemma, ohne es zu ahnen, eine Killermaschine erschaffen?
Bekannte Versatzstücke
Was sich so bekannt liest, ist tatsächlich auch in etwa so überraschen wie das Datum für Weihnachten. Nichts an der Story von M3gan wird irgendjemanden überraschen, der schon ein paar Filme über die gefahren künstlicher Intelligenz gesehen haben. Denn Drehbuchautorin Akela Cooper, die bereits The Nun und Malignant schrieb und auch viel fürs TV gearbeitet hat, hält sich exakt an alle Klischees, die andere Filme vorher bereits zur Genüge plattgewalzt haben. Wer also auf einen innovativen Film mit vielen Überraschungen hofft, muss sich anderswo umsehen. Die Qualitäten von M3gan liegen nicht in diesem Bereich. Dafür kann die mörderische Puppe an anderer Stelle punkten.
Denn Cooper und der für den Film von Wan engagierte Regisseur David Johnstone ist diese Prämisse nicht nur bewusst, sie spielen sogar damit. Offenkundig war bald klar, dass es für eine Killerpuppe nur sehr begrenzte Einsatzmöglichkeiten gibt und daher Variationen in der Handlung eher Mangelware sein würden. Daher gaben die Macher dem Film eher einen satirischen Einschlag und sparen auch an Seitenhieben auf die moderne Gesellschaft nicht. So behandelt M3gan durchaus kritisch das völlige Versagen Gemmas, wenn es um die emotionale Zuwendung zu ihrer Nichte geht. M3gan wird so ausdrücklich erwünscht zur Ersatzmutter für Cady und reagiert entsprechend, wenn ihrem Schützling Gefahr droht.
Satirischer Ansatz
Hätte der Film diesen interessanten Ansatz noch ein wenig zwingender verfolgt, der dramatische Aspekt von M3gan hätte sicherlich höher gelegen. Doch Cooper, Wan und Johnstone entscheiden sich für eine recht schwarze Komödie, bei der die Lacher aber eher selten sind. Dafür passt die Grundstimmung gut zum Plot, denn immer wieder bietet die Story augenzwinkernde Momente und Easter Eggs. Zudem ist M3gan selbst tatsächlich recht unheimlich geraten. Das Zusammenspiel aus einer 12-jährigen Tänzerin, die in vielen Szenen die Puppe spielt, sowie mechanische Modelle, die dann per Computer zusammengefügt wurden, ist recht effektiv und sorgt für ein stetig wachsendes, unangenehmes Gefühl, sobald M3gan zu sehen ist.
Wer es etwas blutiger mag, dürfte allerdings von M3gan enttäuscht sein, denn für eine US-Freigabe von PG-13 kürzte Johnstone Gewaltspitzen heraus und drehte einige Szenen deutlich weniger blutig nach, kürzte auch den Bodycount zusammen und ließ einige der Charaktere am Leben, die ursprünglich ins Gras beißen sollten. Regisseur Johnstone betonte allerdings in einem Interview, dass sein Film ohnehin von Anfang sehr nah an einer PG-13-Wertung war. Die Stellen, an denen wohl einige derbere Kills herausgeschnitten wurden, sind dennoch deutlich zu erkennen. Wer mehr Wert auf Atmosphäre und einige gut gesetzte Jump-Scares legt, dürfte mit dem neuesten James Wan-Horror aber zufrieden sein.
Das liegt auch am guten Schauspiel. Die elfjährige Violet McGraw ist bereits eine Art junger Scream-Queen, denn sie war neben Spuk in Hill House auch in „Doctor Sleep“ und dem Horrorfilm „Separation“ zu sehen. Hier liefert sie eine weitere starke Performance ab und öffnet die geschundene Kinderseele mühelos für das Publikum. Und Allison Williams, in „Get Out“ noch der fiese Lockvogel, spielt hier ambivalent genug, um ihrer Figur jederzeit noch einen dunklen Twist zuzutrauen. Lediglich Ronny Chieng als CEO der Spielzeugfirma ist mit seiner cholerischen Auslegung der Rolle etwas zu albern für den Rest des Films.
Fazit:
Mit M3gan präsentiert James Wan als Produzent und Ideengeber einen weiteren ansehnlichen Horrorfilm mit leicht satirischem Einschlag. Zwar ist das alles extrem vorhersehbar, dafür aber stark gemacht und mit genug unheimlichen Vibes versehen, um Fans von Atmosphäre und schleichender Bedrohung zu befriedigen. Gorehounds werden hingegen auf die wohl etwas blutigere Unrated-Version fürs Heimkino warten müssen, um an dem Film möglicherweise noch Geschmack zu finden – die Kinoversion ist optisch trotz der Freigabe ab 16 Jahren sehr harmlos. In der Reihe mit anderen Gruselpuppen muss sich M3gan jedenfalls nicht schämen, der grundsolide Horror bietet, was die Fans erwarten.
M3gan startet am 12. Januar 2023 in den deutschen Kinos.