Eigentlich handelt es sich bei „Kingdom – Ashin of the North“ um einen 90-minütigen Spielfilm. Aber da Netflix das Werk als Serienspecial zu den bisherigen zwei Staffeln von Kingdom führt, läuft er auch bei lauterfilme.de als Serienkritik. Obwohl vor der Kamera kaum ein bekanntes Gesicht der Serie auftaucht, ist hinter der Kamera weitgehend alles unverändert. Merkt man das dem Special in Sachen Qualität an? Oder kann der neueste, für sich stehende Teil mit den bisherigen Folgen nicht mithalten? Das klärt die Kritik.
Hier gibt es die Kritik zu Kingdom Staffel 1.
Hier gibt es die Kritik zu Kingdom Staffel 2.
Die Handlung
Das koreanische Reich im späten 16. Jahrhundert. Während der Süden des Landes sich auf eine Invasion Japans vorbereitet und daher die meisten Truppen dort stationiert sind, kommt es im Norden zu ganz anderen Problemen. Stämme aus dem Norden attackieren die Nordgrenze des Reiches. Die Soldaten des Kaiserreiches fürchten, dass sich die Jurchen, wie sie die Stämme selbst nennen, zu einer großen Armee unter einem Banner vereinigen und mit 10000 Mann über Korea hinwegfegen könnten. Eingreifen soll der Kommandant (Park Byung-eun) aber nicht – zu viel steht auf dem Spiel. Da erreicht ihn die Nachricht, dass 15 Leichen im Grenzgebiet gefunden wurden, offenbar getötet von einem Mitglied des mächtigen Haewon Cho-Clans und seinen Männern. Diese Nachricht würde sofort einen Krieg auslösen.
So greift der Kommandant auf eine andere Möglichkeit zurück. Im Grenzgebiet lebt ein Jurchenstamm, der sich selbst als Teil Koreas sieht und daher von den nördlichen Jurchen geächtet wurde, aber auch von den Einheimischen nicht als ihresgleichen anerkannt wird. Deren Anführer Ta-Hab (Kim Roi-ha) soll in den Norden gehen und dort die Mär verbreiten, die Männer seien bei der Ginseng-Suche im Wald von einem Tiger gerissen worden. Ta-Habs Tochter Ashin weiß es besser, denn die Jurchen lernen schon als Kinder zu kämpfen und würden mit 15 Mann keinem Raubtier zum Opfer fallen. Ashins Stamm zahlt für diese Lüge einen furchtbaren Preis. Und der Kommandant ist nicht gewillt, etwas dagegen zu unternehmen. Ashin schmiedet daher einen Plan, der Jahre dauern soll …
Weiterhin optisch ein Kracher
Auch Kingdom – Ashin of the North stammt aus der Feder von Kim Eun-hee, der bereits die Comicvorlage verfasste und auch für die Story der beiden ersten Staffeln verantwortlich ist. Und Regie führte beim Special Kim Seong-hun, der bereits die komplette erste Staffel und die erste Folge der zweiten inszenierte. Das merkt man auch Ashin of the North deutlich an. Denn die Bilder, die der Zuschauer zu sehen bekommt, passen perfekt zu der Optik, die Fans der Serie bereits in den ersten zwölf Folgen begeisterte. Und das bedeutet: Auch das Serien-Special sieht absolut großartig aus. Wieder gelingt es dem koreanischen Produktionsteam, das spätmittelalterliche Korea zum Leben zu erwecken. Und die Grausamkeit und Härte das damaligen Lebens einzufangen.
Denn auch für Ashin of the North hat sich Eun-hee wieder eine ebenso tragische wie blutige Story ausgedacht und Seong-hun setzt sie kongenial in Szene. Dabei ist der Beginn für westliche Zuschauer nicht ganz einfach zu verstehen, denn die in Einblendungen erzählte politische Lage und Historie des Grenzgebietes ist relativ komplex und verwirrend. Erst im Lauf der ersten 30 Minuten kristallisiert sich das fragile Gespinst aus Interessen und Ängsten heraus, das die Menschen in der Region umtreibt. Aus diesen nachvollziehbaren Absichten und Sorgen entwickelt sich dann auch die Geschichte, die das Mädchen Ashin nach etwa der Hälfte des Specials in den Mittelpunkt rückt. So lange brauchen die Macher, um die wichtige Vorgeschichte der Ereignisse zu erzählen.
Starkes Schauspielerinnen-Duo
Aber bereits das ist über weite Strecken derart fesselnd und spannend erzählt, dass sich der Zuschauer keine Sekunde langweilt. Besonders eine ganz spezielle Tigerjagd dürfte den Puls des Publikums in die Höhe treiben. Auch weil die Spezialeffekte erneut überzeugen und durch geschickte Kamerarbeit und Schnitt ohnehin nicht viel gezeigt werden muss, um zum Teil extreme Spannung zu erzeugen. Und so lässt sich sagen, dass die Untoten, die im Special erst nach einer Stunde erstmals auftauchen, vorher gar nicht wirklich vermisst werden. Wie ein guter Film wird Ashin of the North mit jeder Minute Laufzeit besser. Die letzte halbe Stunde ist das Highlight der Folge und beweist einmal mehr, dass es Zombie-Grauen auch abseits von The Walking Dead geben kann.
Das liegt auch daran, dass das oftmals für westliche Augen seltsame Overacting asiatischer Schauspieler hier kaum zum Tragen kommt und das Eintauchen in die Story so viel einfacher gelingt. Gianna Jun, die Ashin als junge Frau spielt, ist dabei besonders hervorzuheben. Wie nuanciert sie ihre Wut spielt, die sie jahrelang im Zaum halten muss, gehört zu den besten schauspielerischen Momenten des Specials. Sie und ihre Kollegin Kim Shi-ah, die Ashin als Mädchen spielt, erfüllen die komplexe und tragische Story, die einem in manchen Momenten wirklich an die Nieren geht, erst so richtig mit Leben. Und weil die genauen Zusammenhänge zwischen den beiden ersten Staffeln und dem Special erst in der letzten Szene klar wird, soll darüber hier auch nichts verraten werden.
Fazit:
Das Special Kingdom – Ashin of the North hält das hohe Niveau der Hauptserie und erzählt seine Story, die sich erst am Ende deutlich ins Kingdom-Universum einfügt, in großartiger Optik. Dabei überzeugen sowohl die beiden Hauptdarstellerinnen als auch die dichte Inszenierung und die Steigerung der Spannung, je länger das Special läuft. Auf diesem Level darf Netflix gern und schnell eine weitere komplette Staffel bestellen, denn der Story geht hier noch lange nicht die Luft aus. Zudem können die asiatischen Zombies ihrer US-Variante durchaus das Wasser reichen, obwohl sie erst spät im Special überhaupt auftauchen.
Kingdom – Ashin of the North startet am 23. Juli 2021 bei Netflix.