James Bond wurde seit seinem Kinobeginn 1962 so sehr zur Ikone der Pop-Kultur wie „Star Wars“, „Casablanca“ oder „Mickey Mouse“. Nun nimmt mit „Keine Zeit zu Sterben“ der sechste Bond-Darsteller Daniel Craig seinen Hut und wird sicher eine große Lücke hinterlassen. Schließlich hat der Brite einem gänzlich neuen, geerdeten und im Vergleich zu früheren Versionen deutlich realistischeren 007 seinen Stempel aufgedrückt. Seinen Nachfolger sollte man um diesen Druck nicht beneiden. Doch jetzt ist natürlich wichtig: Verabschiedet sich Craig mit einem Knall oder einem leisen Servus? Was tatsächlich der Fall ist, verrät die Kritik.

Die Handlung
James Bond (Daniel Craig) und Madeleine Swann (Lea Seydoux) verbringen nach den Abenteuern um Spectre Zeit miteinander und reisen nach Italien. Am Grab von Vesper Lynd will Bond Abschied nehmen, um sich endgültig auf eine neue Liebe einlassen zu können. Doch genau diese Grabstelle wird zur fast tödlichen falle für 007 – jemand wusste, dass er hier sein würde. Er schafft es zwar lebend zum Hotel zurück und kann mit Madeleine gemeinsam fliehen, obwohl eine ganze Armee hinter den beiden her ist. Aber sein Vertrauen in die Psychologin hat nachhaltig gelitten. Er macht sie für den Hinterhalt verantwortlich und trennt sich von ihr.
Fünf Jahre später ist Bond im Ruhestand, führt ein einfaches Leben auf Jamaica mit Segelboot und Strandhütte. Doch dann taucht sein alter Freund Felix Leiter (Jeffrey Wright) mit einem jungen CIA-Kollegen (Billy Magnussen) bei ihm auf und will ihn überreden, für die Amerikaner einen Job zu übernehmen. Erst ist Bond wenig interessiert, einen flüchtigen Wissenschaftler zu finden. Doch als er zuerst eine neue 00-Agentin (Lashana Lynch) kennenlernt und dann noch herausfindet, dass der Forscher im Auftrag von M (Ralph Fiennes) aktiv war, springen seine Reflexe wieder an. Doch diesmal findet er im undurchsichtigen Gegenspieler Safin (Rami Malek) möglicherweise tatsächlich seinen Meister …
Viele Köche …
Da ist er nun, der Abschied von Daniel Craig als James Bond, durch Corona deutlich später als geplant. Und noch einmal haben die Produzenten aufgefahren, was immer möglich war. Mit Regisseur Cary Fukunaga holten Wilson und Broccoli den Mann, der mit der ersten Staffel von „True Detective“ Seriengeschichte schrieb. Das Drehbuch steuerten wie bei allen Craig-Bonds wieder Neal Purvis und Robert Wade bei, diesmal unterstützt von Fukunaga und Phoebe Waller-Bridge, die britische Comedian. Dazu brachten sie mit Jeffrey Wright und Christoph Waltz alte Freunde und Gegenspieler Bonds zurück auf die Leinwand. Was also kann bei so viel geballter Starpower und Kompetenz schief gehen? Leider einiges.
Das beginnt bei Fukunaga. Der Regisseur dreht zwar einige starke Actionsequenzen und beherrscht auch den Schnitt dafür, sodass der Zuschauer stets weiß, was gerade passiert. Aber es gelingt auch ihm nicht, dem Film einen eigenen inszenatorischen Stempel aufzudrücken. Das Korsett eines Bond-Films, möglichst massentauglich Action zu schaffen, schnürt auch den Amerikaner zu sehr ein, um einen echten Fukunaga abzuliefern. Ihm gelang es lediglich, mit 163 Minuten den längsten Bond aller Zeiten zu drehen, der diese Laufzeit allerdings nicht mit genug spannendem Inhalt rechtfertigen kann. Keine Zeit zu Sterben bringt eine Menge Leerlauf auf die Leinwand.

Kein Meisterwerk des Autorenteams
Denn die unnötig kompliziert erzählte Story könnte auf ganze Handlungsstränge verzichten, ohne deshalb ein schlechterer Film zu werden. Dazu schaffen die Autoren mit Safin erneut einen Gegenspieler, der kaum Hintergrund erhält und nach dem Auftakt des Films lange Zeit komplett verschwindet. Malek spielt den Schurken zwar ordentlich, kann aber an dessen Drehbuch-Blässe auch nicht viel ändern. Und Bond-Fans wissen: Ist 007s Gegner nicht interessant, leidet auch die Qualität des Films darunter. Bei Safin machen die Autoren den Kardinalfehler, viel zu erzählen und wenig zu zeigen. So bleibt seine Intention, sein genauer Plan und der Grund, warum er überhaupt über diese Machtfülle verfügt, komplett im Dunkeln. Das macht die Figur aber nicht faszinierender, sondern leider uninteressanter.
Letztlich steht und fällt Keine Zeit zu Sterben aber mit der Liebensgeschichte, mit der die Autoren immerhin den Bogen zu Craigs bislang bestem Bond „Casino Royale“ gekonnt schließen. Nicht nur, dass mit Vesper und Madeleine beide Frauen vorkommen, die Bond je geliebt hat. Die Story um die Figur von Lea Seydoux und deren Geheimnisse spielt auch in der Handlung eine wichtige Rolle. Das Problem ist, dass sicher nicht jeder Zuschauer diese Love-Story sehen möchte, schon gar nicht in dieser epischen Breite. Und dass sie deshalb bei vielen im Publikum nicht die großen Emotionen auslöst, die von Purvis und Wade gewünscht ist. Denn Craig letzter Bond soll eindeutig der emotionalste sein, der je gedreht wurde. Dabei übertreiben die Autoren leider an manchen Stellen deutlich.
Craig als Fels in der Brandung

Tadellos ist eigentlich nur Craig. Denn der Schauspieler hat die Rolle inzwischen so verinnerlicht und das Publikum hat sich auch so an den wortkargen Schrank von einem Agenten gewöhnt, dass er in jeder Szene überzeugt. Ana De Armas ist hingegen mit einem Kurzauftritt ebenso verschenkt wie Lashana Lynch, deren neue Agentenfigur erschreckend blass bleibt. Lea Seydoux ist ebenfalls stark als Madeleine Swann, kann aber aufgrund der doch formalhaften Liebesgeschichte auch nicht so überzeugen wie in anderen Filmen. Zudem gelingt es Fukunaga trotz solider Action nicht, eine wirklich ik0nische Szene anzuliefern, für die man Keine Zeit zu Sterben auch in Jahren noch feiert. Besser als „Ein Quantum Trost“ und „Spectre“, schwächer als „Casino Royale und „Skyfall“. Craigs letzter Bond landet in der goldenen Mitte.
Fazit:
Klarer Fall von zu viel gewollt! In langen 163 Minuten erzählt Regisseur Cary Fukunaga eine unnötige komplizierte und nicht immer fesselnde Story um Craigs letzten Einsatz als James Bond. Erneut kann Bonds Gegenspieler den großen Schurken der Reihe nicht das Wasser reichen. Dier Liebesgeschichte ist zu dick aufgetragen und verliert daher viel von ihrer Wucht. Und um unbedingt Emotionen zu wecken, greifen die Autoren auf recht unoriginelle Maßnahmen zurück, die nicht bei jedem Zuschauer die erhoffte Gefühlsregung erzeugen dürften. Es reicht dennoch zu einem soliden Bond, zu mehr allerdings nicht. Vor allem im Vergleich zum großartig geschriebenen und inszenierten Casino Royale, Craigs erstem Einsatz, kann Keine Zeit zu Sterben nicht mithalten. Craig verabschiedete sich zwar mit einem Knall, aber leider keinem emotionalen.
Keine Zeit zu Sterben startet am 30. September in den deutschen Kinos.
