Knives Out

Filmkritik: Knives Out

Der klassische Krimi gehörte viele Jahrzehnte zu Hollywoods Standard-Repertoire, wenn es um neue Filme ging. Doch in Zeiten der CGI-Blockbuster hat die Jagd nach einem Mörder nahezu Seltenheitswert. Meist ermitteln Cops und Detektive nur noch im TV. Mit „Knives Out“ hat nun Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson nach seinem Star Wars-Ausflug mit „Die letzten Jedi“ wieder einen Versuch gestartet, den Killer innerhalb einer Großfamilie, in der beinahe jeder verdächtig ist, zu ermitteln. Ist das noch ein Kinothema?

Rian Johnson hatte seit 2017 nicht unbedingt eine leichte Zeit. Der geballte Hass von Millionen Fans trafen den kreativen Kopf, der Star Wars 8 zum meist geschmähten Film der Reihe machte – bis Teil neun kam. Dabei ist Johnson nicht von ungefähr für das Projekt ausgewählt worden. 2012 überzeugte er mit seinem selbst geschriebenen Zeitreise-Thriller „Looper“ Kritiker und Fans. Ist Knives Out der Befreiungsschlag Johnsons, der ihn wieder in die Erfolgsspur bringt?

Knives Out
Hat jemand aus der Familie den schwer reichen Autor und Patriarchen Harlan um die Ecke gebracht?

Knives Out: Die Handlung

Der schwerreiche Krimitautor Harlan Thrombey (Christopher Plummer) feiert mit seiner Familie Geburtstag – es soll sein letzter werden. Denn man findet den Patriarchen tot in seinem Büro, scheinbar ein höchst seltsamer Selbstmord. Doch offenbar glaubt mindestens einer der Hinterbliebenen nicht daran. Denn bald taucht die Polizei auf dem Anwesen auf und bringt den gefeierten Privatermittler Benoit Blanc (Daniel Craig) als Berater mit. Und der ist sich bald sicher: Jemand im Haus hat den alten Mann ermordet!

Der Verdacht fällt bald auf Harlans Krankenpflegerin Marta (Ana de Armas), die am meisten vom Tod des alten Mannes profitiert, wie sich herausstellt. Doch ein Motiv haben auch Harlans Tochter Linda (Jamie Lee Curtis) sowie Sohn Walt (Michael Shannon), Schwiegersohn Richard (Don Johnson), Enkelin Meg (Katherine Langford). Und so gut wie jeder andere enge Verwandte, der am Abend auf der Party war. Für Blanc eine Menge Arbeit, bei der er zwar Hilfe von unerwarteter Seite bekommt, aber dennoch eine harte Nuss zu knacken hat …

Knives Out: Parodie und Krimi zugleich

Falls Rian Johnson als Regisseur und Drehbuchautor so etwas wie eine Rehabilitation nötig gehabt haben sollte, dann ist diese mit Knives Out mehr als gelungen. Denn er erreicht mit seinem Film so viele verschiedene bemerkenswerte Dinge, dass die schwarze Krimi-Komödie zurecht in vielen Top-Ten-Listen der US-Kritiker, wo der Film bereits Kinostart hatte, gelandet ist. So fühlt sich Knives Out exakt so an wie eine Agatha Christie-Verfilmung in der Tradition von „Mord im Orient Express“. Oder den alten „Miss Marple“-Filmen mit Margaret Rutherford.

Gleichzeitig aber lässt Johnson sein Script in Sachen Humor derart frei galoppieren, dass Knives Out immer auch Anzeichen der Parodie des Genres beinhaltet. Und mehr als einmal sein Publikum zum Lachen bringt. Dazu spielt Johnson geschickt mit gängigen Klischees wie der Tatsache, dass jeder ein Motiv hatte und sich die größten Saubermänner als schlimmste Sünder entpuppen. Trotzdem ist die Krimihandlung spannend, originell und tatsächlich auch sinnvoll und glaubwürdig. Eine seltene Kombination, die allein aus Knives Out schon etwas Besonderes macht.

Knives Out
Oder war es doch Harlans Krankenpflegerin Marta, die sich bald sehr verdächtig macht?

Knives Out: Schauspiel-Feuerwerk

Und damit ist Johnson mit seinen Einfällen noch lange nicht am Ende. Ob er die Hauptverdächtige in eigener Sache ermitteln lässt oder den berühmten Detektiv im Lauf der Handlung immer mehr als ziemlich trotteligen Blender hinstellt – Knives Out schlägt in seiner gesamten Laufzeit von stolzen 130 Minuten immer wieder wundervolle Haken, die das Publikum nicht kommen sieht. Dabei kann er sich immer voll auf sein illustres Ensemble verlassen. Das auch aus kleineren Rollen das Maximum an Spaß herausholt.

Don Johnson überzeugt als eitler Gockel, der das Geld seiner Frau durchbringt, Shannon als vom Übervater verängstigtes Weichei mit krimineller Energie. Auch Jamie Lee Curtis, die mit ihren Blicken mehr sagt als mit ihrem Text, ist hier ganz großartig. Highlights sind aber Chris Evans, der hier als überheblicher Enkel komplett gegen sein Heldenklischee anspielt. Und Daniel Craig, der im englischen Original nicht nur mit einem saukomischen Südstaaten-Akzent spricht, sondern auch sein cleveres Bond-Image auf die Schippe nimmt.

Ana da Armas, heimliche Hauptrolle des Plots, ist ebenfalls als eigentlich gute Seele mit erstaunlicher Tatkraft perfekt besetzt. Sie alle hauchen dem ohnehin schon sehr guten Drehbuch von Rian Johnson noch den Hauch Skurrilität ein, die der Stoff gebraucht hat. So ist Knives Out sowohl ein großer Spaß für Zuschauer, die mit dem klassischen Whodunit  nicht so viel anfangen können. Wie auch für echte Fans einer guten Kriminalgeschichte, die gekonnt zum Mitraten einlädt. Humor und Spannung werden hier jedenfalls nicht ermordet.

Fazit:

Mit Knives Out zeigt Rian Johnson, wie gut er sein Handwerk versteht, wenn er sich nicht mit einem langjährigen Mega-Franchise anlegen muss. Eine wunderbar geschriebene Mörderjagd mit tollen Figuren, die unter Johnsons Regie auch grandios gespielt werden. Und das von einem Ensemble, das in Sachen große Namen auch den alten Poirot-Filmen aus den 70ern zur Ehre gereicht hätte. Hier wartet der Zuschauer nicht nur auf den nächsten Hinweis, sondern auch auf den nächsten Gag. Die erste Kinoperle des Jahres!

Knives Out startet am 2. Januar 2020 in den deutschen Kinos.

Knives Out
Der möglicherweise gar nicht so brillante Privatdetektiv Benoit Blanc und seine Kollegen von der Polizei tappen lange im Dunkeln.