Werk ohne Autor

Filmkritik: Werk ohne Autor

Die Höhen und Tiefen der Filmindustrie lernte Florian Henckel von Donnersmarck nach nur zwei abendfüllenden Spielfilmen bereits kennen. Wurde sein „Das Leben der Anderen“ 2005 mit dem Oscar prämiert, so bekam sein zweiter Film „The Tourist“ 2010 die gesamte Häme und den Hass ab, zu denen Hollywood fähig ist. Nach acht Jahren meldet sich der Regisseur nun mit dem Mammut-Projekt „Werk ohne Autor“ zurück. Wie gut ist Nummer drei?

Schon bevor der Film in die deutschen Kinos kommt, steht Werk ohne Autor bereits als deutscher Beitrag für den Bester fremdsprachiger Film-Oscar fest, von Donnersmarck könnte also sein Kunststück von 2005 noch einmal wiederholen – was allerdings einer Sensation gleichkäme. Dennoch: Bei den Film-Mächtigen Deutschlands kam das neue Werk  des Regisseurs prächtig an. Elitäres Denken? oder ist Werk ohne Autor wirklich erneut ein Meisterstück des Regisseurs?

Werk ohne Autor
Seine freigeistige Tante Elisabeth prägt den jungen Kurt während der Nazizeit – doch ihre Natur ist ihr Tod.

Werk ohne Autor: Die Handlung

1937 begleitet der kleine Kurt seine Tante Elisabeth (Saskia Rosendahl) zu einer Ausstellung über entartete Kunst, die ein Museumsführer (Lars Eidinger) mit deutlichen Worten beschimpft. Doch Kurt gefällt, was er sieht und so reift schon in jungen Jahren der Entschluss in ihm heran, Künstler zu werden. Doch als er zusehen muss, wie die Nazis seine Tante abholen, weil sie als geisteskrank und damit unwertes Leben gilt, versetzt das dem Jungen einen Schlag, von dem er sich auch als junger Mann (Tom Schilling) noch nicht vollständig erholt hat.

Als er später in der DDR auf die Kunsthochschule kommt, erkennt ein Professor sein Talent und fördert ihn nach Kräften, schließlich wird Barnert zum Star der „sozialistisch-realen“ Kunst und malt Bilder in Museen und anderen öffentlichen Orten. Er lernt auch seine große Liebe Ellie (Paula Beer) kennen und heiratet sie schließlich. Ohne zu ahnen, dass ausgerechnet sein Schwiegervater, der berühmte Gynäkologe Dr. Carl Seeband (Sebastian Koch), damals für das Todesurteil gegen seine Tante verantwortlich war … 

Werk ohne Autor: Zeitgeschichte mit leichter Hand

Wenn ein Film die stolze Länge von 188 Minuten aufweist und sich überhaupt nicht nach drei Stunden anfühlt, dann ist das schon einmal ein gutes Zeichen. Wenn in diesen 188 Minuten dann auch noch 30 Jahre deutsche Geschichte eine Rolle spielen. ohne dass man als Zuschauer davon erschlagen wird, dann darf man sicher von einem äußerst gelungenen Film reden. Genau den hat Florian Henckel von Donnersmarck auch gedreht. Denn die Story, die vom Leben und Schaffen des Malers Gerhard Richter inspiriert wurde, inszeniert der Regisseur mit überraschend leichter Hand.

Zwar verharmlost Henckel von Donnersmack keine der dunklen Kapitel, weder die Gräueltaten der Nazis, noch die Unterdrückung in der DDR. So begleiten wir als Zuschauer Tante Elisabeth bis in die Gaskammer. Und spüren die tägliche Gesinnungs-Überwachung der Stasi am eigenen Leib. Trotzdem bleibt der Film im Kern eine Geschichte über einen begnadeten Maler und die Ereignisse, die ihn dazu gemacht haben. Daran hat die Historie ihren Anteil, übernimmt den Film aber nie zur Gänze. Stattdessen bleibt die Perspektive fast immer bei Kurt. Und diese subjektive Sicht auf die Dinge trifft im Kino umso härter.

Werk ohne Autor
Kurts späterer Schwiegervater Dr. Carl Seeband glaubt an die Nazi-Ideologie der Herrenrasse – und schickt Elisabeth als unwertes Leben in die Gaskammer.

Werk ohne Autor: Große Schauspielkunst

Was auch den den großartigen Schauspielern liegt. Neben Tom Schilling, der glaubhaft den sensiblen und sinnlichen Künstler verkörpert, ist vor allem Sebastian Koch als skrupelloses Stehaufmännchen absolut sehenswert. Selten hat man im Kino einen Charakter so verachtet und doch auch verstanden. Im Finale dieser beiden Hauptfiguren tritt das so deutlich zutage, dass ein weniger guter Regisseur daraus vermutlich einen tränenreichen Showdown gemacht hätte. Henckel von Donnersmarck erliegt der Versuchung nicht. Und zeigt die Szenen dadurch nur umso eindrucksvoller.

Und Werk ohne Autor besitzt viele solcher Momente. Wenn Oliver Masucci als Kunstprofessor (mit deutlichen Anleihen bei Joseph Beuys) Kurt Barnert sein Geheimnis verrät, dann ist das ebenso großes Kino wie der Moment, wenn Seeband seiner Tochter Unvorstellbares antut. Immer wieder überrascht der Film mit Wendungen, die so unvorhersehbar sind, dass die Realität dahinter manchmal kaum zu glauben ist. Und doch stehen echte Ereignisse in Richters Leben hier Pate. Der scheue Maler hat den Film übrigens zwar gesehen, allerdings mit keinem Wort kommentiert.

Ob Henckel von Donnersmarck für diesen Film wirklich seinen zweiten Oscar erhält, das sei dahingestellt. Die eine oder andere Schwäche im Drehbuch lässt den Film manchmal ein wenig zu sehr zur Ruhe kommen. Was zwar nie langweilt, den Plot aber auch nicht über die Maßen voranbringt. Und womöglich wird dem Regisseur die Leichtigkeit, mit der er den eigentlich schweren Stoff erzählt und inszeniert, zum Verhängnis. Dass ein Film über 30 Jahre Leben eines Künstlers mit vielen Tiefen und schweren Momenten so gut unterhält, könnte manch ein Kritiker und Juror unverzeihlich finden. 

Fazit:

Florian Henckel von Donnersmarck wird es hoffentlich ins Oscar-Finale schaffen, verdient hätte er es allemal. Denn Werk ohne Autor ist bei allen schweren Themen und viel deutscher Geschichte angenehm leicht inszeniert und traut sich, seine Hauptfiguren in den Fokus zu stellen, statt den Zuschauer mit dem Dritten Reich oder der DDR-Thematik zu erschlagen. So vergehen drei Stunden wie im Flug und entwerfen das Portrait eines faszinierenden Künstlers in verschiedenen, spannenden Momenten der jüngsten Vergangenheit. Wuchtiges, emotionales Kino!

Werk ohne Autor startet am 3. Oktober 2018 in den deutschen Kinos.

Werk ohne Autor
Kurts Kunstprofessor in Düsseldorf bevorzugt ungewöhnliche Lehrmethoden.