Professor Marston

Filmkritik: Professor Marston and the Wonder Women

Wohl keine andere Superheldin hat eine derart bewegte Entstehungsgeschichte wie die allererste ihrer Art. „Professor Marston and the Wonder Women“ erzählt, wie die Idee zur Amazone Diana entstand – und welche privaten Schicksale dahinterstecken. Genau das Richtige für Comicfans?

William Moulton Marston war ganz offensichtlich in vielen Bereichen ein außergewöhnlicher Zeitgenosse. Er lebte nicht nur bis zu seinem Tode mit zwei Frauen unter einem Dach und hatte mit beiden Kinder, er erfand auch mit Wonder Woman eine Superheldin, die in ihren Anfangsjahren so ganz anders war als heute. Ist das ein zwingender Grund für Comicfans, sich den Film anzusehen?

Professor Marston
In der Rahmenhandluing des Films muss sich Marston vor einer Ethik-Komission für den zweideutigen Inhalt seiner Comics verantworten.

Professor Marston: Die Handlung

1928: Der brillante Psychologie-Professor William Marston (Luke Evans) und seine nicht minder kluge Frau Elizabeth (Rebecca Hall) suchen eine Assistentin. Ihre Wahl fällt auf die junge Olive (Bella Heathcote),  in die sich Marston bereits ein wenig verguckt hat. Als das Marston-Ehepaar den Lügendetektor entwickelt, kommen bei Tests einige Wahrheiten ans Licht, die dem Trio die Augen über ihre Gefühle öffnet. Hier ist jeder in die beiden anderen verliebt. Und so wird aus dem Paar samt Assistentin heimlich ein Gefüge aus drei Liebenden. Da die Gesellschaft der frühen 30er Jahre diese Partnerschaft nicht toleriert, verlieren die Marstons bald ihren Lehrstuhl.

Um ihre Liebe dennoch leben zu können, ziehen die drei an den liberalsten Ort, den die USA zu bieten haben – nach New York. Und dort kommen Marston bei der Erforschung von Rollen- und Fesselspielen für ihre Beziehung die ersten Ideen zu einer Superheldin – Wonder Woman …

Nichts für Comicfans

Wem „Wonder Woman“ in diesem Jahr im Kino gut gefallen hat und diesem Film daher Interesse entgegenbringt, dem sei gesagt: Von der Superheldin gibt es hier so gut wie nichts zu sehen. Vielmehr ist Professor Marston and the Wonder Women ein Film über starke Frauen in einer Zeit, als diese Eigenschaft bei ihrem Geschlecht noch nicht gern gesehen war. Die selbst heute noch nicht akzeptierte Beziehung zweier Frauen zu einem Mann steht im Zentrum des Films, die Comicfigur kommt in der ersten Stunden noch gar nicht vor.

Die Regisseurin Angela Robinson, die auch das Drehbuch schrieb, konnte sich offensichtlich nicht entscheiden, welche Aspekte in der Lebensgeschichte der drei ungewöhnlichen Menschen ihr am wichtigsten war. Und so wechselt der Film relativ unentschlossen zwischen Frauendrama, ungewöhnlicher Liebesbeziehung und von Zeitkolorit geprägter Prüderie hin und her. Dabei kommt keines der Themen so richtig zur Geltung.

Seltsame Biographie

Dazu kommen historische Ungenauigkeiten. Im Film nimmt die Liebe zwischen Elizabeth und Olive einen breiten Raum ein. Nach Aussage der Enkelin von Marston habe es diese Liebe aber nie gegeben. Die beiden Frauen hätten Zeit ihres Lebens eher als Schwestern zusammengelebt – und nicht als Paar. Zudem sei die Familie nie als Berater für den Film kontaktiert worden. Historische Korrektheit war also wohl keines der Ziele für den Film. Robinson erzählt ihre Geschichte auch als deutlich sexuell aufgeladenes Liebes-Chaos, ist aber derart prüde und harmlos inszeniert, dass dieser Aspekt nie wirklich glaubhaft wird. Ob das Studio im Hinblick auf Comicfans eine niedrige Freigabe anstrebte, oder ob die Regisseurin selbst nicht mehr zeigen wollte, ist nicht bekannt. Das Feuer, das angeblich in allen drei Figuren loderte, ist in den wenigen, züchtigen Sexszenen jedenfalls nicht zu spüren.

Professor Marston
Die Liebe zwischen Olive und Elizabeth – für Regisseurin Angela Robinson offenbar das Wichtigste an der Story.

Stärker ist der Film, wenn er sich auf die Schwierigkeiten konzentriert, die vor allem die beiden Frauen durch ihren gewählten Lebensweg bekommen. Die immens intelligente Elizabeth kann lediglich als Sekretärin arbeiten und die Ächtung durch Kollegen und Nachbarn wird nur zu deutlich. Zwar zeigt der Film auch, wie Marston schließlich seine Ideen zu Wonder Woman bekam. Doch das ist eher Beiwerk und steht lange Zeit nicht im Fokus des Films. Zudem ist das für moderne Fans auch gar nicht von Belang, denn Wonder Woman verlor nach dem Tod ihres Erfinders sofort sämtlich Bondage- und SM-Aspekte. Und wurde eine „ganz normale“ Superheldin.

Auch mit der Besetzung hat sich Robinson keinen Gefallen getan. Während die beiden Frauen ihre Rollen sehr gut meistern, wirkt Luke Evans als Professor fehlbesetzt. Der muskelbepackte, durchtrainierte Körper passt so gar nicht zur Erscheinung eines Geisteswissenschaftlers der 30er Jahre. 

Fazit:

Eine teilweise wohl eher frei erfundene als tatsächliche Biographie, in der der titelgebende Professor Marston eine weitaus kleinere Rolle hat als seine Wonder Women. Rebecca Hall und Bella Heathcote spielen gegen ein deutlich zu prüdes Drehbuch an, das außer zwei starken Frauenfiguren herzlich wenig zu bieten hat. Und so plätschert die eigentlich spannende Lebensgeschichte des Erfinders der ersten Superheldin nur so vor sich hin, anstatt das Publikum mitzureißen.

Professor Marston and the Wonder Women startet am 2. November in den deutschen Kinos.

Professor Marston
Enge Reizwäsche und ein Seil – hier lässt sich Wonder Woman schon erahnen.