Tolkien

Filmkritik: Tolkien

Sein Werk wird sehr konsequent von vorne nach hinten verfilmt, und nun dient auch sein eigenes Leben als Vorlage für einen Film – John Ronald Reuel „Tolkien“. Der Autor von „Der Herr der Ringe“ war mehr als nur ein Schriftsteller und der Film des finnischen Regisseurs Dome Karukoski versucht, vor allem die jungen Jahre des Mitbegründers der modernen Fantasy-Literatur in Szene zu setzen. Lohnt sich der Film für Mittelerde-Fans oder bleibt Tolkiens Werk hier eher im Hintergrund? Das verrät die Kritik.

Er selbst war kein Freund von moderner Technik oder Kinofilmen, wanderte lieber durch die Natur und beschäftigte sich mit seiner Familie. Zumindest gilt das für seine Zeit als berühmter Autor. Aber wie wurde Tolkien zu dem Schriftsteller, der eines der erfolgreichsten Bücher aller Zeiten geschrieben hat? Und wer war die Frau, die er heiratete und die ihn zur Geschichte von Beren und Luthien inspirierte? Diesen Fragen geht die filmische Biographie nach. Ist das auch Zuschauer interessant, die keine ausgewiesenen Fans der Bücher sind?

Tolkien
Tolkiens tiefe Freundschaft zu seinen Mitschülern wird später die Gemeinschaft des Rings inspirieren.

Tolkien: Die Handlung

Der junge John Tolkien verbringt eine idyllische Kindheit in Südafrika, bis der Tod des Vaters die Familie zurück nach England zwingt. Als auch die Mutter stirbt, werden John und sein jüngerer Bruder mithilfe des Pfarrers Francis Morgan (Colm Meaney) bei einer reichen Witwe untergebracht, die etwas für Waisen übrig hat. Dort trifft John auch auch Edith, die ebenfalls als Weise bei der alten Dame lebt. Und die Gönnerin ermöglicht ihm den Besuch einer guten Schule, auf der der vermeintliche Außenseiter bald gute Freunde findet.

Als junger Mann scheint John (Nicholas Hoult, „X-Men: Dark Phoenix“) eine glänzende Zukunft vor sich zu haben. Seine Schulfreunde sind so eng miteinander verbunden, dass sie sich selbst als verschworenen Bund begreifen und einander helfen. Edith (Lily Collins, „To The Bone“) ist inzwischen eine junge Frau geworden, in die John sehr verliebt ist und seine Professoren (unter anderen Derek Jacobi) beeindruckt er mit selbstentwickelten Sprachen. Doch dann bricht der Erste Weltkrieg los und Tolkien muss wie alle anderen jungen Männer an die Front in Frankreich …

Tolkien: Für beide zu wenig

Weder Regisseur Dome Karukoski noch seine Drehbuch-Autoren Stephen Beresford und David Gleeson konnten sich offenbar so richtig für eine Zielgruppe entscheiden. Denn eigentlich schienen die drei sich auf ein klassisches Bio-Pic im Stil von „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ (über Stephen Hawking) verständigt zu haben. In ruhigem Tempo und auch sonst eher unaufgeregt beleuchten sie die prägenden Momente in Tolkiens Jugend und frühen Erwachsenen-Jahren. Der Film fängt den Charme der Zeit, aber auch den Standesdünkel, sehr gut ein.

Doch kann sich Karukoski es sich nicht verkneifen, in den Kriegsszenen von den Schlachtfeldern des furchtbaren Stellungskrieges zwischen dem Nebel Silhouetten schwarzer Krieger und riesiger Drachen auftauchen zu lassen. Und die zerbombten Ebenen Frankreichs wie Saurons Heimat Mordor aussehen zu lassen. Das wird die Feingeister stören, die sich auf eine biografischen Film gefreut haben. Und den Fans nicht reichen, die aufgrund dieser Bilder im Trailer im Kino auf ein weiteres Herr der Ringe-Epos gehofft hatten – das es hier nicht gibt.

Tolkien
Die elfenhafte Lily Collins verkörpert Tolkiens große Liebe Edith, die ihm zu Figuren wie Luthien und Arwen verhalf.

Tolkien: Gute Love-Story

Besser als die letztlich misslungenen Versuche, Tolkiens große Werke in Bilder seines Lebens zu integrieren, macht es Karukoski, wenn es um die Liebe in seinem Leben geht. Er zeichnet die Probleme, die diese Liebe von Beginn an hatte, gut nach. Und zeigt in wundervollen, witzigen Momenten, wie die Gefühle zwischen John und Edith entstehen. Und sie schließlich seine Luthien wird – die unsterbliche Liebe. Diese Leidenschaft, die sie über viele Jahre zügeln müssen, weil Tolkiens Ziehvater, der Pfarrer, sie untersagt, bringen Hoult und Collins überaus glaubhaft auf die Leinwand.

Ebenso gut inszeniert der finnische Regisseur die Männerfreundschaft zwischen dem eigentlich aus ärmlichen Verhältnissen kommenden John. Und seinen drei Upper-Class-Mitschülern, die bald alle gesellschaftlichen Vorgaben über Bord werfen und als Gleichgestellte ihre Kameradschaft pflegen. Und die Bilder der Soldaten, die aus leeren Augen aus den Gräben auf den unsichtbaren Feind starren, gelingen ebenso gut. So lange keine Ringgeister durch die Gegend reiten. Denn auch ohne die Fantasy-Gestalten verbreiten sie genug Grauen, um dem jungen Tolkien glaubhaft als eine lebenslange Quelle der Inspiration für düstere Stoffe zu dienen.

Dass Tolkien trotz vieler Pluspunkte nie gänzlich überzeugt, liegt sicher auch an der Fülle von Geschichten, die Karukoski in den Film packt. So bekommt vieles schlicht nicht genug Raum, um die volle Wirkung entfalten zu können. So hetzt der Regisseur von Punkt zu Punkt, um möglichst viele Hinweise auf das spätere Werk Tolkiens unterzubringen. Und vergisst dabei manchmal, dass er ja eigentlich das Leben und Lieben des Schriftstellers und berühmten Professors zeigen wollte. Das kommt deshalb oft ein wenig zu kurz.

Fazit:

In seinem Bemühen, sowohl die Freunde anspruchsvoller Biographie-Filme als auch die Fans von Tolkiens Fantasy-Meilensteinen abzuholen, verzettelt sich Regisseur Dome Karukoski zu sehr, um eine der beiden Fraktionen wirklich zufrieden zu stellen. Als Bio-Pic ist er durch die vielen Herr der Ringe-Andeutungen unnötig flach. Als in der realen Historie aufgehängter halber Fantasy-Film funktioniert er noch weniger. Und so verschenkt Karukoski in Tolkien vor allem die eigentlich schöne und zerbrechliche Love-Story zwischen Nicholas Hoult und Lily Collins.

Tolkien startet am 20. Juni 2019 in den deutschen Kinos.

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Das Grauen des Krieges bebildert der Regisseur mit Kreaturen aus Tolkiens späteren Werken.