Nach diversen Comicverfilmungen wie „The Old Guard“ oder „The Last Days of American Crime“ hebt Netflix nun eine Eigenproduktion ins Programm, die wie eine Comic-Verfilmung aussieht, aber keine ist. Für“Project Power“ gewann Netflix nicht nur einen Bieterkrieg um das Drehbuch, sondern steckte dann auch noch 85 Millionen Dollar in die Umsetzung des Films. Da konnten auch Star wie Jamie Foxx und Joseph Gordon-Levitt nicht nein sagen. Hat sich der Aufwand gelohnt?
Während Netflix mit seinen Serien meist den richtigen Ton trifft und Megahits wie „Stranger Things“ oder „The Witcher“ hervorbrachte, bekommen ihre Filme nur selten gute Kritiken. Oft sind sie zu lang und trotz immenser Geldmengen, die sie verschlungen haben, nicht so recht überzeugend. Immer wieder ist zu lesen, dass diese Filme es in einem Hollywood-Studio für Kinofilme nie geschafft hätten. Ist auch Project Power wieder ein Film, der an die Reihe durchschnittlicher Produktionen anschließt? oder erwartet den Zuschauer hier eine Überraschung?
Project Power: Die Handlung
In New Orleans grassiert auf den Straßen eine neue Wunderdroge: Power. Die glühenden Kapsel verleihen dem Konsumenten für genau fünf Minuten Superkräfte, die bei jedem anders ausfallen. Manche werden superstark oder schnell, andere können sich tarnen oder werden kugelsicher. Einige sterben allerdings auch an Power. Die Polizei um Cop Frank (Joseph Gordon-Levitt) tappt im Dunkeln, obwohl Frank selbst schon die Pillen geschluckt hat. Im Geheimen arbeitet er mit der jungen Dealerin Robyn (Dominique Fishback) zusammen, um die Hintermänner zu finden.
Das versucht auch Art (Jamie Foxx), der sich nur „Der Major“ nennt und offenbar eine militärische Vergangenheit besitzt. Stufe um Stufe kämpft er sich die Leiter hinauf, um den Drahtzieher hinter Power zu finden. Denn der hat ihm etwas Wertvolles genommen – und Art will es zurück. Dabei geht der Ex-Marine über Leichen und mischt die Unterwelt gehörig auf. Dass er bald mit Robyn zu einem ungleichen Duo wird, das nach der Wahrheit sucht, hätte sich der erfahrene Kämpfer aber auch nicht träumen lassen …
Als Shane Black noch gut war …
In den späten 80ern entpuppte sich der Schauspieler Shane Black als brillanter Drehbuchautor und schrieb neben der „Lethal Weapon“-Reihe auch Filme wie „Tödliche Weihnachten“ mit Geena Davis oder „The Last Boy Scout“ mit Bruce Willis. Bald galten diese Filme als der Inbegriff von blutigen, aber auch sehr witzigen Buddy-Movies, in denen Black immer wieder möglichst wenig zusammen passende Figuren aufeinander losließ, um zu sehen, was geschieht. Drehbuchautor Mattson Tomlin war zwar noch gar nicht geboren, als Shane Black erfolgreich wurde, aber dessen Filme hat er garantiert gesehen.
Denn Project Power ist zwar thematisch eindeutig ein Kind der Marvel-Kino-Ära, liefert aber eben auch eine sehr gelungene Kopie des guten alten Shane Black-Humors. Hier wie dort kann es gar nicht verrückt genug zugehen, um die Story voranzutreiben und die Helden in immer absurdere Situationen zu bringen. Und wie Black gelingt es auch Tomlin jederzeit, eine spannende Story zu erzählen und trotzdem einen großen Batzen Selbstironie mit einfließen zu lassen. Project Power nimmt sich trotz blutiger Action nie ernst – und das ist auch gut so.
Project Power: Spaß braucht keinen Realitäts-Check
Denn weil der Film immer mit Augenzwinkern erzählt ist, macht sich der Zuschauer gar nicht erst die Mühe, die Geschichte auf Glaubwürdigkeit hin zu untersuchen. Hier gibt es derbe, aber gut gefilmte Actionsequenzen, wenn Art beispielsweise gleich zu Beginn gegen einen Kerl kämpfen muss, der eine menschliche Fackel ist. Und sich der Film hier von Duell zu Duell noch steigern kann. Drumherum baut Tomlin seine Story aus lauter bekannten Versatzstücken, so dass Project Power zu keinem Zeitpunkt mit Überraschungen aufwarten kann.
Weil er aber genau den richtigen Ton für eine solche Story anschlägt, unterhält er trotzdem sehr gut. Was auch an der Spielfreude seiner Stars liegt. Dominique Fishback beweist, dass ein jugendlicher Sidekick das Publikum keineswegs zu Tode nerven muss, wie bei „Coffee and Kareem“. Gordon-Levitt spielt seine Paraderolle des Underdogs mit goldenem Herzen so souverän wie immer. Und Jamie Foxx wirft sich mit vollem Körpereinsatz in seine Rolle als einsamer Rächer und darf dazu noch megacool seine One-Liner zum Besten geben. Was will man mehr?
Tatsächlich ist Project Power ein klassischer Film nach dem Motto „Hirn aus, Spaß rein“, denn die dünne Story dient jederzeit nur dazu, trockene Gags und furiose Action zu präsentieren. Dafür braucht er Netflix-typisch mit 110 Minuten etwas zu lang, wird aber nie wirklich langweilig oder redundant. Dazu kündigte er seine Höhepunkte von langer Hand an, sodass sich das Publikum eine ganze Weile darauf freuen kann. Zusätzlich beweisen die Regisseure Ariel Schulman und Henry Joost ein gutes Gespür für Timing und lassen ihren Film immer mehr Fahrt aufnehmen.
Fazit:
Wer an den Lethal Weapon-Filmen oder „Iron Man 3“ seinen Spaß hatte, sollte sich unbedingt auch Project Power ansehen. Die Ähnlichkeiten, vor allem in Erzählstil und Wortwitz, sind deutlich. Weil auch die Schauspieler sichtbar Lust auf diese blutige Action-Superhelden-Komödie hatten, bietet der Film zwar keinerlei intellektuelle Herausforderung, macht aber einfach Spaß. Oder wie es Jamie Foxx als Art ausdrücken würde: „Geiler Scheiß!“ Besser kann man es eigentlich nicht zusammenfassen.
Project Power startet am 14. August 2020 bei Netflix.