Late Night

Filmkritik: Late Night

Die Britin Emma Thompson steht nicht erst seit ihren Drehbuch-Oscar für „Sinn und Sinnlichkeit“ in dem Ruf, eine der klügsten Frauen im Business zu sein.Nun spielt sie mit „Late Night“ in einem Film mit, für den ihr Co-Star Mindy Kaling das Drehbuch verfasst hat. Und in dem Thompson eine kluge Engländerin verkörpert. Kann sie die Rolle einer fiesen Late-Night-Talkshow-Queen mit Leben erfüllen und das Publikum erobern?

In „Der Teufel trägt Prada“ musste sich Anne Hathaway mit Meryl Streep als Chefin herumschlagen, die als Chefin einer Modezeitschrift ein echter Kotzbrocken war. Mindy Kalings Script für Late Night geht in eine ähnliche Richtung. Denn Katherine Newbury, Gastgeberin einer Late Night Show im TV, ist ebenfalls kein sonderlich liebenswerter Zeitgenosse. Der große Unterschied: Während Streep trotz ihrer Präsenz im Film nur eine Nebenrolle war, ist in Kalings Scriptumsetzung der indisch-stämmigen Regisseurin Nisha Ganatra eindeutig Thompson der Star.

Late Night
Durch einen glücklichen Zufall bekommt Molly einen Job als Autorin der Late Night-Show von Katherine Newbury.

Late Night: Die Handlung

Die erste Szene des Films zeigt Katherine Newbury (Emma Thompson), wie sie sich für einen Preis bedankt – wieder einmal. Die Britin hat im Lauf ihrer Karriere viele TV-Preise eingeheimst, seit sie als junge Comedienne in die USA kam. Ihre Late Night Show verliert aber seit Jahren Quote und ihr Autoren-Team schmort schon lange nur noch im eigenen Saft. Weil Newbury als frauenfeindlich gilt, besteht sie darauf, dass eine Autorin eingestellt wird,um diese Gerüchte zu bekämpfen. Zufällig bewirbt sich Molly (Mindy Kaling) genau an diesem Tag um den Job.

Katherine erhält bald darauf schlechte Nachrichten. Die Senderchefin teilt ihr mit, dass die Late Show im kommenden Jahr mit einem neuen Gastgeber laufen soll – Newbury ist raus. Das weckt den Kampfeswillen in der misanthropischen Entertainerin und sie ist bereit, sich die Ideen ihrer neuen Autorin anzuhören. Tatsächlich erholen sich die Quoten und die Sendung ist wieder Gesprächsstoff. Da ereilt Katherine der nächste Schicksalsschlag, der ihr endgültig das Genick zu brechen droht …

Late Night: Furiose Frauen

Hier kommen von Anfang an keine Zweifel auf: Late Night ist ein Frauenfilm. Zwar gibt es hier einige richtig gute Nebenrollen für Männer. Besonders erwähnenswert ist John Lithgow als unheilbar kranker Ehemann von Katherine. auch Hugh Dancy als Autor und Frauenheld spielt seine Rolle stark. Und Dennis O’Hare als Sendeleiter Brad ist ebenfalls absolut sehenswert, wenn er mit stummem Hundeblick die Marotten und Wünsche seiner Chefin erträgt. Aber der eindeutige Star in diesem Film ist der auf der Hand liegende: Emma Thompson.

Die Vorstellung der 60-jährigen Britin ist virtuos auf den Punkt. Thompsons Timing für Gags ist perfekt, und trotz ihrer mitunter fiesen Art verliert sie nie ganz die Gunst des Zuschauers, weil sie im richtigen Moment auch sehr liebenswert ist. Kaling hat diese Rolle gut geschrieben, aber erst Emma Thompson erweckt Katherine Newbury eindrucksvoll zum Leben. Damit beweist die Britin erneut ihre Extraklasse, wenn es um komplexe Figuren geht – und dass sie neben ernsten Rollen wie in „Kindeswohl“ auch die witzigen noch immer traumhaft sicher beherrscht.

Late Night
Das rein männliche Autorenteam ist von der Neuen nur mäßig begeistert.

Late Night: Kluges Gespinst

Bei ihrer eigenen Rolle hat sich Mindy Kaling mehr zurückgehalten, oft kommt sie über das Schicksal eines Stichwortgebers nicht hinaus, obwohl sie auf dem Papier die zweite starke Rolle neben Thompson ist. Was aber hier fehlt, hat sie ins Drehbuch geschrieben. Ihr kluges Gespinst aus Themen wie Political Correctness, Sexismus, Medienschelte und Comedy-Gesetzen funktioniert über den gesamten Film nahezu perfekt. Hier beweist Kaling, wie viel sie in ihren Jahren bei „The Office“, wo sie Darstellerin und Autorin in Personalunion war.

Denn der gallige Humor der eigentlich britischen Serie, die in der US-Version aber ungleich erfolgreicher war, lieht Kaling offenkundig sehr. Auch Late Night hat Momente, wo dem Zuschauer das Lachen fast im Hals stecken bleibt. Oder das Publikum zumindest leise Zweifel hat, ob das Lachen an dieser Stelle wirklich angebracht war. Trotzdem ist Late Night nie ein richtig böser oder zynischer Film, sondern bewahrt sich über seine Laufzeit von 100 Minuten stets einen Rest Hoffnung auf bessere Zeiten und bessere Menschen.

Und das macht den Film beim Ansehen auch so angenehm, denn man darf ungestraft Sympathien mit der Hauptfigur empfinden. Kaling findet immer wieder auch versöhnliche und warme Töne für ihre Story und entlässt den Zuschauer nach einer echten Katharsis, über die Kaling sich im eigenen Script auch noch gekonnt lustig macht, mit guter Laune aus dem Kino. Ein feiner kleiner Film, der vermutlich weniger Publikumszuspruch erhalten wird, als er eigentlich verdient.

Late Night:

Obwohl Late Night auf dem Papier nach einem reinen Frauenfilm aussieht, lachen hier garantiert auch Männer. Denn Mindy Kalings kluges Drehbuch ist gnadenlos gegen beide Geschlechter, ohne sich mit dem Thema lange aufzuhalten. Ihre Chronik über den Kampf einer älter werdenden Comedienne um ihre Würde und ihren Status ist von Emma Thompson nicht nur grandios gespielt, sondern auch viel warmherziger, als die Ausgangssituation es vermuten lässt.

Late Night startet am 29. August 2019 in den deutschen Kinos.

Late Night
Doch Molly schafft es, Katherine und Sendeleiter Brad von ihren Ideen zu überzeugen und – sie funktionieren!