Die Agentin

Filmkritik: Die Agentin

Zu Beginn ihrer Karriere war das ehemalige Model Diane Kruger das klassische Love Interest, ob an der Seite von Orlando Bloom in „Troja“ oder in französischen Liebesfilmen. Seit sie aber mit „Aus dem Nichts“ international in einer ganz anderen Rolle auf sich aufmerksam machte, kommen offenkundig auch andere Angebote ins Haus. „Die Agentin“ könnte eine dieser neuen Rollen gewesen sein – und Frau Kruger hat sie angenommen. Wie gut ist der Spionage-Thriller des israelischen Regisseurs und Drehbuchautoren Yuval Adler?

Diane Krugers Karriere hat die mittlerweile 43-jährige perfekt auf die Rolle der Rachel in Die Agentin vorbereitet. Denn durch ihre Modelkarriere in Paris und ihre Jobs als Schauspielerin spricht Kruger neben Deutsch auf Englisch und Französisch fließend. Was sie in diesem Film auch braucht. Ist die Schauspielerin der Rolle auch ansonsten gewachsen? Eine knallharte Spionin spielte Kruger in ihrer Karriere bisher nicht, wie schlägt sie sich?

Die agentin
Für den Mossad übernimmt Rachel gefährliche Aufträge.

Die Agentin: Die Handlung

Geheimdienstmann Thomas (Martin Freeman), der als britischer Jude für den israelischen Mossad arbeitet, erhält einen Anruf. Es ist Rachel (Diane Kruger), mit der er seit Jahren zusammenarbeitet. Nach nur einem kurzen Satz legt sie wieder auf – und Sekunden später ist der Mossad in der Leitung. Die Vorgesetzten verlangen Antworten: Ist Rachel übergelaufen? Wo steckt die Agentin? Und welche Pläne hat sie? Thomas reist zu einem Versteck des Mossad in Köln und erzählt dort die Geschichte der Agentin, soweit er sie kennt.

Thomas wirbt Rachel als Agentin für den Mossad an, obwohl sie weder Jüdin noch Israelin ist. Als Sprachlehrerin geht sie nach Teheran und baut sich diese Tarnidentität dort sorgfältig auf. Eines Tages erhält sie den Befehl, sie mich dem iranischen Geschäftsmann Farhad (Cas Anvar) anzufreunden. Doch Rachel verliert bald ihre professionelle Distanz und entwickelt Gefühle für den pro-westlichen Freigeist. Weil ihre Befehle aber anders lauten, muss sie den Mann, den sie möglicherweise liebt, ausspionieren – welche Folgen hat das für sie?

Die Agentin: Spröde, aber spannend

Mit Hollywood-Hochglanz-Thrillern hat diese Produktion nicht viel zu tun. Die Geschichte, die auf einem Roman basiert, wurde von Adler deutlich zurückgenommener geschrieben und inszeniert, als das wohl ein US-Regisseur getan hätte. Daher wirkt der Film optisch auch eher wie ein europäischer Autorenfilm. Eine meist ruhige Kamera, grobkörniges Bild und gedeckte Farben unterstreichen den Eindruck, dass hier statt einer „Larger than Life“-Story eine sehr viel realistischere und glaubwürdigere Geschichte erzählt werden soll.

Denn Kruger spielt ihre Agentin nicht als eiskalte und kopfgesteuerte Spionin, die über Leichen geht. Stattdessen erlaubt sie sich Gefühle – und die sind in diesem Geschäft bekanntlich nicht ungefährlich. Die Agentin bezieht seine Spannung daher auch nicht aus minutiös geplanten Einsätzen mit Supertechnik, sondern aus Situationen, in denen Rachel durchaus in Gefahr schwebt, weil sie sich in einem fremden Land befindet, in dem ihr nicht alle wohlgesonnen sind. Dieses Gefühl der ständigen Bedrohung fängt Adler sehr gut ein.

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Auch im Iran riskiert Rachel viel, um ihre Auftraggeber zufriedenzustellen.

Die Agentin: Kein Schwarz-Weiß

Dennoch ist der israelische Regisseur weit davon entfernt, den Erzfeind seines Landes als blutrünstigen, fundamentalen Mob zu zeigen. Stattdessen begegnet Rachel in Teheran meistens sehr freundlichen und hilfsbereiten Menschen und legt – im Gegensatz zum Zuschauer – ihre Angst in der Fremde bald ab. Dass Adler diese Entwicklung ebenso nachvollziehbar wie subtil erzählt, gehört zu den größten Stärken seines Films. Mit seinen Landsleuten geht Adler dagegen härter ins Gericht. Seine Mossad-Agenten sind alle kalt bis ins Mark und nur ihrem Job verpflichtet.

Und so bleibt die Rolle des gefühlvollen Agenten an Martin Freeman hängen, der sie gewohnt souverän verkörpert und Thomas als klugen, aber auch mitfühlenden Vorgesetzten Rachels anlegt, bei dem man durch sein gutes Spiel aber auch nie genau weiß, ob er im Ernstfall auf ihrer Seite stehen oder sie zugunsten seiner Karriere fallen lassen würde. Schwächen zeigt der Film daher auch am meisten in der Charakterisierung der Hauptfigur Rachel.

Diane Kruger spielt die ambivalente Figur zwar gut, aber das Script lässt einige wichtige Fragen offen. So wird die Motivation Rachels, überhaupt für den israelischen Geheimdienst zu arbeiten, nie wirklich klar. Daran krankt im Verlauf des Films die Anteilnahme des Zuschauers an ihrem Schicksal. Das Geheimnisvolle, dass Adler seiner Figur zuschreibt, sorgt zwar für manchen spannenden Moment, richtiges Mitfiebern mit einer sympathischen Heldin wird dadurch aber ein wenig schwerer. Wer so etwas mag, ist bei Die Agentin genau richtig.

Fazit:

Die Agentin ist ein über weite Strecken spannender Spionage-Thriller mit einer starken, aber recht kühlen Hauptfigur. Dennoch gelingt Regisseur und Autor Yuval Adler ein Film, der sehr viel glaubhafter und realistischer wirkt als viele andere Agenten-Abenteuer. Leider lässt er aber das Publikum gerade beim Charakter seiner Hauptfigur etwas zu sehr im Dunkeln, um echte Emotionen bei den Zuschauern zu entfachen. Ein paar Momente zum Nägelkauen hat der Film aber trotzdem zu bieten. Ein sehenswerter Thriller abseits des Hollywood-Hochglanzes.

Die Agentin startet am 29. August 2019 in den deutschen Kinos.

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Doch als sie Gefühle für ihr Auftragsziel Farhad entwickelt, gerät Rachel in Schwierigkeiten.