Joker

Filmkritik: Joker

Schon seit 1940 ist der „Joker“ der wohl bekannteste und beliebteste aller Superschurken, gegen die Batman je gekämpft hat. Einen eigenen Film hat er dennoch nie bekommen – bis jetzt. Ausgerechnet Todd Phillips, der bisher eher durch Komödien wie „Hangover“ bekannt wurde, schrieb ein düsteres Psychogramm um einen Mann auf seinem Weg zum wahnsinnigen und angsteinflößenden Killer. Den spielt Joaquin Phoenix mit einer Intensität, dass der Film in Venedig den Hauptpreis gewann – zu Recht?

Als Jack Nicholson als Joker in „Batman“ 1989 zu ungeahntem Reichtum kam, weil er sich Anteile an den Einspielergebnissen sicherte, galt der Schauspieler als Inbegriff des Charakters. Bis Heath Ledger mit seiner Version des psychotischen Killers nicht nur tragischerweise seine Abschiedsvorstellung gab. Sondern für die Rolle auch posthum mit dem Oscar geehrt wurde. Joaquin Phoenix wird seinen Joker hoffentlich lange überleben, der Goldjunge für den besten Hauptdarsteller 2020 geht dennoch nur über ihn. Ist der Rest des Films auch oscarwürdig?

Joker
Arthur Fleck arbeitet als Clown und möchte die Menschen zum Lachen bringen.

Joker: Die Handlung

Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) hat viele Probleme. Der geistig nicht gesunde Mann muss oft in völlig unpassenden Momenten lachen, kann sich auf seine Sinne nicht verlassen und hat einen lausigen Job als Mietclown für Geburtstage und Geschäftseröffnungen. Gemeinsam mit seiner Mutter (Frances Conroy) lebt er in einer schäbigen Mietwohnung. Und so etwas wie Freunde hat Arthur ebenfalls nicht. Auch wenn ihm die hübsche Nachbarin Sophie (Zazie Beetz) durchaus gefallen würde. Und er träumt davon, eines Tages ein großer Comedian zu sein – wie sein Vorbild Murray (Robert De Niro).

Doch das Schicksal meint es weiterhin nicht gut mit Arthur. Er wird bei der Arbeit verprügelt, verliert fast seinen Job und gerät eines Nachts bei der Heimfahrt mit der U-Bahn sogar mit ein paar arroganten Schnöseln aneinander, die sich einen Spaß daraus machen, den heruntergekommenen Clown zu verprügeln. Doch diesmal steckt Arthuer nicht zurück, diesmal trifft er eine Entscheidung, die sein Leben für immer verändern soll …

Joker: Phoenix über allem

Bevor man zu diesem Film irgendetwas anderes sagt, muss man einfach Joaquin Phoenix feiern. Was der inzwischen 44-jährige Schauspieler hier abliefert, gehört sicherlich zu den besten Arbeiten in seiner an guten Rollen nicht armen Karriere. Schon das krampfhafte Jokerlachen, das Arthur weder kontrollieren noch unterdrücken kann, bis es schließlich in einem Krächzen verendet, jagt dem Publikum Schauer über den Rücken. Und seine Darstellung der ausgemergelten, psychisch schwer gestörten Zeitbombe lässt sicher kaum jemanden kalt.

Dazu gelingt es Phoenix, dem Publikum in jeder Phase des Films Mitleid abzutrotzen, als geprügelter Clown ebenso wie als irrer Killer. Da Phillips seinen Film komplett auf die One-Man-Show von Phoenix abstellte, der deutlich mehr an Werke wie „Taxi Driver“ erinnert als an aktuelle Comic-Umsetzungen, muss der Schauspieler den Film allein stemmen. Und das tut er in einer Weise, die absolut beeindruckend und immer emotional aufwühlend ist. Was sich über manch andere Entscheidungen des Films nicht sagen lässt.

Joker
Zu Nachbarin Sophie entwickelt Arthur ein zartes Band. Hält ihn das in der Realität?

Joker: Zu viel Comic-Nähe

Dieser Joker hätte als eigener Film über einen Mann, der langsam zum Monster wird, auch völlig ohne Comicbezug funktioniert. Wie Taxi Driver das ja auch tut. Leider schrieb Phillips ein paar Charaktere aus den Comics in den Plot – und diese Sub-Story ist die schwächste im ganzen Film. Ohnehin hat Joker ein Problem, das die Autoren der Comics seit fast 80 Jahren erkannten und deshalb unberührt ließen: Das Erklären der Figur nimmt ihr so viel von dem Schrecken, dass selbst der brillante Phoenix am Ende keine Angst mehr verbreitet.

Hier hat Christopher Nolan den Charakter besser verstanden, weil er seinen Joker über dessen Entstehungsgeschichte sogar noch Scherze reißen lässt. Phillips baut seine Story mit nicht immer gutem Tempo langsam auf und setzt auf Phoenix. Eine herausragende Wahl, dennoch hätte der Film die Nähe zum Comic-Universum nicht gebraucht – sie schadet ihm sogar. Denn würde der Zuschauer nicht schon vorher wissen, wo Arthur am Ende steht, Joker hätte durchaus spannender sein können als er ist.

Sein Verstörungspotenzial, das der Film durchaus hat, liegt an Todd Phillips‘ klugem Spiel mit düsteren Sichtweisen auf die aktuelle Gesellschaft. Und an einigen Nebenfiguren, die Arthurs Sturz in die Tiefe seiner kranken Seele auf imposante Art beschleunigen. So bleibt die nachtschwarze Charakterstudie eines zutiefst bemitleidenswerten Charakters beeindruckend. Mit einer Comicverfilmung hat das aber wenig zu tun. Denn hier ist weit und breit kein dunkler Held in Sicht, der diesen Wahnsinn stoppen könnte. Es bleibt nur Chaos.

Fazit:

Ein herausragender Joaquin Phoenix veredelt eine sehenswerte Charakterstudie. Die sich aber mit ihrer mitunter verkrampft wirkenden Nähe zum DC-Universum selbst im Wege steht. Während der Hauptdarsteller uneingeschränkt begeistern kann, was in solch einem Film bereits sehr viel bedeutet, offenbart das Drehbuch von Todd Phillips aber ein paar Schwächen, die dafür sorgen, dass sich der Begriff Meisterwerk trotz einiger intensiver und herausragender Momente nicht durchgehend aufdrängt. Ein starkes Drama bleibt Joker aber immer.

Joker startet am 10. Oktober 2019 in den deutschen Kinos.

Joker
Nach dem U-Bahn-Vorfall ändert Arthur langsam seine Einstellung zum Leben – vor allem dem von anderen.