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Filmkritik: IO

Irgendjemand bei Netflix scheint eine Schwäche für Weltuntergänge zu haben. Denn nach einem halben Dutzend Filme im vergangenen Jahr, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Ende der Menschheit beschäftigt haben, legt der Streaming-Dienst früh im Jahr 2019 nach. Kann „IO“, in dem die Erde weitgehend unbewohnbar geworden ist, interessante Antworten auf große Fragen geben? Will er das überhaupt?

Man kann über Netflix sagen, was man will. Viele bemängeln die fehlende Qualität vieler eigenproduzierter Filme, die mit den Netflix-Serien meist nicht mithalten können. Andererseits entstehen dadurch auch Filme, die es sonst womöglich nie gegeben hätte. Denn hier können Filmemacher und Drehbuchautoren auch sehe ungewöhnliche Geschichten erzählen, die im Kino wohl keine Chance bekommen hätten. Auch IO hätte es ziemlich sicher nie auf die große Leinwand geschafft. Ist er deshalb schlecht?

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Die junge Forscherin Sam wird von einem landenden Ballon aus ihrem Alltagstrott gerissen.

IO: Die Handlung

Die Erde ist durch Umweltverschmutzung fast unbewohnbar geworden. Die junge Sam (Margaret Qualley) lebt in einem Forschungszentrum in den Bergen, wo es noch genug saubere Luft gibt, doch die Niederungen mit all den großen Städten liegt in einem ständigen Nebel, der für Menschen nicht atembar ist. Die Forscherin gibt aber nicht auf, sammelt akribisch Boden- und Wasserproben und setzt tägliche Experimente am eigenen Körper fort, um zu testen, wie toxisch die Erde noch immer ist.

Kontakt zum Rest der Menschheit hat sie nur per Mail, den das Gros der Überlebenden hat sich auf eine Raumstation in der Nähe des Jupitermondes IO zurückgezogen und will von dort Schiffe ins All senden, um eine neue Heimat zu finden. Eines Tages taucht ein Ballon am Himmel auf, dem der Überlebende Micah (Anthony Mackie) entsteigt. Der hat den Auftrag, Sams Vater, einen berühmten Wissenschaftler abzuholen. Denn das letzte Shuttle in Richtung IO hebt in wenigen Tagen ab …

IO: Nur am Rande Science Fiction

Wenn zu Beginn des Films die junge Sam sich mit Schutzanzug in der Stadt umsieht und überall Proben sammelt, dann vermittelt IO den Eindruck, ein Science Fiction-Film wie „I Am Legend“ zu sein, der sich mit der möglichen Rettung der Erde beschäftigt. Und in den ersten 20 Minuten hat der Zuschauer auch kaum eine andere Chance, als genau das anzunehmen. Doch letztlich erweist sich der Film diesbezüglich als Mogelpackung. Denn im Kern ist IO keine Sci-Fi-Saga, sondern eine Liebensgeschichte. Wenn auch eine ungewöhnliche.

Sam kennt die Ede von früher nur aus Erzählungen ihres Vaters und später Micahs. Dennoch entbrannte sie irgendwann in tiefer Liebe zum Planeten und der darauf lebenden Menschheit. Sie ist entzückt von Poesie und Lyrik, Kunst und Natur. Und sie kann sich das Verlassen des Planeten kaum vorstellen, selbst als ein Sturm fast alle ihre Forschungen vernichtet. Und dann ist da auch noch Micah, der erste andere Mann, den Sam nach ihrem Vater sieht. Denn mit Elon, einem Techniker von IO, verbindet sie nur eine gesichtslose Brieffreundschaft.

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Aus ihm steigt Micah, der den Auftrag hat, Sams Vater zum letzten Shuttle zum Jupitermond IO zu bringen.

IO: Sehr spröde Erzählung

Und so ist die völlig unerfahrene Sam ihren Gefühlen und Hormonen völlig ausgeliefert und kann sich dem älteren Mann auf Dauer nicht entziehen. Doch auch diese Liebesgeschichte wird derart zurückhaltend von Regisseur Jonathan Helpert inszeniert, dass der Zuschauer sich schon sehr aktiv auf eine Story einlassen muss, die kaum zu erkennen ist. IO klopft nur äußerst leise an die Tür, statt sich mit kräftigen Schlägen bemerkbar zu machen und dürfte durch diese spröde Art der Erzählung definitiv nicht jedermanns Sache sein.

Denn die Annäherung der beiden verletzten und vorsichtigen Charaktere zieht sich trotz der nur 90 Minuten Laufzeit lange dahin, und fehlende Kulissen – der Film spielt nur auf der Station und der nebeligen Stadt – helfen auch nicht, das Publikum zu begeistern. Stattdessen gibt es vielsagende Blicke, schöne Zitate aus Klassikern der Weltliteratur und eine Meta-Ebene mit den letzten überlebenden Tieren. Das kann man durchaus mögen, aber der Durchschnitts-Zuschauer, der aufgrund des Trailers einen Sci-Fi-Film erwartet, dürfte enttäuscht sein.

Denn das Drehbuch-Trio verbreitet zwar mit manchen kleinen Ideen einen gewissen Optimismus, was die Zukunft der Menschheit angeht, und liefern eine Liebeserklärung an die schönen Künste ab, schafft aber lediglich im Finale einmal eine Szene, die das Publikum wirklich aufregt und überrascht. Und das ist für 90 Minuten doch recht wenig. Daher ist IO nur ein Film für Leute, die sich lieber einen Autoren- als einen Actionfilm ansehen und mit leisen Tönen und Gesten etwas anfangen können – mehr bietet IO nicht.

Fazit:

IO lässt sich als Film kaum in ein Genre einordnen, obwohl der Trailer das eine oder andere verspricht. Und wird so sicher mehr Zuschauer verärgern als verzaubern, obwohl der Film im Kern eine Liebeserklärung an das Leben und die Kunst ist. Die fällt allerdings derart spröde aus, dass man sich auf diesen Film sehr stark einlassen muss, um ihn nicht gähnend langweilig zu finden. Denn IO gibt sich keinerlei Mühe, sein Publikum zu unterhalten und so in die Handlung zu ziehen. 

IO läuft ab dem 18. Januar 2019 bei Netflix.

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