Free Guy

Filmkritik: Free Guy

Eigentlich hätte es „Free Guy“ nicht geben sollen. Denn als Disney den Konkurrenten Fox aufkaufte – und damit auch 20th Century Fox – war die Ryan Reynolds-Action-Komödie noch in der Entwicklung. Und somit so gut wie tot, da die meisten noch nicht gedrehten Filme sofort eingestellt wurden. Doch die Leute von Disney begutachteten das Projekt und gaben dann doch grünes Licht für den deutlich über 100 Millionen Dollar teuren Film. Möglicherweise auch deshalb, weil der Star voll hinter dem Projekt stand und sogar selbst als Produzent auftrat. War das eine gute Entscheidung des Konzerns? Das verrät die Kritik.

Free Guy
Guy und Buddy machen sich keine großen Gedanken über das Leben – den sie sind Videospiel-Figuren.

Die Handlung

Guy (Ryan Reynolds) ist ein echt netter Kerl. Gemeinsam mit einem Goldfisch bewohnt er eine sehr sterile Wohnung, hängt gern mit seinem Kumpel und Kollegen Buddy (Lil Rel Howery) ab, der wie Guy selbst bei einer Bank arbeitet, und denkt oft über das Leben nach. Was eigentlich erstaunlich ist, denn Guy ist kein Mensch – sondern ein programmierter Charakter in einem Videospiel. Und Free City ist ein extrem gewalttätiges Spiel. Die menschlichen Spieler, zu erkennen an ihren Sonnenbrillen, müssen ständig Raubzüge begehen und Baken überfallen, weshalb Guys Alltag von Gangstern geprägt ist. Eines Tages läuft ihm eine geheimnisvolle Frau (Jodie Comer) über den Weg – und Guys Leben ändert sich völlig.

Denn sie hält ihn für einen echten Spieler und gibt ihm den Tipp, sich mal eine Sonnenbrille zu besorgen. Als Guy die hat, entdeckt er plötzlich, was seine Welt wirklich ist – und beginnt mitzuspielen. Allerdings nicht als der Böse, sondern als guter Kerl. Bald löst Guy mit seinem Verhalten einen viralen Sturm der Begeisterung aus. Viele Twitcher und Youtuber feiern den neuen coolen Typen als echten Helden. Doch für Guy geht es nicht um Ruhm, sondern um Liebe. Aber kann sich eine Spielfigur wirklich in einem Menschen verlieben? Der Free City-Programmierer Keys (Joe Keery, „Stranger Things„) hat eine Ahnung, was mit dem Non-Playable-Character (NPC) nicht stimmt. Und dessen Boss Antwan (Taika Waititi) will Guy am liebsten ganz aus dem Spiel haben …

Komödie auf Top-Niveau

Glückwunsch, Disney! Selten war die Entscheidung, ein bereits bestehendes Projekt am Leben zu erhalten, statt es auf Eis zu legen, so gut wie hier. Mit Free Guy legt Ryan Reynolds, der allerdings langsam beginnt, sich wie einst Jack Nicholson nur noch selbst zu spielen, eine weitere großartige Comedy-Vorstellung hin. Als eine Art „Deadpool“ in der familienfreundlichen Version redet er zwar viel, aber die Gagdichte ist in diesem Film ebenso hoch wie die Qualität der Witze. Und so macht es großen Spaß, Guy bei seinen ehrgeizigen Plänen zuzusehen. Denn Spaß ist hier garantiert, vor allem für erfahrene Gamer in Spielen wie „GTA“ oder andere MMOs, die über einige der Witze noch viel herzhafter lachen können als Zuschauer, die mit Videospielen wenig am Hut haben.

Denn die beiden Drehbuch-Autoren Matt Lieberman („The Addams Family“) und Zak Penn („The Avengers“, „Ready Player One„) bauen bekannte Bugs aus Spielen hier als treffende Gags ein, zum Beispiel Platzhalter statt Namen oder Texten, weil die einfach noch nicht fertig sind. Die Gags stehen und fallen natürlich mit den Darstellern, die sie transportieren sollen – und hier beweist Regisseur Shawn Levy („Eine Nacht im Museum“) ein glückliches Händchen. Denn nicht nur Ryan Reynolds setzt seine Pointen treffsicher, auch Taika Waititi, der nach der Hitler-Rolle in seinem Film „Jojo Rabbit“ erneut einen Fiesling spielt, funktioniert als schurkischer Entwickler ganz ausgezeichnet.

Ryan Reynolds
Als Guy herausfindet, in was für einer Welt er wirklich lebt, ändert sich für ihn alles.

Spaß mit viel Gefühl

Doch trotz aller Comedy ist Free Guy im Kern eigentlich eine Romanze. Und die ist derart originell geschrieben und modern verpackt, dass man hier kaum anders kann, als seinen Spaß zu haben und dennoch auch emotional in die Story einzutauchen. Wenn Guy mit allem, was er hat, für eine unmögliche Liebe zwischen Mensch und Programm kämpft, rührt das tatsächlich an, obwohl es oft brüllend komisch ist. Dazu stimmt die Action. Zwar verpackt Levy auch die oft in ein reichlich skurriles Outfit wie einen riesigen rosa Hasen, doch die Szenen sind stets gut gemacht und derart übertrieben (wie das in Spielen eben häufig so ist), dass der Film nie an Tempo verliert und seine Helden von einer Gefahrensituation in die nächste wirft.

Zudem schafft es Levy, Free Guy fast noch teurer aussehen zu lassen, als er tatsächlich war. Die Illusion, im Inneren eines Videospiels zu sein, gelingt Levy perfekt. Und die beiden Autoren steuern genug schräge Ideen bei, wie sich das optisch und inhaltlich zeigen könnte, um einen überaus gelungenen und runden Film zu schaffen. Reynold ist dabei wieder einmal der mega-sympathische Charakter, der diesmal sogar einen inhaltlichen Grund bekommt, nicht sonderlich tiefgründig zu sein. Jodie Comer hält sich als weibliche Hauptfigur auch deshalb wacker gegen Reynolds, weil auch sie eine komödiantische Ader hat. Und Joe Keery wiederholt seine Paraderolle des sympathischen Loosers aus Stranger Things so ansprechend, dass er schnell die Zuschauerherzen gewinnt.

Jodie Comer
Das liegt auch daran, dass Guy mit Molotov Girl die Frau seiner Träume trifft.

Ganz im Ernst: Wie gut muss ein Film sein, der einen dazu bringt, einen alten Mariah Carey-Song zu mögen? Genau!

Fazit:

Mit Free Guy legt Shawn Levy um seinen Star Ryan Reynolds herum einen derart einfallsreichen, witzigen und gleichzeitig romantischen Plot vor, dass er schon ohne die gigantischen Effekte mitreißend wäre. Das Videospiel, das hier zum Leben erwacht, ist so voller Leben und Spaß, dass dagegen selbst die reale Welt Mühe hat mitzuhalten. Besonders beeindruckend ist neben dem Tempo, das stets passt und die Story nie zu schnell oder langsam erzählt, vor allem die ungewöhnlich hohe Trefferquote der Gags. Hier ist tatsächlich fast alles gelungen und witzig, Ohne wenn und aber eine der besten Komödien des Jahres, die dazu sogar noch zu Herzen geht. Absolute Empfehlung!

Free Guy startet am 12. August 2021 in den deutschen Kinos.

Joe Keery
Doch die heißt eigentlich Millie und ist ein echter Mensch – im Gegensatz zu Guy.