Superhelden sind so angesagt wie nie – das haben DC und vor allem Marvel in der vergangenen Dekade eindrucksvoll beweisen. So schwer kann das doch nicht sein, dachte sich da wohl auch Regisseur Felix Binder und setzte seine Idee „Freaks – Du bist eine von uns“ mit der Hilfe von Netflix in die Tat um. Dass Drehbuch steuerte Marc O. Sang, wie Binder Teil des „Club der Roten Bänder“-Teams, bei. Ist es wirklich so einfach, eine packende Superhelden-Story auf die Beine zu stellen? Das verrät die Kritik.
Wer die Filme ab „Iron Man“ verfolgt hat, der weiß – neben den guten und zum Teil extrem witzigen Drehbüchern, ist es vor allem die Optik, die einen guten Superhelden-Film ausmacht. Die heutigen Möglichkeiten eine fliegende Rüstung, einen Donnergott oder einen großen grünen Muskelberg absolut glaubhaft zum Leben zu erwecken, macht viel vom Erfolg Marvels aus. Und doch sind es auch die guten Dialoge und perfekt sitzenden Gags, die Marvel zu etwas Besonderem machen. Kann Freaks da wirklich mithalten?
Freaks: Die Handlung
Seit Wendy (Cornelia Gröschel) als Kind ein traumatisches Erlebnis hatte, ist die Imbissbuden-Angestellte in Behandlung bei der Ärztin Dr. Stern (Nina Kunzendorf). Obwohl die Ehe mit ihrem Mann und das Leben mit dem gemeinsamen Kind gut läuft, gibt es immer wieder Geldprobleme, die Wendy belasten. Als eines Abends ein Obdachloser (Wotan Wilke Möhring) ihr erklärt, dass sie etwas Besonderes sei und Fähigkeiten hätte, die Sterns Tabletten unterdrückt würden, hält sie den Mann für einen Spinner. Doch dann springt der von einer Brücke.
Als er am nächsten Tag völlig unversehrt auftaucht, obwohl er von einem Lkw überrollt wurde, beginnt Wendy umzudenken – und setzt die Tabletten heimlich ab. Bald machen sich Veränderungen bemerkbar: Wendy kann tonnenschwere Lasten heben. Und auch Kollege Elmar (Tim Oliver Schulz) lässt auf Wendys Rat seine Tabletten weg und verfügt wenig später ebenfalls über Superkräfte. Doch woher kommen die? Und wer steckt hinter dem Versuch, diese besonderen Kräfte durch Medikamente zu unterdrücken? Wendy ist neugierig …
Hopfen und Malz verloren
Netflix hat schon häufiger bewiesen, dass der Streamingdienst Geld in einen Film steckt, wenn er an den Erfolg glaubt. So gesehen bei Filmen wie „Bright“ oder jüngst „Project Power“. Wenn man danach geht, hatte Netflix wohl keine großen Hoffnungen, was Freaks angeht, denn das Budget reichte nur für wenige Superhelden-Momente – und von denen sehen längst nicht alle gut aus. Und dass, obwohl das Drehbuch die Kräfte vielleicht in weiser Voraussicht bereits optisch unspektakulär gehalten hat. Stärke, Unverwundbarkeit, Stromschläge – alles günstig machbar.
Doch bei Freaks liegt die fehlende Qualität nicht an den Spezialeffekten, sondern am extrem mäßigen Drehbuch. Eine Aneinanderreihung von Klischees und Dialogen, die den Zuschauer oft darüber im Unklaren lassen, ob er hier einen ernst gemeinten Superhelden-Film sieht oder eine Parodie auf das Genre. Ob die böse Ärztin, der verständnislose Ehemann oder frustrierte Held, der schließlich zum Schurken wird – das haben zahlreiche Film vor Freaks bereits so oder ähnlich erzählt – und die meisten davon besser. Hier passt nur wenig zusammen.
Freaks: Im falschen Film?
Das merkt man auch den Schauspielern an, die offenbar ebenfalls unsicher waren, ob Freaks lustig oder ernst werden sollte. So ist Tim Oliver Schulz, der in Club der Roten Bänder sein Können bewiesen hat, als verklemmter Elmar wenig überzeugend. Auch Wotan Wilke Möhring, der seine Vielseitigkeit schon oft unter Beweis gestellt hat, kann dem Superhelden wider Willen wenig interessante Aspekte abgewinnen. Lediglich Cornelia Gröschel merkt man so etwas wie Spaß an ihrer Rolle an, die aber auch nicht besser geschrieben ist als der Rest.
Und so fließt die ohnehin arg unoriginelle Handlung auch noch zäh und überraschungsfrei dahin. Keine einzige Figur erhält von Sang auch nur etwas Tiefe, über Herkunft der Kräfte und die Motivation der Ärztin, diese zu unterdrücken, erfährt der Zuschauer ebenso wenig wie über die anderen Hauptfiguren. Eigentlich wäre Freaks eher als Kinderfilm geeignet, hätte er nicht ein paar sexuelle Inhalte, die zwar letztlich harmlos sind, für Sechsjährige aber dennoch eher ungeeignet scheinen.
Dass es nicht unmöglich ist, in Deutschland einen Film mit Superhelden-Thematik zu drehen, beweisen Kinderfilme wie „Invisible Sue“, der seine Idee deutlich besser umsetzt. Der Versuch von Binder und Sang, endlich einmal etwas zu riskieren und sich zu trauen, in Deutschland einen Superhelden-Film für ein erwachsenes Publikum zu machen, ist ehrenhaft. Und hoffentlich nicht der letzte. Mir Freaks hat es aber leider überhaupt nicht funktioniert. Von den ohnehin oft mäßigen Netflix-Eigenproduktionen gehört dieser zu den Schwächsten.
Fazit:
Freaks – Du bist ein von uns ist leider ein X-Men-Klon für ganz arme Lichter. Hier funktioniert so gut wie gar nichts. Ein langweiliges, mit Stereotypen vollgepacktes Drehbuch ohne eine einzige frische Idee, seltsam lustlose Schauspieler und nur wenig Einsätze von Superkräften machen den Film zur Zeitverschwendung. Schade, denn sowohl Regisseur Felix Binder als auch Autor Marc O. Sang haben schon bewiesen, dass sie es viel besser können.
Freaks – Du bist eine von uns startet am 2. September 2020 bei Netflix.