Ein Mann inmitten lauter Frauen und Mädchen im schwülen Süden der USA: Colin Farrell ist Hahn im Korb, während der Bürgerkrieg tobt – und Nicole Kidman, Kirsten Dunst und Elle Fanning stehen Schlange. Kann „Die Verführten“ – der neue Film von Sofia Coppola – überzeugen?
Sie trägt einen großen Namen – und steht damit schon längst nicht mehr im Schatten ihres Vaters: Sofia Coppola hat sich seit ihrem Oscar für das Drehbuch von „Lost in Translation“ stetig weiter in der Hierarchie von Hollywood nach oben gekämpft und dabei ihre Unabhängigkeit bewahrt. Nun hat sie einen Stoff neu verfilmt, der bereits 1971 erstmals auf der Leinwand zu sehen war – damals mit Clint Eastwood.

Die Verführten: Die Handlung
Es ist 1864, der Bürgerkrieg in den USA tobt schon seit drei Jahren und wird noch ein weiteres dauern. Die wohlhabende Miss Martha (Nicole Kidman) hat in ihrem Gutshaus in Virginia einige Mädchen und junge Frauen aufgenommen und mithilfe der Lehrerin Edwina (Kirsten Dunst) deren Erziehung und Ausbildung übernommen. Sie führt ein gottesfürchtiges, strenges Regiment. Eines Tages findet eines der Mädchen im Wald einen verletzten Soldaten der Nordstaaten – einen Feind. Corporal McBurney (Colin Farrell) hat eine tiefe Wunde am Bein und wird bewusstlos ins Haus gebracht. Dort kümmern sich Miss Martha und Edwina um den Verletzten und versorgen seine Wunde – aus guter Christenpflicht. Nicht alle Mädchen sind damit einverstanden, doch nach ein paar Tagen haben sich alle mit der Anwesenheit des Soldaten arrangiert und werden neugierig auf den fremden Mann.
Vor allem die junge Alicia (Elle Fanning), die an der Schwelle zur Frau steht, sieht ihre Chance gekommen, ihre weiblichen Reize an McBurney auszuprobieren. Aber auch Mauerblümchen Edwina und die beherrschte Miss Martha haben Mühe, dem gut aussehenden Fremden mit seinen ausgezeichneten Manieren und seiner bescheidenen Dankbarkeit nicht allzu nahe zu kommen. Die Spannung unter den Frauen wächst stetig, während die Kampfhandlungen in der Ferne langsam abklingen …
Virtuose Bilder
Obwohl Sofia Coppola eine ordentliche Menge Stars vor der Linse versammelt hat, ist der Star des Films doch der Herr über die Optik: Was Kameramann Phillipe Le Sourd („Oscar-Nominierung für „The Grandmaster“) hier abliefert, könnte ihm wohl die nächste Nominierung einbringen. Wie ein Maler komponiert er Bilder der Wälder und Landschaften Virginias mit passendem Licht zu kleinen Kunstwerken. Und die machen mehr als deutlich, in welches Paradies der Soldat hier einbricht. Auch wenn die Ansicht im Verlauf der Handlung durchaus wechseln könnte, so wirkt er doch zu Beginn wie die Schlange, die als das Böse in eine unschuldige Welt einbricht.
Die Verführten basiert auf dem Roman „A Painted Devil“, der keinesfalls zu der Zeit entstand, in der er spielt, sondern erst ein paar Jahre vor der ersten Verfilmung 1971 erschien. Er ist ganz bewusst in einer prüden Zeit angesiedelt und zeigt die Frauen hier zwar nicht als Opfer, aber doch als fühlende Wesen mit körperlichem Verlangen. Diesen schlafenden oder gerade erwachenden Riesen weckt McBurney durch seine bloße Anwesenheit. Die Jahre ohne Männer haben die Mädchen neugierig und die Frauen sehr empfänglich für das andere Geschlecht gemacht. Und der Korporal aus dem Norden hält dieses Feuer in Gestalt des brillant aufspielenden Colin Farrell stetig aufrecht.
Ambivalenz statt Antworten
Und so erstickt das Haus bald in Schwaden von Hormonen, während der Krieg, den man ohnehin nie sieht, sondern nur hört, in immer weitere Ferne rückt. Nutzt der berechnende McBurney die Frauen nur aus, um sich in Sicherheit zu bringen? Oder verfolgen einige der Frauen nicht doch eigene Ziele mit dem naiven Soldaten? Für die sie ihre Skrupel über Bord werfen? Die Verführten bleibt dank der dichten Inszenierung von Sofia Coppola stets ambivalent und gibt seine Antworten nicht leichtfertig preis.

Dazu kommt das feine Spiel der durchweg starken Schauspieler. Hier wird vieles mit einer Geste, einem Blick, einer Bewegung erzählt und nur wenig in gesprochenen Worten. Dabei hält der Film ständig die Spannung. Denn dass sich die sexuelle Atmosphäre früher oder später in unschönen Bahnen entlädt, deutet Coppola schon früh an. Und so gelingt Sofia Coppola eine fein beobachtete, immer interessante Verfilmung des Stoffes, der allerdings Aufmerksamkeit erfordert. Denn so schön sie die Geschichte erzählt, so spröde sind viele Szenen geraten. Die Verführten ist kein Film, der den Zuschauer in einen Sog aus Leidenschaft zieht. Coppola macht den Zuschauer nicht zum Teil der Handlung, sondern lässt ihn als kühlen Beobachter außen vor: nur zusehen, nicht anfassen.
Und das ist letztlich seine Schwäche: Der Film funktioniert auf ästhetischer und intellektueller Ebene großartig, hat aber Defizite dabei, die Zuschauer auch emotional zu packen. Das ist Regisseur Don Siegel mit seinem Star Clint Eastwood 1971 etwas besser gelungen. Dennoch dürften die amerikanischen Filmpreise des kommenden Jahres diesen Film wohl nicht übergehen. Denn einige Leistungen hier sind definitiv Oscar-Material.
Fazit:
Intelligentes Kunstkino, das mit seinen Bildern verzaubert und tollen Schauspielern seine Geschichte in Nuancen und Andeutungen erzählt. Ein wenig packender hätte er aber ausfallen dürfen. Dennoch ist er für Kinofans, die lieber die elegant geführte Klinge als den Granatwerfer sehen möchten, bislang eine der Empfehlungen des Jahres.
Die Verführten startet am 29. Juni in den deutschen Kinos.
Doch lieber Action? Am gleichen Tag startet auch der federleichte Actioner „Overdrive„.
Mehr Lacher? Die Komödie „Girls Night Out“ läuft auch am 29. Juni an.
