Filmkritik: Der schwarze Diamant

Wer Adam Sandler aufgrund seiner seichten Komödien bislang nicht für einen richtigen Schauspieler hielt, muss umdenken. In „Der schwarze Diamant“ beweist er als spielsüchtiger Juwelier, dass deutlich mehr in ihm steckt als Filme wie „Der Typ mit dem Wasserschaden“ uns bislang glauben ließen. Kann der restliche Film mit Sandlers sehenswerter Performance mithalten? Oder ist die Zusammenarbeit zwischen Netflix und dem Avantgarde-Studio A24 eine unansehnliche Kopfgeburt? Das klärt die Kritik.

Verlierer – sie gehören zum amerikanischen Film dazu wie Revolver, Cowboyhüte oder Vietnam. Filme wie „Asphalt Cowboy“ oder „Die Ermordung eines chinesischen Buchmachers“ zeigen Figuren, deren tragisches Ende der Zuschauer bereits in der ersten Szene vor Augen hat – selbst wenn das dann gar nicht eintritt. Welchen Trip haben die Regie-Brüder Joshua und Benjamin Safdie für Netflix geschrieben und inszeniert? Kann Der schwarze Diamant mit den Großen des Gangsterfilms konkurrieren?

Der schwarze Diamant
Arno will von Howard sein Geld zurück – und er hat schlagende Argumente dabei.

Der schwarze Diamant: Die Handlung

Howard Ratner (Adam Sandler) ist ein New Yorker Juwelier, Jude – und ein notorischer Zocker, der wegen seiner Spielleidenschaft nicht nur seine Ehe mit Dinah (Idina Menzel) ruiniert hat, sondern auch bei einigen Buchmachern und Kredithaien tief in der Kreide steht. Doch nun wittert er seine große Chance. Nach monatelangen Verhandlungen hat er einen großen Fisch an Land gezogen – einen riesigen schwarzen Opal, der nach seiner Schätzung gut eine Million Dollar wert ist. Als Kumpel Demany (Lakeith Stanfield, „Get Out“) den Basketballstar Kevin Garnett in Howardss Laden bringt, geschieht etwas Seltsames.

Der NBA-Star verliebt sich in den seltenen Stein und will ihn unbedingt als Glücksbringer für sein nächstes Spiel kaufen. Doch Howard plant, den Opal bei einer Auktion loszuwerden, die deutlich mehr Geld bringen soll. Schließlich lässt er sich breitschlagen, Kevin den Opal zu leihen, wenn der ihm dafür den NBA-Meisterring als Pfand da lässt. Der Sportler willigt ein und nur Minuten später hat Howard den Rings schon als Sicherheit für weiteres Wettgeld verpfändet. Doch die Schläger seines Verwandten Arno (Eric Bogosian), dem er viel Geld schuldet, sind ihm auf den Fersen …

Der schwarze Diamant: Fiebriger Trip in die Tiefe

Nein, die Handlung ist es nicht, die diesen Film außergewöhnlich macht. Zwar ist die Story des Zockers, der sich immer tiefer in den Sumpf reitet, spannend und gut erzählt, doch das hat man schon häufiger gesehen. Frischer ist hingegen die Art und Weise, in der die Safdie-Brüder die Story erzählen. Mit viel Hip-Hop und Black Music unterlegt (The Weeknd spielt sich in einer Nebenrolle selbst), wird Der schwarze Diamant durch schnelle Schritte und permanentes durcheinander reden der Protagonisten zum fiebrigen, manchmal regelrecht anstrengenden Stakkato für die Sinne.

Das Zentrum bildet dabei Adam Sandler, der in so gut wie jeder Szene zu sehen ist. Und mit seinem permanenten Gerede wirkt wie ein dunkler Charakter von Woody Allen. Dabei geben die Safdies ihrem Antihelden ebenso wenig Pausen wie dem Publikum. Sie peitschen Howard durch die Handlung, jagen ihn von Ort zu Ort, immer mit einem Plan im Hinterkopf, wie er bereits schief gelaufene Deals durch Versprechen auf neue, bessere Geschäfte noch retten kann. Dass er sich dabei oft um Kopf und Kragen redet, ist nur eins seiner Probleme.

Der schwarze Diamant
Hatte Julia im Club Sex mit The Weeknd? Howard ist sich da ganz sicher – und stinksauer.

Der schwarze Diamant: Herausragender Adam Sandler

Mal versucht er, seine kaputte Ehe zu retten, weil ihn seine Angestellt und Geliebte Julia (Julia Fox) scheinbar betrogen hat. Mal muss er dringend mehrere tausend Dollar auftreiben, um mit seinem nächsten Geschäft voranzukommen. Oder mal eben nach Boston fahren, um seinen Stein zurückzuholen, der seine letzte Lebensversicherung ist. Die Art und Weise, wie Sandler diese Figur spielt, ist nicht neu. Die hektische Art, das das dauernde Reden, das sind typische Stilmittel für seine Komödien. Nur dass er sie diesmal für einen galligen, todernsten Film einsetzt.

Und das macht er tatsächlich herausragend gut. Er ist es, der letztlich dafür sorgt, dass Der schwarze Diamant dem Zuschauer unter die Haut geht. Dass er mit diesem eigentlich so schmierigen Looser mitfiebert und hofft, sein letzter Plan möge doch aufgehen. Und sein meist so vergebliches Streben nach dem schnellen Glück des schnellen Geldes endlich einmal Früchte trägt. Denn wenn Howard davon erzählt, was er erreichen will und wie er sich selbst sieht, beginnt Sandler, regelrecht zu leuchten. Hohe Schauspiel-Schule, die ihm sicher nicht jeder zugetraut hätte.

Der schwarze Diamant aber nur auf seinen Hauptdarsteller zu reduzieren, täte nicht nur dem blendend aufgelegten Cast Unrecht, sondern auch den Regisseuren. Denn sie tragen mit ihren zwar schnell geschnittenen, aber dennoch akribisch genau beobachteten Milieu-Studien extrem zum großartigen Gesamteindruck dieses Verlierer-Psychogramms bei. Und machen dem Publikum eindringlich klar, dass es ein Happy-End für jemanden wie Howard nicht geben kann – ob er nun seinen Kopf aus der Schlinge zieht oder nicht. 

Fazit:

Netflix hat es wieder getan! Nach grandiosen Filmen wie „Roma“ oder „Marriage Story“ bietet der Streaming-Dienst in Zusammenarbeit mit dem eigentlich auf Arthouse spezialisierten Studio A24 mit Der schwarze Diamant eine weitere Drama-Perle auf. Alleine Adam Sandlers wilder Ritt in die Dunkelheit ist bemerkenswert anzusehen, eine furiose Regie der Safdie-Brüder bringt die Story um einen unrettbaren Spieler auf ein Niveau, das so selten zu sehen ist. Die düstere Studie des glücklosen Glücksritters ist das Spielfilm-Highlight des Monats bei Netflix.

Der schwarze Diamant startet am 31. Januar 2020 bei Netflix.

Der schwarze Diamant
NBA-Star Kevin will bei Howard einkaufen. Doch der will den schwarzen Opal auf keinen Fall hergeben.