Böser Einfluss

Filmkritik: Böser Einfluss

Im Gegensatz zum deutschen Kino, aus dem seit Jahrzehnten kaum noch Horrorfilme kommen, kann Spanien auf einige Genre-Perlen aus dem Horror- und Thrillerbereich zurückblicken. Ob der bärenstarke Zombiereißer „REC“ oder der intelligente Thriller „The Body“, ein paar junge Klassiker des Spannungskinos dürfen sich die spanischen Filmemacher auf ihre Fahnen schreiben. Gehört der für Netflix produzierte Horrorfilm „Böser Einfluss“ (im Original La Influencia“) ebenfalls dazu?

Kinder, die von übersinnlichen und bösen Wesen bedroht werden, das ist momentan ein Trend im Horrorfilm, der kaum zu übersehen ist. Ob Ari Asters „Hereditary“, der irische „The Hole in the Ground“ oder „The Prodigy“ aus den USA – das Thema ist beliebt. Allerdings können nur wenige Filme aus den vergangenen Jahren, die ihre Spannung aus bedrohten Kindern ziehen, wirklich überzeugen. Wie sieht es bei Böser Einfluss aus? Funktioniert der als Horrorfilm oder lässt er seine Zuschauer kalt?

Böser Einfluss
Die Schwestern Alicia und Sara erinnern sich nur ungern an ihre furchtbare Kindheit.

Böser Einfluss: Die Handlung

Vor vielen Jahren hatte Alicia (Manuela Vellés) ihr Elternhaus verlassen. Weil ihre Schwester Sara (Maggie Civantos) die im Koma liegende Mutter nicht mehr allein betreuen kann, kehrt Alicia nun mit Mann und Tochter Nora (Claudia Placer) in das Haus zurück, in dem sie als Kind den blanken Horror erlebte. Und den sie sehr erfolgreich verdrängen konnte, sodass sie kaum noch Erinnerungen daran hat. Auf den ersten Blick ist alles normal, doch schon bald muss Alicia feststellen, dass der böse Einfluss ihrer Mutter noch immer im Haus ist.

Während Alicia sich nur langsam wieder an das Grauen erinnert, das sie als Kind in ihrem Elternhaus erleben musste, scheint vor allem Nora in düstere Ereignisse verwickelt zu werden. Sie lernt in der Schule eine geheimnisvolles Mädchen kennen und spricht bald mit ihrer Großmutter, als sei sie tatsächlich mit ihr im Zimmer. Dabei liegt die alte Frau doch komatös für alle Zeiten an Geräte angeschlossen in ihrem eigenen Raum – oder doch nicht? Alicia kommen bald Zweifel. Und dann verschwinden plötzlich Menschen …

Böser Einfluss: Aus dem Süden nichts Neues

Das Drehbuch schrieb Regisseur Denis Rovira van Boekholt unter anderem zusammen mit dem britischen Horror-Schriftsteller Ramsey Campbell, aus dessen Feder untere anderem die Vorlage für den starken spanischen Horrorfilm „The Nameless“ aus dem Jahr 1999 stammt. Gute Voraussetzungen eigentlich für Böser Einfluss, der allerdings letztlich nicht viel mehr zu bieten hat, als eine ständig durchscheinende Blaupause von Hereditary. Ohne je dessen inszenatorische Klasse zu erreichen. Das Langfilm-Debüt des Spaniers strotzt vor Klischees, die andere besser eingesetzt haben als er.

Denn schnell macht der Film klar, aus welcher Richtung hier der Horror-Wind weht. Und lässt dann seine Protagonisten quälend lange nicht auf die gleichen Schlussfolgerungen kommen wie die Zuschauer. Obwohl die es nach ihren Kindheitserlebnissen dort sogar besser wissen müssten als das Publikum. Diese Diskrepanz stört sowohl den Spannungsaufbau des Films als auch die innere Logik der Geschichte deutlich. Denn sie macht Böser Einfluss extrem vorhersehbar – und das braucht man bei einem Horrorfilm nicht dringend.

Böser Einfluss
Denn ihre Mutter quälte die Kinder mit grauenvollen Ritualen.

Böser Einfluss: Holzhammer-Horror

Dazu nutzt van Boekholt viele sehr ausgetretenen Pfade der Inszenierung, um Horror zu erzeugen. Oder erzeugen zu wollen. Denn echte Fans wird er mit seinen oft nur aus dem Sound kommenden Jump-Scares sicher nicht beeindrucken. Ebensowenig wie mit seinen Figuren, die erheblich dümmer und blauäugigier agieren müssen, als das Publikum ihnen das eigentlich zutrauen muss. Allein, wäre ihr Verhalten logischer, die Story wäre nach einer Stunde spätestens vorbei. Und so wirkt Böser Einfluss über weite Teile unnötig gestreckt – und langweilig.

Den Schauspielern lässt sich dabei nur wenig Schuld zuweisen. Die wenigen Akzente, die sie setzen können, nutzen sie, allen voran Manuela Vellés, die als einzige einen halbwegs interessanten Charakter spielen darf. Ihre Angst und Verzweiflung sind die wenigen Momente, in denen der Film sein Publikum wirklich emotional erreicht. Fast der gesamte Rest des Films dürfte die meisten Zuschauer eher kalt lassen. Was auch an den vielen viel zu oft gesehenen Mitteln liegt. Okkulte Gegenstände und Tierschädel machen einfach keine Angst mehr.

Dabei ist Böser Einfluss keine totale Katastrophe, von Boekholt inszeniert immerhin routiniert und auch die Kamera fängt einige durchaus sehenswerte Bilder ein. Aber zu keinem Zeitpunkt gelingt es dem Film, aus dem Schatten seiner Ideengeber herauszutreten und irgendeinen neuen Beitrag zur dieser Art Story beizutragen – und sei er noch so klein. Für nicht zu anspruchsvolle Fans halbwegs akzeptables Horror-Fast-Food zum schnellen Konsumieren. Für Feinschmecker des Genres aber zum größten Teil wenig reizvoll.

Fazit:

Im Gegensatz zu einigen echten Perlen aus Spanien ist Denniv Rovira van Boekholts Langfilm-Debüt leider nur Horror von der Stange. Alles, was der Regisseur und Mitautor hier erzählt, gab es schon anderswo – und meist interessanter. Auch auf optischer Ebene kann Böser Einfluss durch seine vielen Klischees nicht überzeugen und rührt nur im gleichen Quark herum, der es sonst nur auf Direct-to-DVD-Auswertungen bringt. Nicht wirklich schlimm, aber auch nicht gut.  

Böser Einfluss startet am 1.. Oktober 2019 bei Netflix. (Film hat eine deutsche Tonspur)

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