Anna

Filmkritik: Anna

Nachdem sein Science-Fiction-Comic-Epos „Valerian“ floppte, wandte sich der französische Star-Regisseur Luc Besson wieder einem Genre zu, in dem er viele Erfolge feierte: dem Thriller. Mit „Anna“ schickt er einen ebenso schöne wie tödliche Spionin in den späten 80er Jahren in die Schlacht zwischen CIA und KGB, deren Kalter Krieg noch nicht völlig beendet war. Wie schlägt sich das russische Model Sasha Luss in seiner ersten Hauptrolle? Und kann Besson noch immer Action inszenieren wie kaum ein anderer europäischer Regisseur?

Wird Luc Besson im Alter vergesslich? Oder hat der 60-jährige mit voller Absicht den Plot seines eigenen Films „Nikita“ von 1990 deutlich kopiert? Fest steht, dass Fans des Regisseurs die Story von Anna schon mindestens einmal gesehen haben. Besson hat schon immer gern starke Frauen als Heldinnen seiner Filme inszeniert. Ob Milla Jovovich in „Das Fünfte Element“, Anne Parillaud in Nikita oder die junge Natalie Portman in „Leon, der Profi“. Und natürlich Scarlett Johansson als „Lucy“. Kann sich Anna mit diesen Filmen messen?

Anna
Die junge Anna steht als Agentin zwischen zwei Männern …

Anna: Die Handlung

Die junge Russin Anna (Sasha Luss) wird auf einem Moskauer Markt von einem Pariser Mode-Agenten entdeckt und vom Fleck weg engagiert. Bald hat die schön Blondine erste Shootings und macht sich in der Modewelt einen Namen. Doch Anna trägt ein Geheimnis mit sich herum, das einige Jahre in der Vergangenheit liegt und mit dem Geheimdienst-Agenten Alex (Luke Evans) zu tun hat. Denn der fand die junge Frau als Freundin eines drogensüchtigen Kriminellen und macht ihr ein Angebot, das sie nicht ausschlagen konnte.

Und nun ist Anna für den KGB als Killerin in der ganzen Welt unterwegs, ihr Pariser Modelleben ist auch nur eine Deckung für weitere Tötungsaufträge. Allerdings will Anna mit dem Killen auf Befehl endlich aufhören. Doch ihre Vorgesetzte Olga (Helen Mirren) will ihre beste Agentin nicht so einfach gehen lassen. Und als sich der CIA-Agent Leonard (Cillian Murphy) auf ihre Spur setzt, wird Annas Leben gleich aus mehreren Richtungen bedroht. Kann sie die Agentin aus dieser Falle herausfinden oder endet sie wie ihre Opfer?

Anna: Pralle Optik

Luc Bessons Filme sind bis auf wenige Ausnahmen in erster Linie auf Optik getrimmt – und dann erst auf Inhalt oder Tiefgang. In dieses Schema passt auch Anna, der optisch keinerlei Schwächen hat und einfach immer gut aussieht. Besson hat aber während seiner Arbeit an dem Film auch die Konkurrenz stets im Auge gehabt. Denn die Actionszenen sind ähnlich blutig wie die von „John Wick“ oder „Atomic Blonde“ – und auch ähnlich stark choreographiert. Ganz an die Originale von David Leitch und Chad Stahelski kommen sie nicht heran, aber viel fehlt nicht.

Ein wenig anders sieht es bei der Story aus. Hier packt Besson als Drehbuchautor wesentlich mehr Inhalt hinein als ein John Wick-Film das tut und orientiert sich neben Atomic Blonde, der dazu in der fast gleichen Zeit spielt, auch am im vergangenen Jahr erschienenen „Red Sparrow“. Den Realismus, den letzterer ausstrahlt, lässt Besson allerdings zugunsten einer immer schnellen und wendigen Story außen vor – Anna ist trotz historischen Bezügen reine Fiktion ohne irgendeinen Anspruch auf Glaubwürdigkeit. Anna will unterhalten – nicht mehr.

Anna
… dem sowjetischen Geheimdienstler Alex …

Anna: Story nichts Neues

Dennoch bleibt die Frage, warum sich Besson derart dicht an seinen eigenen Film Nikita gehalten hat. Denn „Junkie gerät durch Raubüberfall in die Hände der Regierung, die die Frau zum Killer ausbilden“, das ist hier nahezu deckungsgleich erzählt. Allerdings erzählt Besson seine neue Story ein wenig vertrackter, arbeitet mit Zeitsprüngen, die anfangs irritieren und erst ganz am Ende ihren Sinn enthüllen. Unterm Strich haben Nikita, das US-Remake „Codename: Nina“ und zwei TV-Serien ähnlichen Themas die Grundidee mehr als auserzählt.

Daher fehlt Anna ein wenig die Grundspannung, denn den Thrillerfreund erwartet schlicht nichts Neues. Weil aber ein Besson-Film eben auch viel Optik mitbringt, unterhält Anna dennoch fast durchgehend gut. Ein wenig Kritik muss Hauptdarstellerin Sasha Luss einstecken, die zwar als Archetyp der kühlen Blonden die exakt gleiche Rolle im Film durchaus ordentlich spielt und auch in den Actionsequenzen keine ganz schlechte Figur macht. Aber eben jede Szene, in der sie ein wenig wehr sein sollte als die eiskalte Killerin, nicht überzeugend spielen kann. Da hat eine ebenfalls kühle blonde Jennifer Lawrence in Red Sparrow deutlich mehr überzeugt. Wer über diese Limitierung hinwegsehen kann und sich einfach zwei Stunden lang tempo- und actionreich unterhalten lassen will, sitzt bei Anna definitiv im richtigen Film.

Fazit:

Zum ganz großen Wurf fehlt Anna ein wenig Frische, denn was Luc Besson hier auftischt, ist alles andere als neu. Er selbst hat die fast identische Story schon vor 30 Jahren verfilmt. Aber die ausnehmend hübsche Sasha Luss gibt eine coole Killerin ab, die Schauwerte reichen fast an John Wick oder Atomic Blonde heran. Und das Tempo hält Besson auch die ganze Zeit hoch. Dazu kommen, wie immer bei Besson, großartige Bilder, die einfach für das Kino geschaffen sind. Wer Spaß an einer altmodischen Story in frischer Inszenierung hat, wird bei Anna also auf seine Kosten kommen. Wer Realismus oder Tiefgang sucht, eher nicht.

Anna startet am 18. Juli 2019 in den deutschen Kinos.

Anna
… und dem CIA-Agenten Leonard. Aber will einer von beiden wirklich, dass Anna lebt?