Alles Geld der Welt

Filmkritik: Alles Geld der Welt

Der neue Film des britischen Regisseurs Ridley Scott handelt von einem Kriminalfall, der in den frühen 70er Jahren Furore machte. Der Enkel des reichsten Mannes der Welt war entführt worden – und Opa J. Paul Getty weigerte sich, auch nur einen Cent Lösegeld zu zahlen – obwohl er „Alles Geld der Welt“ besaß. Kann sich der Film nach Scotts sehr mäßigem „Alien: Covenant“ wieder sehen lassen?

Dass der 80-jährige, einst von Fans und Kritikern gefeierte Regisseur Ridley Scott einen richtig guten Film in die Kinos brachte, ist schon eine Weile her. In den vergangenen Jahren präsentierte er häufig Durchschnittsware – wenn überhaupt. Kann der Altmeister mit diesem historischen Stoff aus jüngerer Vergangenheit diese Negativserie brechen? Und seinen Fan wieder einmal einen packenden und sehenswerten Film bescheren?

Alles Geld der Welt
Nachdem bekannt wird, dass ihr Sohn entführt wurde, hat Gail in der Öffentlichkeit keine ruhige Sekunde mehr.

Alles Geld der Welt: Die Handlung

1973, Rom: Der 16-jährige J. Paul Getty (Charlie Plummer) wird mitten in der Stadt in einen VW-Bus gezerrt und verschwindet. Seine Mutter Gail (Michelle Williams) hält den Anruf erst für einen Scherz, wendet sich dann aber doch an ihren Ex-Schwiegervater J. Paul Getty (Christopher Plummer), den damals reichsten Mann der Welt, mit der Bitte, das Lösegeld von stolzen 17 Millionen Dollar zu zahlen. Doch Getty weigert sich, überhaupt eine Summe  zu zahlen. Stattdessen schickt er seinen Mann fürs Grobe, den Ex-CIA-Agenten Fletcher Chace (Mark Wahlberg), nach Rom zu Gail, um den Fall zu untersuchen.

Der macht vielversprechende Fortschritte, bis er durch einen früheren Scherz des Opfers plötzlich davon überzeugt ist, die Entführung sei nur gestellt und Paul wolle an das Geld seines Großvaters. Diese Fehleinschätzung sorgt nicht nur für schmerzhafte Folgen bei Paul, sondern bringt auch Gail endgültig gegen Getty Sr. und Chace auf. Als doch Spuren darauf hindeuten, dass sich Paul in der Hand skrupelloser Gangster befindet, versucht Chace alles, um seine Fehleinschätzung wieder gut zu machen …

Alles Geld der Welt: Der eiskalte Mogul

Obwohl er nicht die Hauptrolle spielt, ist der Charakter des J. Paul Getty doch der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Der Mann, der ebenso reich wie geizig war und selbst die grundlegendsten Spielregeln des emotionalen Zusammenlebens offenbar nicht kannte, sollte ursprünglich von Kevin Spacey gespielt werden. Doch nach dessen Skandal wegen sexueller Belästigung entschieden sich die Produzenten, sämtliche Szenen mit Christopher Plummer (nicht verwandt mit Charlie) als Getty neu zu drehen. Was dem 88-jährigen eine unerwartete Oscar-Nominierung einbrachte.

Und die ist verdient, denn Plummer spielt den Mann mit einer Eiseskälte, die selbst im Kinosaal die Temperatur herunterkühlt, ist dabei aber doch nie nur Monster, sondern immer auch Ergebnis seiner eigenen Historie. Und er verleiht der Figur sowohl eine diabolische wie auch eine tragische Seite. Nicht minder gut ist Michelle Williams als verzweifelte Mutter, die alles versucht, um ihren Sohn zu retten und dabei an ihrer Umwelt fast zerbricht.

Alles Geld der Welt
Obwohl J. Paul Getty vorgibt, seinen Enkel zu lieben, denkt er nicht daran, Lösegeld zu zahlen.

Alles Geld der Welt: Wenn das Drehbuch passt …

Er kann es noch! Wenn sich Ridley Scott nur auf seinen Job als Regisseur konzentriert und dazu ein gutes Drehbuch bekommt, dann können noch immer sehr sehenswerte Filme dabei herauskommen. Das beweist er mit Alles Geld der Welt sehr eindrucksvoll. Denn er setzt das gute Script des bislang eher unbekannten David Scarpa präzise um und vermeidet dabei jegliche eitlen Regie-Schnörkel. Ganz im Dienst der Geschichte inszeniert Scott sicher, aber zurückhaltend, und lässt die Schauspieler alle wichtigen Dinge der Story erzählen – verbal oder nicht.

Dabei lotet er präzise auch die Grautöne der Figuren aus, lässt die eine oder andere glaubhafte Wandlungen durchleben und schafft durch seinen Abstand zum Geschehen erst recht eine emotionale Verbindung zu den Charakteren. Scott lässt seinen Figuren Platz zum Atmen und Wachsen und fängt dadurch sehenswerte Szenen ein, in denen Charaktere wie der sanfte Paul, die kämpferische Mutter Gail oder Cinquanta, ein Entführer mit Gewissen, ihre großen Momente bekommen.

Bislang galt Scott eher als Regisseur, der mit Bildern, Licht und Kamera seine Storys erzählt statt mit seinen Schauspielern. Daher darf Alles Geld der Welt als Ausnahme gelten, in der er den Akteuren die Chance einräumt, die treibende Kraft des Films zu sein. Und die danken es ihm mit eindrucksvollem Spiel.

Fazit:

Mit Alles Geld der Welt gelingt Ridley Scott ein gutes Comeback nach zuletzt schwächeren Arbeiten. In zwei Stunden arbeitet er präzise und emotional packend alle Aspekte des realen Kriminalfalls heraus und lässt den Zuschauer an der Seite einer fast ohnmächtigen Mutter verzweifeln. Und dass Kevin Spacey die Rolle besser gespielt hat als Christopher Plummer, der für ihn einsprang, ist auch schwer vorstellbar. Pralles Schauspielerkino in einer für Scott ungewohnt zurückhaltenden Inszenierung.

Alles Geld der Welt startet am 15. Februar 2018 in den deutschen Kinos.

Alles Geld der Welt
Dem entführten Paul geht es immer schlechter.