SOlos

Serienkritik: Solos

Liegt es an „Black Mirror„? Seit einigen Jahren haben vor allem im Science Fiction-Bereich Anthologien wieder Hochkonjunktur, also Serien, in denen jede Folge für sich steht und eine abgeschlossene Geschichte erzählt. Nach der englischen Erfolgsserie, die inzwischen bei Netflix zu sehen ist, legte Amazon Prime mit „Philip K. Dicks Electric Dreams“ nach. Netflix konterte mit der wunderbaren Serie „Love, Death and Robots“. Vergangenes Jahr folgte auf Prime die halbe Anthologie „Tales from the Loop„, in denen sich die Folgen lose um eine Hauptstory rankten. Nun steht mit „Solos“ erneut bei Amazon Prime eine siebenteilige Sci-Fi-Anthologie in den Startlöchern, die mit absolutem Star-Ensemble aufwarten kann. Wie gut ist die neue Serie?

Die einzelnen Folgen

Tom

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Tom muss sich mit einem Klon auseinandersetzen – und will das nicht.

Die Handlung: Der erfolgreiche Geschäftsmann Tom (Anthony Mackie) unterhält sich mit seinem Klon, der einige wichtige Fragen an ihn hat. Dabei reflektiert Tom allmählich über sein Leben …

Fazit: Stark gespieltes, kleines Drama mit früher, tragischer Pointe.

Erwähnenswert: Anthony Mackie scheint sich langsam zum Charlton Heston des neuen Jahrtausends zu entwickeln. Heston drehte in den 60er und 70er Jahren viele Science-Fiction-Filme („Soylent Green“, „Planet der Affen“, „Der Omega-Mann“) und Mackie wandelt seit einigen Jahren auf dessen Spuren. „IO“, „Altered Carbon“-Staffel 2, „Black Mirror“-Folge 5.1, „Outside The Wire“ und „Synchronic“ gehören zu den aktuellen Arbeiten des Schauspielers, den die Welt als Sam Wilson alias The Falcon kennt.

Peg

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Peg fliegt durchs All – und denkt an lange vergangene Zeiten.

Die Handlung: Während die Rentnerin Peg (Helen Mirren) in einer Raumkapsel durchs All schwebt, erzählt sie der KI des Schiffes von ihren Kindheits- und Jugenderinnerungen – und den Dingen, die sie bereut …

Fazit: Toll gespielte, bittere Geschichte um verpasste Gelegenheiten.

Jenny

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Jenny hat Probleme mit ihrem Gedächtnis, aber auch Angst vor Erinnerungen.

Die Handlung: Die junge Jenny (Constance Wu) findet sich allein auf einem Fest wieder und erinnert sich, zu welch unerwarteten Ereignissen ihr ausgeprägter Kinderwunsch geführt hat …

Fazit: Starke Story mit böser Pointe am Ende. Constance Wu spielt großartig.

Sasha

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Sasha lebt schon lange in Angst vor einem Virus – und will das auch weiterhin.

Die Handlung: Um einer tödlichen Pandemie zu entgehen, hat sich Sasha (Uzo Aduba) bei einer Firma namens „Forever Home“ auf Lebenszeit in freiwillige Isolation begeben. Nun möchte die KI sie unbedingt ins Freie locken …

Fazit: Gute Story über Angst und krankhafte Formen davon, mit allerdings früh gezogener Pointe.

Leah

Solos
Leah sucht einen Weg in die Zukunft – aus gutem Grund …

Die Handlung: Leah (Anne Hathaway) forscht in ihrem Keller nach Möglichkeiten, durch die Zeit zu reisen. Das hat aber nicht nur wissenschaftliche Gründe …

Fazit: Anne Hathaway darf hier gleich mehrere Rollen übernehmen, die Folge hat aber auch inhaltlich viel zu bieten.

Nera

Nicole Beharie
Nera erwartet ein Baby, ist aber durch einen Sturm auf sich allein gestellt.

Die Handlung: Durch einen Blizzard von der Außenwelt abgeschnitten, ist die junge Nera (Nicole Beharie) gezwungen, ihr Baby allein zur Welt zu bringen. Doch ihr Sohn ist nicht wie andere Kinder …

Fazit: Die schwächste der sieben Storys. An den Haaren herbeigezogener Plot, der auch inhaltlich nicht überzeugt.

Stuart

Dan Stevens
Otto stattet dem alten Stuart einen Besuch ab – allerdings nicht aus Höflichkeit …

Die Handlung: Ein alter Mann (Morgan Freeman), der unter starker Demenz leidet, erhält Besuch von einem jungen Mann (Dan Stevens), der eine alte Schuld einfordern will …

Fazit: Grandios gespielte Episode um die Dinge, die im Leben wirklich von Bedeutung sind.

Erwähnenswert: Obwohl die Geschichten für sich stehen, hat Chefautor David Weil mit dieser Episode eine lose Klammer geschaffen, denn hier werden einige Ereignisse erwähnt, die der Zuschauer in vorangegangenen Episoden bereits gesehen hat.

Sci-Fi-Philosophiestunde

Auch wenn Parallelen zu Black Mirror durchaus vorhanden sind, so  unterscheiden sich beide Serien in anderen Belangen auch deutlich. Bei Black Mirror spielt die Technik meist eine sehr wichtige Rolle. Sie bringt oft eine Story erst ins Rollen und zeigt Probleme auf, die es ohne sie vielleicht gar nicht gäbe. Auch bei David Weil spielt Technik eine Rolle, schließlich ist Solos eine Sci-Fi-Serie. Aber hier steht der Mensch deutlich mehr im Vordergrund, Technik ist nur Mittel zum Zweck, aber meist nicht das Problem, um das es in der entsprechenden Episode geht. So ist es in der Folge Tom offenkundig möglich, Menschen zu klonen. Da es aber nicht wichtig ist, wie genau das funktioniert, spielt es in der Episode auch keine Rolle mehr. Auch das Raumschiff in der Folge Peg ist als Handlungsort vorhanden, ansonsten aber nicht von Belang.

Anne Hathaway
Hat Leah nach Jahren der Forschung endlich ihren Durchbruch erzielt?

Und auch die Künstlichen Intelligenzen, die in zwei Episoden wichtig sind, dienen als Gesprächspartner, ihre technischer Hintergrund ist aber egal. So setzt Weil als Serienschöpfer andere Prioritäten in seinen Storys und Ideen als sein Kollege Charlie Brooker, der Kopf hinter Black Mirror. Eine Frage, die sich beim Vergleich nicht stellt, ist, welche die bessere Serie ist. Denn die deutlichen Unterschiede verbieten das. Weil beschränkt sich auf einen bis zwei Figuren und einen Raum oder Ort, in dem sich alles abspielt – nicht umsonst heißt die Serie Solos. Black Mirror hat solche Vorgaben nie gehabt. Und wo sich Brooker die Frage stellt, wie die Technik den Menschen verändert, fragt sich Weil, welche Eigenschaften des Menschen ihn prägen und was Menschsein letztlich ausmacht. Beides dürfte seine Fans finden.

Gespielt ist jede einzelne Folge stark, auch wenn die letzte durch das Zusammentreffen von Morgan Freeman und Dan Stevens ein wenig herausragt. Aber auch Stars wie Helen Mirren oder Anne Hathaway zeigen großartige Leistungen und fesseln den Zuschauer von der ersten Minute an. Was fehlt, ist Humor – und das ist Absicht. Alle Geschichten von Solos sind zumindest melancholisch, manche auch wirklich traurig. Das sollte aber kein Grund sein, sich Solos nicht anzusehen.

Fazit:

Mit Solos liefert Serienschöpfer David Weil eine Sci-Fi-Anthologie ab, die sich bewusst in vielen Bereichen einschränkt. Die Fokussierung auf eine Person und einen Raum pro Episode sorgt für ein Gefühl von Essenz und schafft Momente, die im Gedächtnis bleiben. Das liegt zu einem guten Teil auch an den durchweg tollen Schauspielern, die hier vor der Kamera stehen. Lediglich eine Episode, die inhaltlich auch am ehesten eine Black Mirror-Folge sein könnte, fällt ein wenig ab. Mit der finalen Folge, die man auch zuletzt sehen sollte, bringt Weil dann noch einmal seine Antworten auf die großen Fragen des Lebens auf den Punkt. Für Zuschauer, die in Science-Fiction immer mehr gesehen haben als Raumschlachten oder Alien-Invasionen, ist Solos ein echter Leckerbissen.

Solos startet am 25. Juni 2021 bei Amazon Prime.

Helen Mirren
Peg erinnert sich an den ersten Jungen, der mit ihr ausgehen wollte.