Daisy Ridley und Tom Holland

Filmkritik: Chaos Walking

Schon 2017 drehte Regisseur Doug Liman („Edge Of Tomorrow“) seinen Film „Chaos Walking“ ab. Nach schwachen Testvorführungen erlaubte das Studio lange Nachdrehs, die sich dann noch verzögerten. Erst Mitte 2019 begannen die zusätzlichen Drehtage, danach verschwand der Film dennoch erst einmal im Giftschrank des Studios. Seit März 2021 kommt der Film nun langsam weltweit in die Kinos, am 17. Juni auch in Deutschland. Aber das Ganze hört sich so an, als sei der Film eine völlige Katastrophe. Ist das wirklich so? Das klärt die Kritik.

Chaos Walking
Der junge Todd wächst in einem Dorf voller Männer auf – und versucht, seinen Lärm zu kontrollieren.

Die Handlung

Mitte des 23. Jahrhunderts ist auf einem fremden Planeten eine menschliche Kolonie entstanden, deren Einwohner mittlerweile nur noch aus Männern bestehen und die wie im Wilden Westen mit Pferden und Pflügen mühsam Ackerbau und Viehzucht betreiben, Dazu kommt eine Eigenheit der neuen Welt: Die Gedanken von Männern werden um sie herum sichtbar und hörbar. Die Einwohner nennen das „den Lärm“ und nur die wenigsten, wie Bürgermeister David Prentiss (Mads Mikkelsen) haben gelernt, ihren Lärm zu kontrollieren. Der junge Todd (Tom Holland) hingegen, der auf einer Farm mit seinen beiden Adoptiv-Vätern lebt, hat noch Mühe, seine Gedanken so zu steuern, dass nicht ständig alles aus ihm herausbricht.

Als er eines Tages eine junge Frau namens Viola (Daisy Ridley) im Wald entdeckt, die offenbar mit einem Raumschiff über der Welt abgestürzt ist, erschreckt er sie entsprechend. Doch er kann sie überzeugen ihm in die Sicherheit der Siedlung zu folgen, denn die Aliens, die auch auf diesem Planeten leben, haben alle Frauen abgeschlachtet – und so ist auch Viola bedroht. Die kluge junge Frau stellt allerdings bald Fragen, auf die der sonst so clevere Bürgermeister keine Antworten hat. Und sie beschließt, von dort zu fliehen. Weil Todd sich ein wenig in sie verliebt hat, will er sie begleiten. Und das schleudert ihn mitten in ein lebensgefährliches Abenteuer …

Kein Hit, aber auch kein Debakel

Chaos Walking ist weit davon entfernt, ein perfekter oder auch nur großartiger Film zu sein. Ein völliges Desaster, zu dem manche Kritiker ihn gemacht haben, ist er aber auch nicht. Das fängt schon bei den Schauspielern an. Tom Holland spielt seinen Part nicht nur mit vollem Körpereinsatz und dürfte sich beim Dreh einige Schrammen zugezogen haben, er meistert auch die Rolle des naiven, aber nicht dummen Farmerjungen, der langsam ein paar erschreckende Fakten seines bisherigen Lebens aufdeckt. Daisy Ridley überzeugt als scheinbar zerbrechliche, aber sehr kluge Raumfahrerin ebenso. Und Mads Mikkelsen ist als zwielichtige Gestalt eigentlich immer eine Bank – so auch hier. Dass Chaos Walking dennoch kein großer Film geworden ist, liegt denn auch an anderen Dingen.

Es beginnt mit fehlenden Erklärungen. Der Lärm ist eine faszinierende Idee, die zumindest optisch meist auch gut umgesetzt wurde. Was fehlt, ist Hintergrund dazu. Warum gibt es den Lärm, warum befällt er nur Männer? Dazu gibt der Film keinerlei Informationen preis und macht die eigentlich so coole Idee immer uninteressanter, je länger der Film läuft. Dazu sieht das Drehbuch viel zu selten Momente vor, die den Nutzwert des Lärms in den Vordergrund stellen. Und so fragt sich der Zuschauer oft, warum in manchen Situationen nicht dies oder das passiert – wo es doch möglich wäre. Es mag daran liegen, dass die Roman-Trilogie von Patrick Ness, der auch das Drehbuch schrieb, diese Erklärungen erst in späteren Bänden enthüllt, für die Verfilmung des ersten Romans ist dieses fehlende Wissen aber frustrierend.

Chaos Walking
Viola hört Dinge, die sie zur Flucht aus dem Männerdorf veranlassen.

Wohin verschwand das Budget?

Die zwei Dinge, die man Chaos Walking am meisten ankreiden muss, sind aber andere. Zum einen präsentiert er dem Publikum ein relativ schwaches Finale, das nicht gerade vor originellen Momenten strotzt. Zum anderen sieht man die 100 Millionen Dollar, die der Film gekostet haben soll, leider überhaupt nicht. Dass der in vielen Szenen mit Computer eingebaute Lärm-Effekt so teuer war, ist schwer vorstellbar. Und weite Teile des Films spielen in der Natur, hauptsächlich in Wäldern, die exakt so aussehen wie die auf der Erde. Mit wenig Budget viel zu zeigen, das macht Sinn. Mit großen Budget wenig zu zeigen, hingegen nicht. Mitunter wirkt der große Studio-Film fast wie eine Independent-Produktion, so wenig Schauwerte präsentiert Chaos Walking seinem Publikum.

Dazu gerät das Drehbuch an einigen Stellen arg flach. Natürlich ist es grundsätzlich eine interessante Idee zu sehen, wie ein Junge sich wohl entwickelt, wenn er nur von Männern aufgezogen wird. Was Ness dazu eingefallen ist, bleibt aber in Klischees hängen und ist nur wenig überzeugend. Und auch den fiesen Priester, gespielt von David Oyelowo, schreibt Ness als stereotypen Fanatiker ohne ein eigenes Profil. Das klingt allerdings schlimmer, als es ist, denn Regisseur Liman macht aus dem mäßigen Script und den guten Schauspielern einen Film, der zwar keine Bäume ausreißt, den man sich aber dennoch gut ansehen kann. Vor allem das Western-Setting ist gelungen und könnte Fans des Genres durchaus ansprechen.

Chaos Walking
Denn der Bürgermeister hat mit der jungen Frau finstere Pläne.

Fazit:

Wenn ein Film so lange braucht, bis er in die Kinos kommt, gibt es dafür in der Regel Gründe. Auch Chaos Walking ist weit davon entfernt, ein rundum gelungener Film zu sein. Allerdings ist er auch längst nicht so schlecht, wie vor allem die Kritiken aus den USA behaupten. Denn unter Doug Limans Regie liefern die Schauspieler eine ansprechende Leistung ab, der Film präsentiert eine nicht klischeefreie, aber in sich stimmige Welt und es passiert auch genug, um das Interesse des Publikums an der Geschichte aufrechtzuerhalten. Wer Sci-Fi-Filme schätzt, in denen statt der Technik eine Idee im Vordergrund steht, sollte sich Chaos Walking nicht entgehen lassen. Und auch Western-Fans dürften dem Film etwas abgewinnen können.

Chaos Walking startet am 17. Juni in den deutschen Kinos.

Chaos Walking
Der fanatische Priester Aaron sieht in Viola eine Gefahr für das ganze Dorf.