Babylon Berlin Staffel 4

Serienkritik: Babylon Berlin Staffel 4

Mit der Verfilmung des Romans „Goldstein“ geht es in „Babylon Berlin Staffel 4“ weiter. Das ist zwar der dritte Roman von Volker Kutscher über die Fälle seiner Ermittler im Berlin der späten Weimarer Republik. Aber da der erste Roman in zwei Staffeln erzählt wurde, stimmt die Romanzählung nicht mit der der Serie überein. Staffel 4 erzählt also Roman Nummer 3 – und vieles mehr, das in dem Buch gar nichts steht. Es dauerte fast drei Jahre, bis die neue Staffel nun endlich startet. Und auch die Serie selbst macht einen Zeitsprung von gut einem Jahr. Ob Babylon Berlin auch mit den neuen Folgen das extrem hohe Serienniveau hält und worum es in der Staffel überhaupt geht, das klärt die Kritik.

Die Kritik zu Babylon Berlin Staffel 1+2

Die Kritik zu Babylon Berlin Staffel 3

Liv Lisa Fries
Als Charlotte Gereon als Teil des braunen Mobs entdeckt, bricht für sie eine Welt zusammen.

Die Handlung

In der Silvesternacht von 1930 auf 1931 bricht eine Kinderbande in ein Berliner Kaufhaus ein. Mit dabei ist auch Toni (Irene Böhm), die kleine Schwester von Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries). Da es nicht ihr erster Einbruch in ein Kaufhaus ist, sind die Jugendlichen bereits routiniert und haben ihren Spaß beim Klauen. Doch auch die Polizei hat aufgerüstet und heimlich Alarmsysteme installiert. So wissen die Beamten, dass der Einbruch läuft und schicken Einheiten los, um die Diebe endlich dingfest zu machen. Gleichzeitig findet ganz in der Nähe eine Aktion der Sturmabteilung (SA) der NSDAP statt. Denn die will unter dem Kommando von Walther Stennes (Hanno Kofler) nicht länger die Befehle von Adolf Hitler aus München folgen. Sie zerren jüdische Kaufleute aus ihren Geschäften und verprügeln sie auf offener Straße.

Als die Polizisten von Abschnitt 14 im Kaufhaus eintreffen, beginnt eine Jagd auf die Jugendlichen im Inneren. Toni kann sich mithilfe von Moritz (Ivo Pietzcker), dem Neffen von Gereon Rath (Volker Bruch) zwar retten. Aber sie muss mit ansehen, wie einer der Polizisten ihren Freund vom Dach abstürzen lässt – und sie wird dabei von ihm entdeckt. Während Toni vom Tatort flieht, kommt Charlotte als diensthabende Assistentin der Mordkommission dort an. Sie soll den Toten untersuchen, fotografieren und entscheiden, ob die offizielle Version der Kollegen, der Junge sei ohne Fremdeinwirkung auf der Flucht abgestürzt, ihre Richtigkeit hat. Dabei läuft sich Gereon in die Arme, der sich mittlerweile der SA angeschlossen hat und auf jüdische Mitbürger losgeht. Charlotte ist völlig geschockt …

Noch immer die beste deutschen  Serie

Vieles hat sich in Babylon Berlin Staffel 4 im Vergleich zu den Vorgängern nicht verändert. Noch immer ist die komplexe Erzählstruktur Teil der Serie, dazu kommen die handwerklich hochwertig gemachten Sets sowie die grandiosen Schnitte, mit denen die Macher zwei Szenen parallel zu erzählen pflegen – und die ein echtes Markenzeichen der Serie geworden sind. So sind auch die zwölf neuen Folgen wieder ein Rausch aus Bildern, interessanten Charakteren und guter Schauspiel-Leistungen. Zudem erzählen die Autoren, die sich mit Einverständnis des Schriftstellers Volker Kutscher nur sehr grob an Handlung und Charakterisierung aus den Romanen halten, gewohnt dicht eine Mischung aus tatsächlichen Ereignissen wie dem Stennes-Aufstand, clever platzierten Thesen wie der Nyssen-Raketenforschung und reiner Fiktion.

Hier offenbart sich aber auch eine Schwäche der neuen Staffel – sie ist etwas überladen. Denn diesmal haben die Macher derart viele Handlungsstränge in die zwölf Episoden eingeflochten, dass es die Serie kaum schafft, alle zufriedenstellend zu beenden. Dabei ist ausgerechnet die Story um Toni Ritter, obwohl für die Haupthandlung extrem wichtig, die langweiligste und bisweilen auch nervigste von allen. Denn sie bringt nicht nur einzelne Figuren der Serie dazu, höchst unglaubwürdige Dinge zu tun. Sie vermittelt auch den Eindruck, die bereits damalige Millionenstadt Berlin sei ein Dorf, indem man sich alle Nase lange über den Weg läuft. Dass dieser Teil der Handlung auch noch so abrupt endet, fühlt sich ebenfalls ein wenig unbefriedigend an. Da wäre mehr möglich gewesen.

Babylon Berlin Staffel 4
Gangster Goldstein (links) kommt aus den USA nach Berlin, um sein Eigentum zurückzufordern.

Chicago in Berlin

Sehr viel stärker gerät hingegen der Bandenkrieg zwischen den Berliner Ringvereinen, die bereits in Staffel 3 eine Rolle spielten. Dieser Erzählstrang sorgt nicht nur für die meisten Überraschungen der Staffel, sondern ist auch von allen am spannendsten inszeniert. Den Regisseuren gelingt es hier, den Gangsterfilm aus dem Hollywood der 30er Jahre wieder aufleben zu lassen. Und sie verbeugen sich damit in dieser Staffel nicht vor dem deutschen, sondern vor dem US-Kino der damaligen Zeit. Dazu erzählt die Staffel einen von Politik getragenen Handlungsstrang, in dem Gereon und Moritz als Teil der NSDAP fungieren, während zwischen den Nazis und den Kommunisten ein Wettlauf um sensible Daten tobt. Und dann ist da noch Goldstein, der Namensgeber des Romans.

Dabei handelt es sich um einen jüdischen Gangster aus New York, der aufgrund eines wiederentdeckten Schatzes, der einst seinem Vater gehört, nach Berlin reist. Und mit rabiaten Methoden gegen die Familie Nyssen vorgeht, die diesen Schatz nun als ihr Eigentum betrachtet. Auch diese Story hat Höhen und Tiefen. Dazu passt fast als eigene Geschichte die allgemeine Stimmung der Serie, die bereits mit einem starken Foreshadowing auf das Jahr 1933 und die Machtübernahme durch Hitler aufwarten kann. Und das Publikum so auf eine noch düstere fünfte Staffel einstimmt, auch wenn die bislang noch nicht bestellt wurde. Babylon Berlin war immer politisch, einen so breiten Raum wie diesmal hatten die verschiedenen Parteien und Strömungen aber nie.

Lars Eidinger
Unternehmer Alfred Nyssen plant im Jahr 1931 bahnbrechende Erfindungen – und eine Reise zum Mond!

Letztlich ist es aber diese Fülle an Themen, von denen einige nicht wirklich gut zu Ende gebracht werden, die Babylon Berlin Staffel 4, noch immer auf hohem Niveau, dennoch zur bisher schwächsten Staffel macht. Das liegt aber ausdrücklich nicht an den Hauptdarstellern, die erneut einen großartigen Job machen. Volker Bruch überzeugt ein weiteres Mal als von Schuldgefühlen und emotionalem Scheitern zerrissener Kommissar Rath. Liv Lisa Fries spielt die clevere und emotionale Charlotte Ritter von der Straße ebenfalls so intensiv wie zuvor und bleibt das schlagende Herz von Babylon Berlin. Und schließlich ist Lars Eidinger als leicht größenwahnsinniges Muttersöhnchen mit starkem Emanzipationswunsch und König Ludwig-Allüren unbedingt einen Blick wert.

Fazit:

Obwohl Babylon Berlin Staffel 4 wegen ihrer Themenüberfrachtung die bislang schwächste der Serie ist, bleibt das Jammern auf hohem Niveau. Denn sie Schauwerte sind wie immer immens, das handwerkliche Können aller Beteiligter beeindruckend und einige der Storylines extrem spannend. Selbst wenn manches nicht mehr so frisch wirkt wie noch zu Beginn der Serie, so ist das von starken Charakteren geprägte Gemälde der Zeit zwischen den Weltkriegen noch immer fast so hypnotisch und aufwühlend wie zu Beginn. Das macht das Mitfiebern mit Gereon Rath und Charlotte Ritter fast unvermeidlich. Da Volker Kutscher bereits acht Romane um das Ermittlerduo verfasste und dabei im Jahr 1936 angekommen ist, hätte die Serie noch Stoff. Und sollte eine fünfte Staffel kommen, man müsste dafür wohl Hitler casten.

Babylon Berlin Staffel 4 startet am 8. Oktober 2022 bei Sky und vermutlich im Herbst 2023 bei der ARD.

Babylon Berlin Staffel 4
Walter Weintraub tätigt am Silvesterabend eine teure Investition – die am nächsten Morgen tot auf der Parkbank sitzt.