Ragnarök

Serienkritik: Ragnarök

Marvel-Fans, die das MCU in englisch verfolgen, wird der Name bekannt vorkommen. Denn „Ragnarök“ wer der Untertitel des dritten Thor-Films, der hier als „Thor: Tag der Entscheidung“ in die Kinos kam. Der Begriff bezeichnet den Weltuntergang in der nordischen Mythologie. Die norwegisch-dänische Serienproduktion für Netflix nimmt diese Idee auf und würzt eine Krimihandlung mit Mystery-Elementen aus der Welt von Thor und Odin. Kann das tatsächlich funktionieren?

Was Marvel seinen Zuschauern bislang zeigte, kratzte nur an der Oberfläche der reichhaltigen Sagenwelt der Germanen und Wikinger. Ähnlich wie die griechische Mythologie bietet auch die nordische spannende Geschichten, die heute als gute Fantasy durchgehen würden. Die Serie Ragnarök mischt diese Mythologie mit ganz aktuellen Problemen der Welt und erzählt in sechs Folgen eine Story, die das Publikum so noch nicht oft zu sehen bekommen hat. Ist das Experiment der dänisch-norwegischen Produzenten geglückt?

Ragnarök
Die Teenager von Edda: Fjor, Isolde, Saxa, Gry, Laurits und Magne. Nicht alle von ihnen sind, was sie scheinen.

Ragnarök: Die Handlung

Magne (David Stakston) und sein Bruder Laurits (Jonas Strand Gravli, „22.Juli“) ziehen mit ihrer Mutter wieder in die Kleinstadt zurück, aus der ihre Eltern ursprünglich stammen. In Edda ist nur wenig los. Die Stadt wird von den Jütüls kontrolliert, einer reichen Familie, der die einzige ansässige Industrie gehört. Und bis auf die Schülerin und Umwelt-Aktivistin Isolde, mit der Magne sich bald anfreundet, scheint auch niemand ein Problem damit zu haben, dass Vidar (Gisli Örm Gardasson), seine Frau Ran und die Kinder Saxa und Fjor das Sagen haben.

Als Isolde bei einem angeblichen Unfall ums Leben kommt, erwacht in dem sonst so stillen Magne eine ungeahnte Wut. Weil die hiesige Polizei die offensichtlich merkwürdigen Umstände des Unfalls nicht untersuchen will und den Fall zu den Akten legt, wird Magne selbst aktiv und ermittelt. Dabei verliebt er sich nicht nur in Mitschülerin Gry, auf die auch Fjor ein Auge geworfen hat. Er kommt auch einem Komplott auf die Spur, das viel älter ist, als er sich das vorstellen konnte. Und woher kommen plötzlich seine immensen Kräfte? Ist Magne gar kein Mensch?

Ragnarök: Für die Story zu lang

Wer sich mit der nordischen Mythologie ein wenig auskennt, hat in dieser Serie definitiv mehr Spaß als andere, denn er ahnt früh, worum es hier eigentlich geht. Und sieht die Hinweise, die die Macher klug verstreut haben, schon sehr früh. Dennoch erreicht das Erzähltempo der Serie nie vergleichbare Produktionen. Recht gemächlich entdeckt Magne seine neuen Kräfte, erfährt der Zuschauer mehr über die eigenartige Familie der Jütüls und muss sich dabei mitunter arg gestelzte Dialoge zwischen den Jugendlichen auf der Schule anhören.

Dennoch entwickelt Ragnarök durchaus einen eigenen Reiz, den zwar sicher nicht jeder für sich entdecken wird, der gerade Fantasy-Fans aber durchaus gefallen könnte. Denn die Grundidee, angesichts immer stärker werdender Umweltverschmutzung und drohender Klimakatastrophe eine Erklärung dafür zu finden, warum Großindustrielle den Planeten zerstören, ist zwar kein tiefgehendes Drama, dafür aber ein so origineller Ansatz, dass er für ein paar starke Szenen sorgen kann. Und das bei sichtbar wenig Budget für eine Fantasy-Story.

Ragnarök
Für Magne und Laurits ändert sich mit dem Umzug nach Edda so einiges.

Ragnarök: Gute Schauspieler 

Das verdankt die Serie auch ihrem großartigen Casting. David Stakston als scheinbar eher tumber Geselle, der aber irgendwie mit dem alten Gott Thor in Verbindung steht, ist nicht nur eine schöne Verbeugung vor dem ebenfalls nicht unbedingt schlauen Thor der Marvel-Filme. Sondern auch ein höchst ungewöhnlicher Held. Strand Gravli spielt den Laurits (oder Loki?) als sehr klugen, aber nicht unbedingt freundlichen Zeitgenossen. Und die vier Jütüls passen allesamt großartig in ihre Rollen als undurchsichtige Mitglieder des mächtigen Klans.

Die beiden schlanken Blondinen strahlen genug Kälte und Arroganz aus, dem dunkelhaarigen und drahtigen Oberhaupt der Familie sieht man den rohen Willen zur Macht und die ständige Kampfeslust sehr gut an. Das kann zwar die mitunter arg unglaubwürdigen Dialoge und Verhaltensweisen einiger Figuren nicht aufwiegen, aber es macht dennoch Spaß, diese Figuren zu beobachten. Ebenso gut gelungen ist die Kameraarbeit, die den Fjord, in dem Edda liegt, je nach Situation in wunderschönes oder unheimliches Licht taucht. 

Der Krimiplot um die Umweltsünden in Edda und den Unfall von Isolde passt überraschend gut mit den Mystery-Elementen um die alten Götter und Sagen zusammen. So sorgt Ragnarök zwar nicht für eine großartige, aber zumindest unterhaltsame Zeit. Die nach dem Wunsch der Macher auch noch nicht am Ende ist. Zumindest lässt das Finale der Serie genug Raum für eine Fortsetzung. Ob die kommt, wird wie immer bei Netflix von den Quoten abhängen. Schlecht stehen die Chancen nicht.

Fazit:

Mit Ragnarök legt Netflix kein Meisterwerk vor. Dafür aber eine so originelle Story und gute Schauspieler, dass die Schwächen der Serie, ein mäßiges Erzähltempo und schwache Dialoge, nicht so sehr ins Gewicht fallen. Der Hybrid aus Krimi- und Mystery-Elementen dürfte allerdings weder reinen Crimefans, noch harten Fantasy-Freunden gefallen. Wer sich aber an interessanten Mischungen eigentlich wenig vereinbarer Storys erfreuen kann, sollte hier definitiv einen Blick riskieren. Es könnte sich lohnen.

Ragnarök startet am 31. Januar 2020 bei Netflix.

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