Das Klischee über die Briten besagt, dass sie das verklemmteste Volk Europas sein sollen, wenn es um Sex geht. Die neue Netflix-Serie „Sex Education“ spielt nicht nur mit diesem Vorurteil, sondern macht sie ausgiebig auch über andere Probleme beim körperlichen Miteinander lustig. Aber die Serie hat auch dunkle Momente. Wie gut ist das neue Dramedy auf der Streaming-Plattform ausgefallen?
Die Kritik zu Staffel 2 finden Sie hier.
Dass Netflix mit Sex und nackter Haut keine Probleme hat, hat der Anbieter schon mit vielen Serien gezeigt. Gerne dann, wenn es in der Show um Jugendliche oder junge Leute geht wie in „Elite“ oder „Sense8“. Auch Sex Education beginnt wie sonst eher eine HBO-Serie: mit einem jungen Paar, das Sex hat. Allerdings macht Serienschöpferin Laurie Nunn gleich hier klar, worum es in ihrer Serie geht: Wie schwierig es sein kann, eigentlich einfache Probleme zu lösen, wenn der eigene Körper und seine Bedürfnisse ins Spiel kommen.
Sex Education: Die Handlung
Der 16-jährige Otis (Asa Butterfield, „Ender’s Game“) hat es nicht leicht. Denn seine inzwischen allein erziehende Mutter Jean (Gillian Anderson) schleppt nicht nur jede Nacht einen neuen Lover ins Haus, der sich morgens auf der Suche nach der Toilette meist in Otis‘ Zimmer verirrt. Jean ist auch noch Sex-Therapeutin und bei diesem Thema die offenste und tabuloseste Frau, die man sich nur vorstellen kann. Otis fühlt sich so unter Druck gesetzt, dass er mit Taschentüchern und Handcreme sogar Masturbation simuliert, um nicht unangenehm aufzufallen.
Sein schwuler Kumpel Eric (Ncuti Gatwa) ist auch keine Hilfe, denn der hat mit seiner eigenen Sexualität und dem konservativen Vater genug Probleme. Doch dann taucht die eigentlich unnahbare Mitschülerin Maeve (Emma Mackey) in Otis‘ Leben auf und stellt fest, dass auch der Junior von Jean ein echtes Ass in Sachen Sexualberatung ist. Und auf der Schule gibt es jede Menge potenzieller Klienten, die Tipps in Sachen Sex bitter nötig haben. Otis und Maeve werden Geschäftspartner – bis Liebe und Sex dazwischen kommen …
Sex Education: Nicht nur lustig
Die achtteilige, erste Staffel von Sex Education lässt sich schwer in eine Schublade packen. Denn Serienschöpferin Nunn kümmert sich wenig um gängige Erwartungshaltungen. So ist die normale Länge für Comedy-Serien weltweit eigentlich 30 Minuten pro Episode. Hier sind es meist 45 bis 60 Minuten Laufzeit. Und auch als reine Comedy geht die Serie schwerlich durch, denn immer wieder reißt sie auch düstere und ernste Themen an. Und behandelt diese dann auch dementsprechend ernsthaft – ob Abtreibung, Mobbing oder Diskriminierung von Homosexuellen.
Allerdings gelingt es Nunn, von der die meisten Drehbücher stammen, auch immer wieder, absurd-komische Situationen aus eigentlich peinlichen Momenten zu schaffen. So ist beispielsweise die tumbe Nebenfigur Adam (Connor Swindells), Sohn des Schulrektors Mr. Groff (Alistair Petrie) immer wieder in der Lage, durch seine vollkommen missratenen Aktionen Lacher zu erzeugen, wenn er Ex-Freundin Aimee (Aimee Lou Wood) zurückerobern will. Otis, Maeve und Eric bleiben aber die eigentlichen Stars der Serie.
Sex Education: Britischer Humor
Zwar fällt Laurie Nunn zu ihren Hauptcharakteren nicht nur Originelles ein und verwurstet so manches Klischee. Aber Butterfield, Mackey und Gatwa machen daraus dennoch sehenswertes Fernsehen. Was auch am galligen, britischen Humor liegt, den alle drei hervorragend vermitteln. Wenn Otis beispielsweise in die Fänge von Abtreibungsgegnern fällt und selbst hier bald als Sex-Therapeut fungieren muss, ist das nicht nur gut geschrieben, sondern auch sehr witzig gespielt – wenn der Zuschauer den passenden Humor aufweist.
Denn die Autorin findet in ihrem Dramedy erstaunlich oft genau den richtigen Ton, um ihre Figuren nicht zu reinen Lachnummern verkommen zu lassen, die ernsten Töne aber auch nicht so zu übertreiben, dass der Humor auf der Strecke bleibt. So zeigen die Episoden drei und fünf eher dunklere Geschichten, während die drei anderen der vorab gezeigten fünf Folgen deutlich mehr lustige Momente aufweisen. Einen gewissen Fremdschäm-Faktor gibt es dabei meistens, aber die erstaunliche Offenheit der Serie sorgt auch für rührende Momente.
Dazu wartet Sex Education mit einem großartigen Soundtrack aus Indie-Pop und Rock der 80er auf, obwohl die Serie 2018 spielt. Und erinnert nicht nur deshalb in ihren besten Momenten an die Arbeiten von John Hughes („Breakfast Club“, „Pretty in Pink“). Daher sind gelegentliche Ausreißer in billigen Klamauk, vom dem die Serie leider nicht ganz frei ist, auch durchaus zu verzeihen. Denn insgesamt bringt dieser Sex-Unterricht wirklich viel Spaß und ist extrem charmant gespielt. Dazu macht er sich nie zu sehr oder zu böse über seine gebeutelten Figuren lustig.
Fazit:
Meist lustig, manchmal aber auch sehr dunkel, so präsentiert sich Sex Education, die neue Netflix-Serie aus England, dem Publikum. Bekannte Gesichter wie Gillan Anderson und Asa Butterfield glänzen ebenso in ihren Rollen wie die Newcomer Emma Mackey und Ncuti Gatwa. Fans von Dramedys dürften mit der respektlosen, aber auch liebevollen Betrachtung von Sex-Macken und Pubertäts-Problemen jedenfalls ihre Freude haben, denn Serienerfinderin Laurie Nunn kommt bei ihrer Gratwanderung zwischen Humor und Drama nur selten vom Weg ab.
Sex Education startet am 11. Januar 2019 bei Netflix.
Gesehen: Acht von acht Folgen