After Midnight

Filmkritik: After Midnight

Wann ist ein Film ein Horrorfilm? Wenn ein Monster darin vorkommt? Wenn Blut fließt? Wenn der Zuschauer sich erschreckt? All das bietet „After Midnight“ und dennoch ist der Film eigentlich eine Liebesgeschichte. Dass Liebe und Grusel gut zusammengehen, bewiesen Darsteller und Produzent bereits in der Monster-Lovestory „Spring“. Ist ihr neuer Film ähnlich gelagert oder erzählen sie hier doch eine ganz andere Geschichte? Das klärt die Kritik.

Was ist ein Monster? Eine Kreatur aus den Schatten? Ein mörderischer Irrtum der Natur? Oder vielleicht ein Wesen aus den Tiefen der eigenen Psyche? Dass ein Monster durchaus nicht immer das ist, was es auf den ersten Blick scheint, zeigte vor einigen Jahren „The Babadook“ ganz herausragend. Wer diesen australischen Geheimtipp nicht mochte, dürfte auch mit After Midnight nicht glücklich werden. Obwohl es hier statt einer Mutter-Sohn-Beziehung um ein Liebespaar geht. Gibt es dennoch Parallelen?

After Midnight
Vor zehn Jahren eroberte Hank seine Traumfrau Abby mit vielen romantischen Gesten.

After Midnight: Die Handlung

Hank (Jeremy Gardner, auch Drehbuch und Regie) lebt mit seiner Freundin Abby (Brea Grant, „Heroes“) irgendwo im Süden der USA, mitten im Nirgendwo in der Nähe einer Kleinstadt. Als Barbesitzer und Jäger verdient Hank sein Geld und die beiden kommen über die Runden. Dennoch ist Abby eines Tages plötzlich verschwunden, ein kurzer Brief hängt am Küchenschrank, mehr nicht. in dieser Nacht bekommt Hank zum ersten Mal Besuch von einer Kreatur, die menschenähnlich aussieht und offenbar in den nahen Wäldern lebt.

Das Monster versucht, ins Haus einzudringen, was Hank nur mit dem Einsatz seiner Schrotflinte verhindern kann. Als er in zunehmender Panik eines Tages auf ein Auto schießt, das ihn beim Post abholen fast gerammt hätte, kommt der örtliche Sheriff vorbei, Abbys Bruder Shane (Justin Benson, auch Produzent des Films). Doch der glaubt ihm die Monster-Story ebenso wenig wie sein Kumpel Wade (Henry Zebrowski), der mit Hank oft Jagen geht. Doch Hank weiß, dass er sich das Monster nicht einbildet, denn Abbys Katze ist auch verschwunden …

After Midnight: Kein wirklicher Horror

Sieht der Zuschauer wirklich, was er zu sehen glaubt? Das war eine der zentralen Fragen in The Babadook. und auch in After Midnight wird schnell klar, dass das Auftauchen des Monsters ein allzu merkwürdiger Zufall ist. Denn hier wie dort ist das Monster natürlich mehr als einfach nur ein Monster. Allerdings macht es After Midnight dem Zuschauer die Sache etwas leichter als der australische Horrorfilm. Denn was wirklich hinter dem Babadook steckt, erschließt sich nicht so schnell – und zudem macht der Film wirklich Angst. After Midnight fällt da harmloser aus.

Was nicht heißen soll, dass der Film langweilig ist. Aber das Monster bekommt hier längst nicht so breiten Raum, denn Hanks Gespräche mit Freunden sind wichtiger als Schockmomente. Sie verraten langsam, aber sicher mehr über mögliche Hintergründe. Gardner gelingen dabei Dialoge, die sich nach echten Menschen anhören und die dennoch wichtige Informationen enthalten. Und erschafft dabei wunderbar lebendige und skurrile Figuren, die perfekt zur vermeintlichen Hinterwäldler-Siedlung passen.

After Midnight
Doch jetzt ist Abby weg und Hank wird jede Nacht von einem Monster attackiert. Abbys Bruder, Cop Shane, ist aber keine große Hilfe.

After Midnight: Monster Männerpsyche

Dabei geht es Gardner letztlich nicht um unheimliche Kreaturen, sondern um den Horror des Alltags. Die Verlustängste von Hank, der nie so ganz begreifen konnte, warum Abby überhaupt bei ihm war. Das Leben, das ihm selbst genügt, von dem er aber weiß, dass es Abby nicht so geht. Und das Ergebnis, in das Hank sehenden Auges hineinlief, weil er sich jedem Gespräch darüber verweigerte. Gardner leuchtet in After Midnight in erster Linie klassische Männerprobleme in einer Beziehung aus – fehlende Kommunikation.

Wie Gardner diese Story erzählt, ist ähnlich interessant wie die Art, sie zu bebildern. Denn der Regisseur arbeitet fast ausschließlich mit komplett statischer Kamera, in dessen ständig gleichem Ausschnitt sich die Schauspieler manchmal minutenlang hin und her bewegen. Daher ist es schon fast ein Schock, wenn der Blickwinkel sich plötzlich ändert oder gar bewegt. Und das nutzt Gardner vor allem in den Szenen, in die das Monster involviert ist. Und es ist erstaunlich, wie wirkungsvoll dieses so simple Stilmittel in After Midnight funktioniert.

Gardner erzählt seine Story mal spannend, mal mit schrägem Humor, aber immer unterhaltsam, selbst wenn eigentlich gar nicht viel passiert. Es sind die kleinen, scheinbar normalen Dinge, auf die Gardner seinen oft so starren Blick richtet. Und mit denen er die Herkunft des seltsamen Monsters aus dem Wald Stück für Stück erklärt. Das Ende dürfte so manchem Zuschauer dann auch ein Grinsen ins Gesicht zaubern. Gruselig ist hier wenig, sehenswert dafür umso mehr. 

Fazit:

Die Independent-Horror-Romanze After Midnight ist ein Film, auf den man Lust haben sollte. Denn auch wenn die Botschaften nicht wirklich schwer zu verstehen sind, so bietet der Film doch mehr als eine erzählerische Ebene. Das sollte man wissen – und mögen, bevor man sich After Midnight ansieht. Wer aber Spaß daran hat, beim Ansehen ein wenig mitzudenken und die Metaphern hinter den Worten und Bildern zu entdecken, bekommt einen sehr sehenswerten, originellen und schön erzählten Monster-Horror mit ein wenig Humor zu sehen. Nicht übel, oder?

After Midnight ist ab 29. Mai 2020 als DVD, Blu-Ray und limitiertes Mediabook im Handel.

After Midnight
So macht sich Hank mit Kumpel Wade auf die Suche nach der Bestie im Wald.