2020 gelang dem Team um Regisseur Sam Hargrave und Star Chris Hemsworth, zu dem auch die Russo-Brüder als Produzenten und Autoren zählten, mit „Tyler Rake -Extraction“ ein kleines Kunststück. Obwohl deutlich günstiger produziert als vergleichbare Filme wie „Red Notice“ oder „The Gray Man“, schnitt das brachiale Action-Paket auf IMDB besser ab als die anderen Action-Blockbuster von Netflix. Da war es keine große Überraschung, dass Netflix trotz des Finales von Film eins ein weiteres Abenteuer um den todessehnsüchtigen Söldner in Auftrag gab. Nun ist es fertig und startet am 17. Juni 2023 bei Netflix. Kann „Tyler Rake Extraction 2“ das Niveau des ersten Film halten? Das verrät die Kritik.

Die Handlung
Eigentlich müsste Tyler Rake (Chris Hemsworth) tot sein. Von Kugeln durchsiebt siukt sein Körper auf den Grund des Flusses. Doch wie durch ein Wunder wird er nicht nur angespült und von seiner Auftraggeberin Nik (Golshifteh Faharani) gefunden, sondern kann auch in aufwendigen Operationen vor dem Tod bewahrt werden. Allerdings ist sein Körper nach monatelangem Liegen kaum noch in der Lage zu gehen, geschweige denn, mit der Waffe in der Hand Menschen zu retten. In einer Hütte in der österreichischen Natur soll Tyler wieder zu Kräften und in Form kommen – und eigentlich seine Frührente genießen. Doch es kommt ganz anders. Denn eines Tages sitzt ein geheimnisvoller Fremder (Idris Elba) auf der Bank vor seinem Haus und erteilt ihm einen Auftrag, den er nicht ablehnen kann.
In Georgien haben zwei Brüder jahrelang unter ihrem tyrannischen Vater gelitten, doch als Erwachsene selbst den falschen Weg eingeschlagen. Als Köpfe eines verschworenen Verbrecher-Clans beherrschen sie die Unterwelt, obwohl einer von beiden eine lange Haftstrafe absitzen muss. Weil die Familie so mächtig ist, darf – oder vielmehr muss- dessen Frau (Tinatin Dalakishvili) und die beiden Kinder mit ihm im Knast leben. Rake soll die drei aus dem Gefängnis befreien und in Sicherheit bringen. Doch der Arm der Brüder reicht deutlich weiter, als sich die Befreier das gedacht hatten. Es kommt zum gnadenlosen Kampf im georgischen Winter …
Handwerklich überzeugend
Zweite Teile sind ihren Vorgängern häufig in Sachen Story und Spannung unterlegen. Das Drehbuch ist oft ein Schnellschuss und variiert lediglich die Ideen des ersten Teils. Und die Action ist meist ebenfalls ein Abklatsch der ersten Variation. Zumindest eines von beiden stimmt bei Extraction 2 nicht. Denn die Action ist nicht nur handwerklich bestechend, sondern sogar noch einen Hauch stärker als im ersten Film. Prunkstück des handwerklichen Könnens von Regisseur Hargrave und Kameramann Greg Baldi ist eine gefühlt 20 Minuten lange Plansequenz ohne sichtbaren Schnitt, in der Rake und seine Mitstreiter ins Gefängnis eindringen und anschließend ihre Flucht durchziehen. Das sieht man auch im internationalen Actionkino auf der Leinwand nicht beeindruckender als hier.
Denn Hargrave und sein Team erzählen diesen Teil des Films nicht nur mit perfektem Spannungsaufbau, sondern auch mit dem nötigen Schuss brutaler Authentizität. Auch das zweite lange Setpiece, eine Art Belagerung eines Hochhauses, hält geschickt die Spannung noch und bleibt bei aller Übertreibung zugunsten von Adrenalinkicks noch halbwegs realistisch. Erst im Finale gehen den Drehbuchautoren die Pferde ein wenig durch und sie lassen ausgerechnet den Gaul mit Namen Logik ausbüchsen. Zu diesem Zeitpunkt spielt das ohnehin keine großer Rolle mehr, denn das Publikum ist längst auf den großen Showdown eingestimmt, auf den es sich seit einer Stunde schon freut. Und Tyler Rake Extraction 2 liefert.

Hemsworth glänzt als schweigsamer Kämpfer
Ein weiteres Mal lebt der Film vor allem von der physischen Präsenz das Hauptdarstellers. Der muskelbepackte Hüne Chris Hemsworth bewegt sich in seiner Rolle als Tyler Rake so glaubwürdig, dass es im Film niemals Szenen gibt, die man dem Australier nicht abnimmt. Wohltuend selten tischt Drehbuchautor Joe Russo dem Publikum lange Dialoge auf, denn die sind meist nicht sonderlich überzeugend. Die emotionalen Knackpunkte der Handlung sind schnell gesetzt und schnell abgearbeitet, die Motive klargestellt. Und dann regiert die Action. Hemsworth nimmt man den emotional verkrüppelten Kämpfer auch deshalb ab, weil er erfreulich wenig darüber reden muss. Sein Gesicht beim Anblick von Kindern genügt auch.
Das gilt leider nicht für alle Charaktere. Bei einigen der Figuren kleben die Autoren bereits in deren erster Szene einen Totenkopf auf die Stirn, so sicher ist der Zuschauer sofort, dass dieser Charakter die Handlung nicht überleben wird. Das trägt nicht unbedingt zu einer originellen Handlung bei, und auch hier sorgt das eher für Schulterzucken als echte emotionale Anteilnehme, wenn es denn soweit ist. Auch der Schurke des Plots bleibt blass, was man allerdings dem georgischen Darsteller Tornike Gogrichiani kaum anlasten kann. Es gibt schlicht keine Szene, in der sich Gogrichiani als etwas anderes als ein Monster etablieren darf. Auch Graustufen bei der Charakterzeichnung legt Tyler Rake Extraction 2 schlicht keinerlei Wert. Und das unterscheidet ihn letztlich in Nuancen von Actionbrettern wie der John Wick-Reihe, die die interessanteren Schurken zu bieten hat.

Am Samstag startet Netflix seinen großen Tudum-Event, bei dem auch Chris Hemsworth als Stargast angekündigt ist. Es wäre wenig verwunderlich, würde er dort Extraction 3 als weiteren Teil bestätigen.
Fazit:
Mit der Story wird Tyler Rake Extraction 2 sicher keine Preise gewinnen. Mit der furios und hart inszenierten Action dürfte er hingegen die Fans des ersten Films der Reihe weitgehend abholen. Denn eine großartige Plansequenz zur Mitte des Films ist zwar das Highlight, aber längst nicht die einzige stark gemachte Actionsequenz. Chris Hemsworth pflügt sich erneut mit einer ungeheuren körperlichen Präsenz durch Gegnermassen und wirkt in jedem Moment glaubhaft – wenn man das Finale einmal ausspart. Bei Netflix dürfte der FIlm zum Abräumer der kommenden Wochen werden. Da ist die Verkündung eines dritten Teils in der Filmreihe eigentlich nur noch Formsache.
Tyler Rake Extraction 2 startet am 16. Juni 2023 bei Netflix.
