Kenneth Branagh

Filmkritik: Tod auf dem Nil

Ein gutes Jahr lang war Kenneth Branaghs zweiter Film als Regisseur und Hauptdarsteller eines Hercule Poirot-Krimis Opfer des Corona-Virus. Eigentlich für Dezember 2020 geplant, startet „Tod auf dem Nil“ nun am 10. Februar 2022 in Deutschland. Damit macht sich der Ire fast selbst Konkurrenz, denn nur zwei Wochen später kommt auch sein autobiographisches, in Schwarz-Weiß gedrehtes Drama „Belfast“ in die Kinos. Bereits der Trailer zeigt die zweite Umsetzung eines Agatha Christie-Romans wie den Vorgänger „Mord im Orient-Express“ als opulentes Ausstattungskino. Bereits 1978 wurde der Stoff mit Peter Ustinov als Poirot gedreht, wie schlägt sich die neue Fassung im Vergleich? Das und mehr verrät die Kritik.

Emma Mackay
Jackie und Simon sind ein Traumpaar – bis die reiche Linnet auftaucht.

Die Handlung

Die belgische Front im Zweiten Weltkrieg. Als der Kommandant sein ganzes Bataillon in den sicheren Tiod führen soll, um eine Brücke von den Deutschen zurückzuerobern, meldet sih der junge Hercule Poirot mit einer Idee, wie der Angriff ohne größere Verluste funktionieren könnte. Poirots Plan geht fast auf, den ganze ohne Verluste bleibt der Tag nicht …

London 1937. In einem exklusiven Nachtclub beobachtet Meisterdetektiv Hercule Poirot (Kenneth Branagh) durch Zufall den leidenschaftlichen Tanz von Jackie (Emma Mackay) und ihrem Verlobten Simon Doyle (Armie Hammer) sowie das erste Zusammentreffen von Doyle mit Jackies Freundin, der Millionenerbin Linnet Ridgeway (Gal Gadot). Er misst dem Vorfall keine besondere Bedeutung zu …

Als er sechs Wochen später seinen Freund Bouc (Tom Bateman) wieder trifft und der ihm von einem Hilfsgesuch eines jungen Ehemanns erzählt, ist Poirot sehr überrascht, Simon Doyle wiederzusehen – als frisch gebackener Ehemann von Linnet! Sein Problem: Jackie hat dem Paar offensichtlich den Krieg erklärt und reist ihnen nach. Poirot wird gebeten zu helfen. Daher begleitet er das Paar mit seinen Gästen auf dem Flussdampfer Karnak den Nil herunter. Da geschieht ein Mord …

Krimi-Fan, aber kein Agatha Christie-Experte

Kenneth Branagh ist zweifelsohne ein guter Regisseur, vor allem in jungen Jahren legte der gebürtige Nord-Ire mit seinen melancholischen Komödien und Shakespeare-Adaptionen einige beeindruckende Werke vor. Später erging er sich oft in Auftragsarbeiten, die teilweise recht gut, teilweise aber auch sehr mäßig ausfielen. Branagh machte während seiner Karriere auch nie einen Hehl draus, dass er etwas für Krimis übrig hatte. Sein zweiter Film „Schatten der Vergangenheit“, den er mit seiner damaligen Frau Emma Thompson und sich selbst in der Hauptrolle inszenierte, zeugt ebenso davon wie seine Rolle als schwedischer Ermittler Kurt Wallander in insgesamt zwölf britischen TV-Filmen. Und 2017 entdecke Branagh Agatha Christie für das Kino neu – und die Rolle von Hercule Poirot für sich.

Allerdings zeigte schon sein opulent ausgestatteter Mord im Orient Express leichte Probleme, die Motive so vieler Verdächtiger glaubhaft gleichwertig aufzubauen, sodass es sich bald auf eine kleine Gruppe Verdächtiger zusammenzog. Das gleiche Phänomen weist auch Tod auf dem Nil auf. Schnell gibt es logische Verdächtige für die Tat und ebenso bald zeigen sich auch Motive bei weiteren Mitreisenden. Doch keines davon bekommt genug Zeit oder Tiefe, um wirklich eine Alternative zum Offensichtlichen darzustellen. Eine wirkliche Schwäche von Branaghs neuem Film, den die Ustinov-Version nicht aufwies, obwohl auch die nicht frei von Längen war.

Tod auf dem Nil
Während Poirot Urlaub in Ägypten macht, trifft er auf Linnet und Simon, die ihn um Hilfe bitten. Und auf einen Flussdampfer einladen, der den Nil hinauf fährt.

Glänzende Optik in jeder Weise

Auf der Haben-Seite zeigen sich hingegen alte Tugenden. Auch Tod auf dem Nil verfügt über eine nahezu verschwenderisch üppige Ausstattung. Jedes Kostüm, jedes Set, jeder Drehort ist derart auf Goldrand genäht, dass der Film allein optisch ein makelloses Vergnügen darstellt. Angenehm ist auch, dass sich Branagh bei der Erzählung seiner Version der Story ein paar Freiheiten herausnahm. So stellt er der eigentlichen Geschichte eine Prelude voran, in der er die Vergangenheit seiner Figur beleuchtet (nicht konform zum offiziellen Kanon von Poirot) und sogar eine Erklärung für den albernen Schnauzer liefert, den Poirot im Gesicht trägt. Das ist nett anzusehen, macht den eigentlichen Krimi-Plot aber nicht besser.

Denn indem er die Vorgeschichte der Hauptpersonen zeigt, so furios er diese auch inszeniert, beraubt er seinen Film doch aller anderen Tatmotive, zu wichtig sind Branagh seine ersten Minuten des Hauptfilms. Zu emotional und wild zeigt er die jungen Liebenden, als das sie mit dem Fall nichts zu tun haben könnten. Die goldene Regel des Krimis, das Publikum erst einmal in eine falsche Richtung zu lenken, um die Auflösung dann umso überraschender wirken zu lassen, hat Branagh jedenfalls hier nicht beachtet. Was schade ist, denn seine Schauspieler hätten sicher das Zeug gehabt, allesamt als potenzielle Killer infrage zu kommen, wenn er sie gelassen hätte.

Tod auf dem Nil
Als es einen Mord an Bord gibt, prüft Poirot mögliche Motive der Mitreisenden. Hatte Linnets Patentante einen Grund zu töten?

Auch wenn Tod auf dem Nil als Krimi nur mäßig spannend ist, an den Schauspielern liegt das nicht. Emma Mackay als sitzengelassene Furie ist großartig, auch Armie Hammer meistert seine Rolle problemlos. Branagh als Poirot ist ebenfalls wieder sehr sehenswert, lässt sich aber deutlich mehr in die Karten sehen als seine Vorgänger in der Rolle. Besonders auffällig ist Branaghs Wahl, berühmte Comedians aus England als Nebenrollen zu besetzen. Jennifer Saunders kennen Fans aus „Absolutely Fabulous“, Dawn French war zusammen mit Saunders ebenfalls in einer eigenen Comedy-Show in der BBC zu sehen. Und Russell Brand begann seine Karriere als Stand-Up-Comedian in England, bevor er Schauspieler wurde. Hier sind alle drei in ernsten Rollen besetzt – und machen das sehr gut.

Fazit:

Wäre Tod auf dem Nil doch nur so spannend wie gut aussehend! Denn optisch ist auch der zweite Ausflug von Regisseur und Hauptdarsteller Kenneth Branagh eine Wucht. Leider kann die Krimihandlung da nicht mithalten, denn dem Film fehlt schlicht eine ausreichende Menge glaubwürdiger Verdächtiger, um wirklich ein klassisches Mitraten im Whodunit-Stil zu ermöglichen. Im Jahr 1937 wäre die mondäne Atmosphäre der untergegangenen Ära ägyptischer Hochkultur als Kulisse vor höchst menschlichen Schwächen als Spannungsmoment wohl noch genug gewesen – 2021 reicht das nicht mehr. Und selbst die 1978er-Version des Stoffes ist aufregender und mysteriöser als Branaghs Hochglanz-Version ohne Thrill. Einen dritten Teil teasert der Film auch gar nicht erst an – in weiser Voraussicht?

Tod auf dem Nil startet am 11. Februar in den deutschen Kinos.

Rose Leslie
Was weiß Kammerzofe Louise über den Mord? Hat sie den Täter gesehen? Oder war sie es gar selbst?