Germany for the win! Netflix-Kunden in aller Welt sind begeistert über deutsche Serien beim Streaming-Dienst. So kommt „How To Sell Drugs Online Fast“ gut an, „Dark“ hat überall gute Quoten und Kritiken eingesammelt und „Babylon Berlin“, dessen Austrahlungsrechte, unter anderem für die USA, sich Netflix geholt hat, wird ebenfalls gefeiert. Kann „Biohackers“, die neueste deutsche Serie, ebenfalls überzeugen? Oder wird sie ein Rohrkrepierer wie „Dogs of Berlin“? Das verrät die Kritik.
Es läuft gut bei Luna Wedler. Seit die 21-jährige Schweizerin mit „Das schönste Mädchen der Welt“ einem breiteren Publikum bekannt wurde, hagelte es gute Rollen. Sie war in „Auerhaus“ zu sehen, außerdem im Drama „Dem Horizont so nah“, in dem sie die weibliche Hauptrolle spielte. Und nun ist sie auch die Hauptfigur der Netflix-Serie Biohackers. Kann Luna Wedler auch Thriller? Oder ist ihr Repertoire mit Komödien und Dramen bereits erschöpft?
Biohackers: Die Handlung
Die junge Mia (Luna Wedler) beginnt ihr Medizinstudium an der Universität von Freiburg, findet aber die Vorlesungen der berühmten Ärztin und Biologin Tanja Lorenz (Jessica Schwarz) deutlich interessanter. Lorenz gilt als Koryphäe auf dem Gebiet der Genforschung, ein Bereich, für den sich auch Mia sehr interessiert. Schnell freundet sich die junge Frau mit Jasper (Adrian Julius Tillmann) an, dem persönlichen Assistenten von Dr. Lorenz. Über ihn gelingt es ihr sogar, selbst als Hilfskraft in Lorenz‘ Labor anzufangen.
Mias Mitbewohner, die lebenslustige Lotta (Caro Cult), die brillante Chen-Lu (Jing Xiang) und der durchgeknallte Ole (Sebastian Jakob Doppelbauer) halten die Neue für extrem ehrgeizig, tatsächlich aber hat Mia ganz andere Motive, die Nähe der berühmten Gen-Expertin zu suchen. Während Jasper von alldem nichts ahnt, findet sein WG-Kumpel Niklas (Thomas Prenn) mehr über Mia heraus. Zum Beispiel, dass sie gar nicht Mia heißt. Und offenbar sehr persönliche Motive hat, in den Dunstkreis von Tanja Lorenz zu gelangen. Fliegt Mia seinetwegen auf?
(Zu) nahe an der Realität
Christian Ditter ist ein erfahrener Regisseur, der bereits in Hollywood gedreht hat. Seinen Durchbruch in Deutschland hatte er allerdings mit dem drei „Vorstadtkrokodile“-Filmen, zu denen er auch die Drehbücher mit verfasste. Er sollte also wissen, was ein internationales Publikum sehen möchte. Seine Biohackers kamen allerdings zur Unzeit. Eigentlich sollte die Serie schon Ende April starten, aufgrund der Covid 19-Pandemie wurde sie von Netflix aber auf Ende August verschoben. Schon der Anfang in einem Zugabteil macht deutlich, warum.
Denn Ditter erzählt seine Geschichte nicht chronologisch, sondern zeigt zu Beginn fast das Ende – einen Krankheitsausbruch im ICE. Eine mutige Entscheidung, da er viel von dem vorwegnimmt, was er dem Publikum später noch erzählen möchte. Und eine, die nicht immer funktioniert. So kostet beispielsweise der Begleiter von Mia in dem Zug bereits Spannung, denn sie verrät, wie die Love-Story, die sich in Folge 1 schon anbahnt, wohl ausgehen wird. Im Verlauf der sechs Folgen gibt es weitere Momente, deren Brisanz sich die Serie so selbst zerstört.
Biohackers: Gute Darsteller in mäßiger Story
Tatsächlich findet Ditter, der bereits für Serien wie „Doctor’s Diary“ gearbeitet hat, in seiner ersten eigenen Serie nicht immer das rechte Maß. Trotz der nur gut drei Stunden Laufzeit wirkt Biohackers manchmal zu lang. Und auch die Dramaturgie funktioniert nicht immer gut und lässt die Frage offen, ob diese Story als langer Spielfilm nicht besser aufgehoben gewesen wäre. Denn mitunter holpert der Sechsteiler mehr schlecht als recht durch seine eigentlich recht ambitionierte Handlung. Allerdings bleibt die Story zu sehr an der Oberfläche von Genetik als Gefahr, um hier zu überzeugen.
Als konventioneller Rache-Krimi funktioniert Biohackers dagegen besser. Auch weil die Schauspieler abliefern. Luna Wedler spielt die unterdrückte Wut von zehn Jahren sehr sehenswert und Jessica Schwarz glänzt als skrupelloser „Mad Scientist“ ebenfalls. Dazu bildet das Trio von Mias Mitbewohnern den humorigen Ausgleich zur ansonsten eher düsteren Handlung. Lediglich die beiden männlichen Hauptrollen liefern wenige Szenen ab, die im Gedächtnis bleiben, obwohl zumindest eine tragische Rolle dabei ist. Der kurze, aber prägnante Auftritt von Benno Führmann ist hingegen gewohnt gut.
Ditter war sich offenbar recht sicher, dass seine Serie weitergeht, denn er lässt sie mit einen sehr gelungenen, aber dennoch fiesen Cliffhanger enden. Der verspricht für eine potenzielle zweite Staffel nicht nur eine ganz neue Serien-Ausrichtung, sondern könnte auch deutlich spannender werden als die erste. Denn im Vergleich zu anderen deutschen Produktionen für Netflix ist Biohackers leider nur Mittelmaß.
Fazit:
Handwerklich gibt es an der Serie Biohackers vom erfahrenen Autor und Regisseur Christian Ditter nicht viel zu kritisieren, inhaltlich schon eher. Von den philosophischen und ethischen Fragen, die seine Story aufwirft, lässt er leider die Finger und beschränkt sich stattdessen auf eine weitgehend generische Krimihandlung. Dafür überzeugen viele der Darsteller in ihren Rollen und das Ende macht Lust auf eine zweite Staffel, die dann möglicherweise etwas besser und spannender ausfällt, als der akzeptable, aber nicht wirklich gute, erste Versuch.
Biohackers startet am 20. August 2020 bei Netflix.