schönste Mädchen

Filmkritik: Das schönste Mädchen der Welt

Wenn sich ein Jugendfilm an einem echten Klassiker der Theaterbühne versucht, dann ist meist Vorsicht geboten. In „Das schönste Mädchen der Welt“ bedient sich Regisseur Aron Lehmann bei Edmond Rostands „Cyrano de Bergerac“ und transportiert die Geschichte ins Hier und Jetzt. Kann das wirklich gut gehen? Oder geht der Film in Richtung Fremdschämen? Die Kritik verrät es.

Aron Lehmann ist nicht der erste, der den Stoff für einen Film entdeckt hat. 1987 erzählte Fred Schepisi die Story mit starken Änderungen in „Roxanne“ nach und ließ dabei Steve Martin mit gewaltigem Riechkolben um das Herz von Daryl Hannah kämpfen. Und 1990 dreht Jean-Paul Rappeneau die Tragikomödie „Cyrano“ mit Gerard Depardieu als Held mit großer Nase. Beide sind auf ihre Art sehr sehenswert, auch wenn sich die französische Variante deutlich dichter ans Original von Rostand hält. Was kann Das schönste Mädchen der Welt?

schönste Mädchen
Für Cyril ist Roxy auf den ersten Blick das schönste Mädchen der Welt.

Das schönste Mädchen der Welt: Die Handlung

Cyril (Aaron Hilmer) ist eigentlich ein cooler Typ. Klug und wortgewandt gewinnt er mit goldener Maske jedes Rap-Battle der Stadt. Aber ist leider auch mit dem mächtigen Zinken seiner Mutter (Anke Engelke) ausgestattet und hält sich daher für komplett unattraktiv. Deshalb hat er auch gar keine Lust, mit seiner Klasse nach Berlin zu fahren. Doch als kurz vor der Fahrt die neue Mitschülerin Roxy (Luna Wedler) in den Bus steigt, ist es um Cyril geschehen. Schnell freunden die beiden sich an, doch Cyril traut sich nicht, Roxy seine Gefühle zu offenbaren.

Die verknallt sich aber in den Typen, der in Berlin mit Goldmaske ein Rap-Battle bestreitet. Und als sie in der Jugendherberge Rick (Damien mit der Maske in der Hand sieht, ist für sie alles klar. Dass Rick in dem Moment nur Cyrils Sachen durchwühlt hat, weiß sie nicht. Schnell erfährt Cyril vom tollen Typen, der rappen kann und auch noch so gut aussieht. In Cyril reift der Entschluss, Roxy ihre Liebe zu Rick zu ermöglichen und dem Zimmergenossen zu helfen. Doch das ist nicht leicht, denn Rick ist dumm wie Dachpappe und kann kaum einen Satz geradeaus reden …

Das schönste Mädchen: Den richtigen Ton getroffen

Mut muss man Regisseur Aron Lehmann zugestehen, denn eine Komödie, in der junge Leute rappen, hätte auch gewaltig schief gehen können. Aber Lehmann und das Drehbuch-Duo Judy Horney und Lars Kraume („Das schweigende Klassenzimmer“) haben den richtigen Ton tatsächlich getroffen. Denn die Battles klingen authentisch und rund, die Ausdrucksweise der Darsteller hebt sich ein wenig vom „Fack ju Göthe“-Style ab, wirkt aber ebenfalls nie gekünstelt jung oder steril. Die Homogenität, die Lehmann seinem Film damit verpasst, ist eine seiner größten Stärken.

Weniger Überraschungen darf man hingegen von der Story erwarten, hier bekommt man genau das, was auch draufsteht: eine Coming-of Age-Love-Story. Die sich aber ebenfalls auf einem Niveau bewegt, dass keinen Anlass zum Fremdschämen bietet. Horney und Kraume haben hier lebendige Teenager geschaffen, die sich zwar immer wieder gefährlich nah an reinen Klischees bewegen, daraus aber gute Gags produzieren. Etwas wirklich Neues hat Das schönste Mädchen der Welt hier dennoch nicht zu bieten.

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Die aber hält den hübschen Rick statt Cyril für den rappenden Schöngeist und verguckt sich in ihn.

Das schönste Mädchen: Darsteller-Glücksfälle

Wie viele Komödien lebt auch dieser Film von seinen Darstellern. Und hier haben die Macher eine gute Wahl getroffen. Aaron Hilmer als angemessen entstellter Poet und Schöngeist, die Schweizerin Luna Wedler als starke, unabhängige Roxy, passen ausgezeichnet zueinander. Und bieten so genug Momente zum Mitfiebern und Lachen, auch wenn der Ausgang der Geschichte jetzt niemanden überraschen dürfte. Heimlicher Star ist aber Damian Hardung als Rick, der den gut aussehenden Trottel mit der seelischen Tiefe einer Wasserlache auf den Punkt bringt.

Wenn der seine nach sechs Monaten harter Arbeit getexteten zwei Zeilen seines ersten Songs vorträgt oder versucht, mit Roxy ein halbwegs ernsthaftes Gespräch zu führen, hat er die Lacher auf seiner Seite. Bald freut man sich regelrecht auf einen weiteren Auftritt der Figur. Dazu kommt eine großartig übellaunige Heike Makatsch als Klassenlehrerin Frau Reimann und ein paar sehr schöne Szenen mit Anke Engelke. Und das ist eine ordentliche Menge an gelungenen Charakteren für eine Komödie.

Puristen wird es weniger gefallen, denn von Rostands Werke ist bis auf die Grundidee nicht viel geblieben. Und die Tragik des Originals erreicht Das schönste Mädchen der Welt natürlich auch nicht. Das war hier aber auch nie Sinn der Sache. Dafür steht dem Grundgerüst der Handlung die neuen Zutaten wie Rap und Klassenfahrt sehr gut. Denn die ewige Frage nach dem Finden der Liebe unter widrigen Umständen nimmt der Film bei allem Humor durchaus ernst und macht sich nie über seine Helden lustig.

Fazit:

Das schönste Mädchen der Welt ist eine richtig gelungene deutsche Komödie, irgendwo zwischen Fack ju Göhte und „Tschick“, die in erster Linie einfach gut unterhält. Die zeitlose Geschichte des Cyrano-Originals funktioniert auch 2018 noch problemlos – und die guten Darsteller bringen die auch mit viel Spaß und gutem Timing ins Ziel. Dabei wirkt der Film trotz mancher Klischees und Gags oft authentischer als manche ernste, filmische Auseinandersetzung mit der heutigen Jugend.

Das schönste Mädchen der Welt startet am 6. September 2018 in den deutschen Kinos.

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Als guter Kumpel bekommt Cyril hautnah mit, ob seine Worte durch Ricks Mund bei Roxy punkten können.