Away

Serienkritik: Away

Die Reise zum Mars ist der nächste große, wissenschaftliche Traum der Menschheit. Donald Trump verkündete zu Beginn seiner Amtszeit, das weit oben auf die Agenda der NASA zu setzen. Passiert ist danach nicht viel, so dass wieder einmal die Fiktion das Ganze retten muss. In „Away“, der neuen Netflix-Serie, ist Hillary Swank als Commander einer internationalen Mars-Mission auf dem Weg zum Roten Planeten. Ist das knallharte Sci-Fi oder emotionales Drama? Das klärt die Kritik.

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wohl jeder kennt eine Serie, die sich mit dem reisen durchs All beschäftigt, die meisten davon sind aber deutlich weiter von der Realität entfernt als Away. Denn die neue Netflix-Serie entwirft ein glaubhaftes Szenario einer nahen Zukunft, in der sich viele Länder zusammengetan haben, um den nächsten Schritt bei der Eroberung der Galaxis durch den Menschen zu machen. Das Problem ist nur – darum geht es in der Serie gar nicht vordringlich. Ist sie trotzdem auch für Sci-Fi-Fans interessant?

Away
Während Emma auf dem Mond ihr neues Ziel, den Mars, in Augenschein nimmt …

Away: Die Handlung

Emma Green (Hillary Swank, „Million Dollar Baby“) hat ihr Leben lang auf dieses eine Ziel hingearbeitet. Nun ist es soweit: Sie wird als Commander der ersten Mars-Mission der Menschheit eingesetzt und soll mit einer fünf Personen starken Crew drei Jahre unterwegs sein. Eine Zeit lang war auch ihr Mann Matt (Josh Charles, „The Good Wife“) im Rennen, musste dann aber aus gesundheitlichen Gründen passen. Und so tritt Emma nach einem tränenreichen Abschied von Mann und ihrer Tochter Alexis (Talitha Bateman, „Annabelle 2“) ihren Flug zum Mond an.

Denn von dort soll die Reise zum Mars beginnen. Doch dann gibt es im Shuttle zum Trabanten bereits ein erstes Problem, dass Emma nicht souverän lösen kann. Und zudem erleidet Matt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt einen Schlaganfall und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Emma muss die Entscheidung treffen, ob sie trotz eines schwer kranken Ehemannes, einer verzweifelten Tochter und einer Besatzung, die in Teilen offenes Misstrauen ihr gegenüber zeigt, wirklich an ihren Träumen festhalten will. Oder lieber die Heimreise antritt …

Away: Drama statt Abenteuer

Wer hier auf eine spannende und actionreiche Reise zum Mars gehofft hatte, die sich auch noch an physikalische Gesetze hält, wird enttäuscht. Zwar sind die Szenen im schwerelosen Raumschiff ebenso gut getrickst wie Weltraum-Spaziergänge, doch diese Dinge stehen nie im Fokus der Handlung, sondern sind bestenfalls Mittel zum Zweck. Away ist ein lupenreines Drama um die emotionale Belastung der Astronauten auf der langen Reise. Und den Gefühls-Ballast, den jeder der Astronauten mit an Bord gebracht hat. Mit Hard-Sci-Fi hat das wenig zu tun.

Was man schon daran sieht, dass die Protagonisten noch mit ihren Lieben auf der Erde telefonieren können, obwohl sie schon weiter von der Erde entfernt sind als der Mond – und dementsprechend eine Verzögerung von einigen Sekunden realistisch wäre. Aber darum geht es den Serienmachern nicht. Hier wird auf der Gefühls-Klaviatur gespielt, exakte Physik ist da nicht so wichtig. Weil aber der Trailer aber neben großen Gefühlen auch Action und Spannung werden hier möglicherweise Zuschauer mit gänzlich anderen Erwartungen einschalten.

Away
… wird sie von Tochter und Ehemann auf der Erde so oft wie möglich per Fernglas beobachtet.

Away: Emotion statt Realität

Das soll nun nicht heißen, dass Away eine schlechte Serie wäre, das ist sie nicht. Sie ist eben nur sehr viel bodenständiger, als das Setting vermuten ließe. So sind die meisten der Charaktere exzellent gespielt, allen voran Emma Green von der zweifachen Oscar-Preisträgerin Hillary Swank, die einfach weiß, wie man Emotionen aus dem Publikum herauskitzelt. Zwar spielt sie hier eine gänzlich andere Rolle als in Million Dollar Baby, aber die Tragik der Situation ihrer Figur nutzt die 46-jährige für große Schauspielkunst – und feuchte Augen.

Schwächen zeigt Away vor allem im Erzählaufbau. Das Eintauchen in einen Astronauten pro Folge wirkt gewollt, ein homogener Fluss entwickelt sich in den ersten Folgen kaum. Episodenhaft wird stattdessen die Vergangenheit der Weltraumhelden beleuchtet. Und das ist manchmal deutlich zu überzogen, um wirklich zu packen. Denn Versatzstücke wie der Verlust von Angehörigen durch Tod oder Entfremdung sind nicht sonderlich originell und auch nicht sonderlich selten. Und dass die NASA tatsächlich emotional instabile Personen auf eine solche Mission schicken würde, ist Science-Fiction der falschen Sorte.

Zudem fühlen sich die Gefahren, mit denen sich die Crew auf dem Flug auseinandersetzen muss, zu sehr wie von Drehbuch-Autoren gestellte Fallen an. Die Glaubwürdigkeit der Reise geht dadurch von Folge zu Folge mehr verloren, es passiert einfach zu viel. Wer aber Familiendramen sehen möchte, bei denen man so richtig schön mitleiden und sich in die Story fallen lassen kann, wird mit Away möglicherweise glücklich. Denn wer sich mit den Charakteren anfreundet, was angesichts der guten Schauspieler nicht schwer ist, kommt dann voll auf seine Kosten.

Fazit:

Mit Away nimmt Netflix eine leichte Mogelpackung ins Programm. Denn die Serie ist fast ausschließlich ein Drama, das sich mit seinen Protagonisten und deren Seelenleben angesichts der Situation auseinandersetzt. Und die spannende und gefährliche Reise zum Mars eher stiefmütterlich behandelt. Wer sich also auf einen actionreichen Trip zum roten Planeten gefreut hat, könnte enttäuscht werden. Wer mehr an der emotionalen Reise interessiert ist, sollte in der Kapsel hingegen ruhig Platz nehmen – er ist im richtigen Schiff.

Away startet am 4. September 2020 bei Netflix.

Gesehen: Fünf von zehn Folgen.

Away
Teile der Crew legen nach einer Panne jedoch keinen großen Wert mehr auf Emmas Gesellschaft.