Der britische Comedian Ricky Gervais spaltet wie kaum ein anderer. Manche können ihn als Gastgeber der Golden Globes aufgrund seiner bösen Witze kaum ertragen, für andere ist er der einzige Grund, sich das Ganze anzusehen. Und als Erfinder von „The Office“ landete er einen weltweiten Comedy-Hit, der hierzulande als „Stromberg“ bekannt ist. Nun kommt mit „After Life Staffel 2“ die Fortsetzung seiner ersten Netflix-Serie. Ist die so gut wie die ersten sechs Folgen?
Die erste Staffel von After Life war frisch und neu. So rabiat und angstfrei hatte sich vorher noch kein Comedian mit Tod und Selbstmord auseinandergesetzt. Und dabei durchaus auch mal Grenzen des guten Geschmacks überschritten. Das macht Ricky Gervais allerdings ohnehin nicht viel aus, wie seine Fans wissen. In der großartigen ersten Staffel kommt Gervais‘ Charakter Tony allerdings am Ende zu dem Schluss, dass es nicht sein Lebensziel sein soll, allem und jedem auf der Welt die ungefilterte Wahrheit zu sagen. Kann er das in After Life Staffel 2 ändern?
Die Kritik zu After Life Staffel 1 finden Sie hier.
After Life Staffel 2: Die Handlung
Tony (Ricky Gervais) hat von seinem Plan Abstand genommen, sich das Leben zu nehmen. Außerdem will er von nun an ein besserer Mensch werden, der seiner toten Gattin Lisa (Kerry Godliman) gut gefallen hätte. Und so beschließt er, von nun an den Menschen um ihn herum nicht mehr alles vor den Kopf zu klatschen, was sein Gehirn ihm vorgibt. Stattdessen will er netter werden, gute Dinge tun und lieber schweigen als Bösartigkeiten von sich zu geben. Doch das Leben macht ihm diese Entscheidung alles andere als einfach.
Denn es wirft Tony weiterhin Stöcke zwischen die Beine. So hat sein Schwager Matt (Tom Basden) Eheprobleme und den wohl schlechtesten Therapeuten unter der Sonne (Paul Kaye). Der Herausgeber der Tambury Gazette will die Zeitung schließen und das Haus verkaufen, in dem die Redaktion arbeitet – alle Jobs sind bedroht. Zudem begegnet Tony jeden Tag skurrilen Menschen, die in die Zeitung wollen. Eine junge Frau mit einem nach diversen Schönheits-OPs gelähmten Gesicht. Oder einem Ehemann und Vater, der lieber ein achtjähriges Mädchen sein möchte …
After Life Staffel 2: Tragik kann lustig sein
Erneut scheut sich Gervais, der neben der Hauptrolle auch Regie, Idee und Produktion beisteuerte, nicht einen Moment lang, den Zuschauer mit unerwarteten und mitunter absurden Momenten vor den Kopf zu stoßen. Bis das Publikum mit Erstaunen feststellt, wie wenig Gervais nur ändern musste, um aus einer normalen Alltagssituation etwas Absurdes zu machen. Das erinnert ein wenig an Loriot, allerdings wäre Herr von Bülow über Gervais‘ manchmal sehr derbe Sprache sicherlich „not amused“ gewesen. Bei After Life passt es aber perfekt.
Ob bei Matts Therapeuten, der in einer Weise über Frauen lästert, dass man rote Ohren bekommen kann. Oder den ganz normalen britischen Kleinstadt-Alltag, wo ein herausgerutschtes „Fuck“ noch das Harmloseste ist. Sprache ist ohnehin das wichtigste Stilmittel Gervais‘, um seinen berühmt-berüchtigten Humor zu erzeugen. Hier nutzt er sie aber immer wieder auch als ganz feine Klinge. Vor allem in den wirklich traurigen Momenten seiner Dramedy gelingen ihm so immer wieder Szenen, die wirklich zu Herzen gehen, weil sie in ihrer Düsternis so schön und wahr sind.
After Life Staffel 2: Die spinnen, die Briten!
Dabei verliert Gervais aber nie den nötigen Respekt vor dem Tod und manch einem unwürdigen und zu frühem Sterben aus den Augen. Auch der Comedian hat eine Grenze, die hier sehr deutlich wird. Keine Gnade haben hingegen Worthülsen-Verfasser und scheinbare Gutmenschen zu erwarten, denn Gervais feiert in seinem Mikrokosmos Tambury vor allem anderen die andersartigen, skurrilen und abseitigen Gestalten. Ob die Prostituierte, die regelmäßig bei Tony auf einen Tee vorbeischaut oder der Postbote, der schon halb bei ihm wohnt – Irrsinn ist hier Alltag.
Dabei kann Gervais durchaus gönnen. Viele Szenen in der neuen Staffel finden komplett ohne ihn statt oder lassen ihn als beobachtende Randfigur zurück, während andere ihre großen Momente bekommen. Aber wenn er vor der Kamera steht, ist er präsent wie selten und setzt seine Pointen und Bosheiten so zielsicher wie eh und je. Dabei ist sein Humor sowohl intellektuell spannend als auch von einer Herzenswärme durchzogen, dass man oft gar nicht weiß, ob man nun lachen oder weinen soll. Die sonst so feine Linie zwischen Tragik und Lachen ist hier breiter als gewöhnlich.
Die vielleicht wichtigste Botschaft in diesem wundervollen Sammelsurium von Nonsens ist aber die, dass das Weiterleben wollen nicht das Ende der Trauer ist, sondern erst ihr Anfang. In der zweiten Staffel legt Tony weitere Schritte auf dem Weg der Heilung zurück – und droht mehr als einmal zu straucheln. Auch wenn die Serie in der zweiten Staffel nicht mehr ganz so frisch ist wie beim Debüt, so sind Gervais doch genug neue Gags und auch neue dunkle Themen eingefallen, dass After Life Staffel 2 wie eine realistische und notwendige Fortsetzung wirkt.
Fazit:
Wie schon die erste Staffel ist auch After Life Staffel 2 zum Niederknien gut! Die Mischung aus Trauer und Spaß, die bei den Zuschauer sicher durchaus unterschiedliche Reaktionen hervorrufen wird, ist erneut wunderbar scharf formuliert und toll gespielt. Neben Ricky Gervais glänzen vor allem die Nebenfiguren mit unfassbar schrägen Momenten. Gervais legt seinen Figuren aber auch kluge Weisheiten deutlich über Kalenderspruch-Niveau in den Mund. Eine tolle Serie, die hoffentlich auch im kommenden Jahr weitergeht!
After Life Staffel 2 startet am 24. April 2020 bei Netflix.
Gesehen: Sechs von sechs Folgen.