Tom Hanks
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Filmkritik: Finch

Tom Hanks ist unter den ganz großen Stars von Hollywood so etwas wie eine Bank. Zwar ist nicht jeder Film, in dem der mittlerweile 65-jährige mitwirkt, ein sicherer Hit. Aber der zweifache Oscar-Gewinner hat auch so gut wie keinen wirklich miesen Film in seinem Portfolio. Und wird bereits jetzt mit den großen Stars vergangener Zeiten verglichen, wie James Stewart oder Spencer Tracy, die allein einem Film ihren Stempel aufdrücken konnten. Auch Hanks hat das in Filmen wie „Cast Away“ schon bewiesen. Nun hat er erneut einen Film abgedreht, in dem er als einziger menschlicher Schauspieler zu sehen ist – „Finch“. Kann so ein Film wirklich unterhalten? Das verrät die Kritik.

Finch
Robotik-Experte Finch hat die große Katastrophe überlebt – und doch tickt seine Uhr. Die Strahlung bringt ihn um.

Die Handlung

In naher Zukunft ist die Menschheit nahezu ausgestorben. Eine Katastrophe vor vielen Jahren hat die Ozonschicht zerstört, seitdem ist die Erde tagsüber eine verstrahlte Gluthölle. Der Techniker und Robotik-Experte Finch Weinberg (Tom Hanks) hat in St. Louis überlebt, weil er zum Zeitpunkt des Unglücks tief in den Kellergewölben seiner Firma gearbeitet hatte. Seitdem lebt er mit seinem Hund Goodyear (Seamus) und seinem selbst konstruierten Sammelroboter Duey dort – und macht nur im Notfall Ausflüge in die Stadt, um Nahrung, Medikamente und Futter für den Hund zu suchen. Doch er hat ein Problem. Mit den Jahren hat ihm die Gamma-Strahlung hart zugesetzt und er weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat.

Doch sein Hund hat noch einige Jahre vor sich und der Gedanke, dass Goodyear einsam verhungert, bringt Finch fast um den Verstand. Und so baut er aus den Teilen, die in seiner Firma zur Verfügung stehen, einen weiteren Roboter, der aufrecht laufen kann und lernfähig ist. Und er füttert ihn mit allen relevanten Informationen, die er in der Stadt finden konnte. Doch als ein gewaltiger Sturm auf St. Louis zurollt, droht Finch die Zeit wegzulaufen. Und so macht er sich mit Goodyear, Duey und dem neuen, noch namenlosen Roboter, der einmal seinen Job als Hundehalter übernehmen soll, auf den Weg nach Westen. Finch weiß, dass das seine letzte Reise wird. Und er weiß, dass der Roboter durch den überstürzten Abgang nur etwa 70 Prozent seiner Dateien herunterladen konnte. Er braucht noch Input …

Starkes Script, toll inszeniert

Regisseur Miguel Sapochnik ist vor allem als Regisseur von brillanten Serien in Erscheinung getreten. So inszenierte er zwei Folgen von „True Detective“ und einige Folgen von „Game of Thrones“, darunter mit „Battle of the Bastards“ eine der besten überhaupt. Nun bekam er von Apple die Chance, ein Drehbuch von der so genannten Blacklist zu verfilmen. Auf dieser Liste landen jedes Jahr die besten Drehbücher, die nicht umgesetzt wurden. Finch stammt bereits aus dem Jahr 2017. Aber kann ein Mann, der bislang häufig brutale Schlachten und imposante Action-Sequenzen in Szene gesetzt hat, mit so einem ruhigen Stoff wie Finch überhaupt etwas anfangen? Ja, er kann.

Denn seine behutsame Inszenierung einer eigentlich kleinen Geschichte, in der gar nicht viel passiert, ist fast perfekt. In den vielen ruhigen Passagen des Films verlässt sich Sapochnik zurecht ganz auf seinen Star, der mühelos eine emotionale Verbindung zum Publikum herstellt. Schon zu Beginn, wenn Finch in den Trümmern der untergegangenen Welt nach Nahrung sucht und dabei „American Pie“ singt, einen zutiefst melancholischen Song über den Tod von Buddy Holly, setzt Sapochnik den Kurs seinen Films fest – und weicht nicht mehr von ihm ab. Und in den wenigen Action-Passagen zeigt Sapochnik, wie gut er solche Momente beherrscht.

Tom Hanks
Damit sein geliebter Hund nach seinem Tod nicht allein ist, baut Finch einen Roboter als neues Herrchen.

Ein umwerfendes Trio

Wer nun einen durchgehend tieftraurigen Film erwartet, wird überrascht. Das tolle Script von Craig Luck und Ivor Powell setzt immer wieder witzige und auch anrührende Akzente. Und hat das nicht nur einem Schauspieler zu verdanken. Denn Hanks agiert mit dem Roboter, der später den Namen Jeff bekommt und absolut grandios im englischen Original von Caleb Landry Jones gesprochen wird, so intensiv, dass der Zuschauer Mühe hat, Jeff nicht als lebendiges Wesen zu sehen. Und auch Hanks‘ Szenen mit Seamus, der hier wirklich als Schauspieler gesehen werden muss, so stark ist sein Beitrag zum Film, gehen unter die Haut. Die Art, wie hier ein Mensch, ein Hund und ein von Tricktechnik zum Leben erweckter Charakter zusammen eine Story erzählen, ist beeindruckend.

Erstaunlich ist auch, wie viel Spannung Sapochnik in einigen Szenen des Films aufbauen kann. Denn Jeff ist in vielen Belangen wie ein kleines Kind, dass gerade erst die Welt kennenlernt. Und viele Gefahren gar nicht abschätzen kann. Aus dieser potenziellen Bedrohung für den Roboter und die anderen Mitglieder der kleinen Gruppe formt Sapochnik Momente, die durchaus an den Nerven zerren. Und so hat Finch kaum eine Chance, in einen rührseligen Abschiedsfilms abzugleiten. Der Überlebenskampf des Quartetts auf der Reise nach Westen ist dafür manchmal viel zu aufregend. Dennoch steht im Zentrum des Films ein Mann, der dem Tode geweiht ist und verzweifelt versucht, vorher noch für Ordnung, auch nach seinem Ableben, zu sorgen. Und das geht durch Tom Hanks‘ zurückhaltendes Spiel wirklich an die Nieren.

Finch
Ein nahender Sturm sorgt dafür, dass Finch und sein kleines Team überstürzt aufbrechen müssen, um zu überleben.

Der Schauspieler agiert hier gleichzeitig als Beschützer und Vaterfigur für Jeff, der nach Finchs nahem Tod die neue Bezugsperson für Goodyear werden soll. Mit seinem Spiel ergänzt er die tolle Arbeit von Jones als Stimme des Roboters. Und erweckt Jeff erst so richtig zum Leben. Hanks trotzt dem sterbenden Mann eine große Würde ab, zeigt aber auch seine Verzweiflung und seine Sorgen, ohne deshalb je kitschig oder übertrieben zu agieren. Eine erneute Oscar-Nominierung dürfte da keinen große Überraschung sein. Und für Zuschauer, die nah am Wasser gebaut haben, dürfte Finch nicht ohne Tränen abgehen und den Taschentuch-Bestand zuhause dezimieren.

Fazit:

Mit Finch gelingt Regisseur Miguel Sapochnik ein ebenso anrührender wie witziger und spannender Film, denn das Script spielt gekonnt mit sämtlichen Gefühlen und lässt den Zuschauern mal mit dem Helden lachen und mal weinen. Weil die Bedrohung durch eine aus dem Ruder gelaufene Natur allgegenwärtig ist, hält der Film eine Grundbedrohung aufrecht, die immer mitschwingt. Das macht den Kampf von Tom Hanks um die Zukunft seines geliebten Hundes nur umso ergreifender. Und doch umschifft Sapochnik sicher alle Kitschklippen. Stattdessen inszeniert er Szenen, die einen gleichzeitig zum Lachen bringen und doch traurig machen. Wenn Don McLean im Abspann vom „Day the music died“ singt, wird manch ein Zuschauer feuchte Augen haben. Ein toller Film!

Finch startet am 5. November 2021 bei Apple TV+.

Finch
Wird Finch lange genug leben, um Roboter Jeff beizubringen, was er über den Hund wissen muss?