Tau

Filmkritik: Tau

Künstliche Intelligenz ist schon seit vielen Jahren eines der wichtigsten Themen in Science-Fiction-Filmen. Spätestens seit Stanley Kubricks zeitlosem Klassiker „2001“ und seinem „HAL 9000“ wissen Sci-Fi-Fans, wie gefährlich es sein kann, eine intelligente Maschine ohne menschliche Moral zu erschaffen. Mit „Tau“ bringt nun auch Netflix eine filmische Erkundung des Phänomens künstliche Intelligenz heraus – wie gut ist die?

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Ob ein Film nun wirklich zu Netflix gehört oder nur von Netflix gezeigt wird, ist nicht immer ganz einfach. Manchmal wird ein Projekt von Beginn an beim Streaming-Dienst geplant und auf den Weg gebracht. Oft sind es aber auch Filme, die unter anderer Produktionsleitung entstanden und dann erst spät von Netflix eingekauft wurden, aber eigentlich für eine Kinoauswertung gedacht waren wie „Auslöschung“. Tau ist ein Fall der zweiten Kategorie – merkt man dem Film das qualitativ an?

Tau
Julia wird entführt und erwacht in einer denkbar angstmachenden Umgebung.

Tau: Die Handlung

Irgendwann in naher Zukunft. Die junge Julia (Maika Monroe) hält sich als geschickte Taschendiebin über Wasser. Eines Nachts wird sie aus ihrer Wohnung entführt und wacht in einem hochtechnischen Komplex wieder auf. Als sie mit zwei weiteren Gefangenen zusammengesperrt wird, fällt ihr ein Implantat in den Nacken auf, das sie selbst auch mit sich herumträgt. Schnell hat die findige junge Frau eine Möglichkeit gefunden, aus dem Komplex auszubrechen.

Doch das kostet ihre beiden Mithäftlinge das Leben, denn der hochintelligente Wissenschaftler Alex (Ed Skrein) hat sie alle entführt, um an wichtige Daten zu gelangen. Und sein Projekt, die künstliche Intelligenz Tau (Stimme im Original von Gary Oldman), dient als unerbittlicher Wächter und Verteidiger des Hauses, in dem Alex seine Experimente macht. Bald schon merkt Julia, dass Alex mit Tau ein empfindsames, neugieriges Wesen geschaffen hat. Eine Chance für sie, dem Experiment zu entkommen?

Tau: Black Mirror Deluxe

Fans der britischen Serie „Black Mirror“ können sich freuen – Tau wirkt wie eine überlange Folge der Serie. Allerdings eine sehr gute. Denn Regisseur Federico D’Allesandro war bislang in Hollywood hauptsächlich als Set-Designer tätig. Und das sieht man seinem ersten langen Film auch deutlich an. Das Haus von Alex ist derart vollgepackt mit optischen Reizen und gleichzeitig so spartanisch, stylish und kühl, dass es eine Freude ist, sich dort umzusehen. Selbst die gefangene Julia scheint sich der Optik ihres Gefängnisses nicht entziehen zu können.

Dazu ist das Drehbuch von Noga Landau extrem gut gelungen. Hier gibt es keinen Leerlauf, keine überflüssigen Szenen und vor allem keinen Abfall in der Spannung. Die Autorin hat zwar bis auf ein paar Folgen von „The Magicians“ noch nicht viel geschrieben, besitzt aber unbestritten Talent für kleine Plots mit einer überschaubaren Anzahl an Figuren. Mit wenigen Sätzen und Momenten skizziert sie Charaktere sauber und klar, gibt ihnen Profil und Tiefe. Aber vor allem ist ihr eine sehr gelungene Geschichte eingefallen, die philosophisch interessant ist, wie es sich für gute Science-Fiction gehört, aber auch emotional funktioniert.

Tau
Ihr Entführer entpuppt sich als weltweit bekanntes Computergenie Alex.

Tau: Fast nur gute Darsteller

Auch, weil Maika Monroe als wehrhaftes Versuchsobjekt sehr glaubhaft wirkt. Mit flinken Fingern und flinkem Geist findet sie immer wieder Möglichkeiten, sich aus ihrer Lage zu befreien. Aber man nimmt ihr auch die stetig wachsende emotionale Bindung zu Tau ab, der in vielen Szenen trotz seiner Macht und Gewaltbereitschaft auch wie ein Kind wirkt. Gary Oldman macht in der englischen Version einen herausragenden Job darin, Tau zum Leben zu erwecken und ihn als Charakter zu etablieren.

Ed Skrein („Deadpool“) hingegen darf nicht viel mehr tun als sonst: den eiskalten Soziopathen geben, der sich durch seinen herausragenden Intellekt nicht an Regeln gebunden fühlt. Diese Figur hätte ein wenig mehr Background vertragen können und wirkt in manchen Szenen daher etwas blass. Das ist aber eines der wenigen Mankos des Films, der ansonsten sowohl inhaltlich als auch optisch überzeugen kann.

Dennoch war der Schritt, den Film an Netflix zu verkaufen, statt ihn in die Kinos zu bringen, sicher richtig. Für die große Leinwand ist Tau vermutlich zu klein, was Story und Set angeht. Denn gut 90 Prozent des ganzen Films spielen nur im Haus des Entführers. Für Netflix-Verhältnisse ist Tau aber ein richtig guter Film, der Science-Fiction-Fans ebenso abholt wie Thriller-Freunde.

Fazit:

Klein, aber fein! Obwohl Tau nur wenige Schauplätze und Figuren hat, funktioniert er durch ein gutes Drehbuch und seine Darsteller ausgezeichnet. Dazu schneidet er interessante, philosophische Fragen an und findet überraschend emotionale Antworten darauf. Und weil er mit knackigen 95 Minuten auch keine Längen hat, können auch Thrillerfreunde hier durchaus einen Blick riskieren. Wer Black Mirror mag, wird sicher auch hier auf seine Kosten kommen.

Tau ist ab dem 29. Juni auf Netflix zu sehen.

Tau
Bald baut Julia ein Verhältnis zu Tau auf, der KI des Hauses, die sich nur als rotes Dreieck zeigt.