Manche Filme haben schon einiges hinter sich, bevor auch nur eine einzige Klappe fällt. Die Idee zu einer Actionkomödie um Kunstraub mit Dwayne Johnson in der Hauptrolle, wurde bereits Anfang 2018 verschiedenen Studios angeboten. Das Budget sollte bei deutlich über 100 Millionen Dollar liegen. Nachdem Gal Gadot und Ryan Reynolds ebenfalls Teil des Projekts wurden, war bald klar, wofür der Löwenanteil des Budgets draufgehen würde – für die Gage der Stars. Alle drei, so wird berichtet, sollen um die 20 Millionen Dollar für den Film bekommen haben. Beim fertigen Drehbuch aber zuckte der bisherige Top-Bieter Universal – und Netflix griff zu. „Red Notice“ ist angeblich der teuerste Film, den der Streaming-Dienst je produzieren ließ. Haben sich die Ausgaben gelohnt? Das verrät die Kritik.

Die Handlung
FBI-Profiler John Hartley (Dwayne Johnson) ist schon lange auf der Jagd nach extrem gerissenen Kunstdieben. Durch den Tipp eines geheimnisvollen Helfers, der sich Bishop nennt, kommt Hartley auf die Spur des Kunsträubers Nolan Booth (Ryan Reynolds). Der hat vor den Augen der Wachen in einem Museum in Rom ein wertvolles goldenes Ei ausgetauscht und ist gerade im Begriff zu verschwinden, als Hartley mit der Interpol-Beamtin Urvashi Das (Ritu Arya) auftaucht, um ihn aufzuhalten. Doch der gewitzte Nolan kann dem erfahrenen Agenten entkommen – vorerst. Denn Tage später spürt Hartley den Kunstdieb in seinem Versteck auf – und Nolan wandert in den Knast.
Dort bleibt er allerdings nicht lange allein, denn nur Tage später wird Hartley verhaftet. Jemand hat nicht nur das Ei ausgetauscht, während es in Hartleys Besitz war, sondern es auch so aussehen lassen, als habe der FBI-Agent dafür eine Millionensumme kassiert. Und da versteht Interpol keinen Spaß. So landet Hartley in der gleichen Zelle wie Nolan, und das auch noch in einem russischen Gefängnis irgendwo in Sibirien. Dort immerhin lässt sich der geheimnisvolle Bishop endlich sehen, der Hartley in diese Lage gebracht und Nolans Pläne verraten hat. Es ist eine Frau (Gal Gadot)! Die plant, alle drei Eier zu finden, die zu der antiken Schmuckserie gehören, um sie einem Milliardär zu verkaufen – und braucht Informationen …
Schwaches Drehbuch
Regisseur und Autor Rawson Marshall Thurber hat bislang hauptsächlich Komödien wie „Wir sind die Millers!“ gedreht und erst 2018 in seiner zweiten Zusammenarbeit mit Dwayne Johnson bei „Skyscraper“ erstmals spektakuläre Action inszeniert. Doch im Team mit Johnson konnte er offenbar genug Studios von Red Notice überzeugen, dass es zu einem Bieterkrieg kam. Bei Universal soll es schließlich am Drehbuch gescheitert sein – und das ist absolut glaubhaft. Denn das völlig generische, aus vielen anderen Blockbustern und Klassikern zusammengesuchte Script ist eindeutig der Schwachpunkt des Films. Hier hat sich Thurber nicht einmal die Mühe gemacht, so zu tun, als habe er irgendwelche eigenen Ideen gehabt.
So beginnt Red Notice mit zarten „Mission Impossible“-Vibes und viel handgemachter Action, eher der Mittelteil nach einem kurzen „Escape Plan“-Anfall zu einem ebenso actionlastigen Heist-Movie wird. Und das Finale stammt sehr eindeutig von einem gewissen Archäologen mit Hut und Peitsche. Wir lehnen uns wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn wir eine Oscar-Nominierung als Bestes Drehbuch ausschließen. Originell oder neu ist hier nichts. Müssen es also die Stars richten, die schließlich auch für die Hälfte der Kosten verantwortlich sind. Machen die ihren Job ordentlich? Wie man es nimmt.

Stars ohne Esprit
Ryan Reynolds spielt wie seit Jahren den ständig Witze reißenden sympathischen Charakter, den er seit Deadpool in Dauerschleife auf die Leinwand bringt. Und Dwayne Johnson gibt den aufrechten Kerl, der eine Augenbraue hochziehen kann und Leute verprügelt – mal wieder. Fans des Genres haben beides schon etliche Male vorher gesehen. Lediglich die noch relativ unverbrauchte Gal Gadot darf ihr „Wonder Woman“-Image ein Stück weit abstreifen und eine deutlich verruchtere Figur spielen als sonst. Natürlich alles nur in „Frei ab 12 Jahren“-Maßen. Denn Blut fließt hier ebenso wenig wie es realistische Action zu sehen gibt. Oder nackte Haut. Oder gar Sex. Red Notice bleibt kinderfreundlich und versucht erst gar nicht, auf irgendeiner Ebene eine glaubhafte oder spannende Story zu erzählen.
Stattdessen gibt es nette Settings in aller Welt, durchgeknallte Action-Momente und reichlich Klischees, die das Script immerhin hin und wieder ironisch bricht. Da ist das spannendste an Red Notice noch die Frage, wer hier eigentlich wen über den Tisch ziehen will. Und auch da bietet das Drehbuch nicht sonderlich viele Möglichkeiten, sodass die finale Auflösung einschließlich geöffneter Tür zu Teil zwei nicht sonderlich überrascht. Da macht es für erfahrene Filmfans doch mehr Spaß, die einzelnen Szenen den Originalfilmen zuzuordnen, von denen sie inspiriert wurden, um es freundlich zu formulieren.

Ob Thurber weiter Drehbücher schreiben sollte, das sei dahingestellt, als Regisseur ist er jedenfalls durchaus erfahren. Und so gestaltet er seine wenig spritzige Story zumindest optisch so ansprechend, dass man von Red Notice durchaus unterhalten werden kann. Denn er ist ein weitere typischer Film der 2010er Jahre, in dem es keine vernünftige Story gibt und die Stars eben tun, was sie so tun. Der sich aber dafür problemlos verstehen lässt, auch wenn man nebenbei komplett mit dem Smartphone beschäftigt ist. Er wiederholt einfach oft genug, worum es gerade geht, damit der Zuschauer auch bei kompletter Unaufmerksamkeit nicht den Faden verliert, soweit es einen gibt. Reynolds verkündete unlängst, eine Pause vom Dreh machen zu wollen. Er hat die Zeichen der Zeit wohl erkannt, dass er nun doch bald eine zweite Rolle braucht, weil die erste langsam langweilt.
Fazit:
Red Notice ist eine teure und völlig generische Action-Komödie, der man die Kosten nur ansieht, wenn man auf die Gagenliste der Stars schaut. Die Handlung ist zwar nicht weiter wichtig, aber dennoch aus vielen bekannten Filmen zusammengesucht. Dazu nutzen sich die typischen Rollen von Reynolds und Johnson, die sie auch hier wieder spielen, langsam deutlich ab. Wer bereits einige Filme der beiden gesehen hat, wird vieles wiedererkennen – und Gags sind beim fünften oder zehnten Mal einfach nicht mehr so lustig wie bei der Premiere. Sein Publikum dürfte der Film bei Netflix dennoch finden, denn man versteht ihn auch dann, wenn man kaum hinsieht und sich einfach nur berieseln lassen will. Schade um die Grundidee, die sicher für einen besseren Film gut gewesen wäre.
Red Notice startet am 12. November 2021 bei Netflix.
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