Polar

Filmkritik: Polar

So derbe können Comics sein! In der Verfilmung „Polar“ will Mads Mikkelsen als alternder Killer in den Ruhestand gehen – doch sein Auftraggeber hat etwas dagegen. Bereits der Webcomic ist in Sachen Gewalt nicht gerade zimperlich. Regie bei der Umsetzung für Netflix  führte mit Jonas Akerlund einer der gefragtesten Music-Clip-Macher der 90er. Und der ist bis heute nicht für subtile Bilder bekannt. Ist der Film also genau das Richtige für Fans von harter und blutiger Action?

Victor Santos, Autor und Zeichner der Comics, bezeichnete seine Idee als Mischung aus Marvel Comics, Romanen von Trevanian, Bourne-Filmen und Manga-Action. Damit hat sich der Spanier einiges vorgenommen, das er seit 2012 in minimalistischen Schwarz-Weiß-Bildern mit ein wenig hellem Rot im Netz verwirklicht, denn die Serie hat er immer zuerst online veröffentlicht. Mittlerweile gibt es fünf längere Sagas zur Figur des Black Kaiser, wie Mikkelsens Charakter in den Comics genannt wird. Kann auch der Film ein Erfolg werden?

Polar
Obwohl seine rechte Hand Vivian ihn eindringlich davor warnt …

Polar: Die Handlung

Duncan Vizla alias Black Kaiser (Mads Mikkelsen) ist der beste Killer der Organisation Damokles – und steht kurz vor der Rente. Laut Arbeitsvertrag scheiden Angestellte wie Vizla mit 50 aus dem aktiven Dienst aus und genießen ihren Lebensabend mit mehreren Millionen Abfindung. Doch Mr. Blut (Matt Lucas), Chef der Organisation, verspürt wenig Lust, seinem besten Mann so viel Geld zu zahlen und hält es für eine bessere Idee, dem alten Haudegen eine ganze Bande frischer, junger Killer auf den Hals zu hetzen.

Obwohl ihn seine rechte Hand Vivian (Katheryn Winnick, „Vikings“) davor warnt, schickt Blut seine neuen Elite-Assassine auf die Suche nach Vizla, nachdem ein Hinterhalt in Weißrussland fehlschlug. Doch während die sich durch eine ganze Reihe von falschen Spuren morden, lernt Duncan seine neue Nachbarin Camille (Vanessa Hudgens) kennen und stellt fest, dass er sich für sein Leben tatsächlich andere Dinge vorstellen kann, als nur Leute umzubringen. Doch dann spürt ihn Bluts neue Killerbrigade in seinem Versteck auf dem Land auf …

Polar: Style over Substance

Regisseur Jonas Akerlund hat die Vorlage insofern verstanden, als dass er aus seinem Film einen grellen und bunten Rausch aus comicartiger Action und rasanten Bildern gemacht hat. Schon nach den ersten Minuten weiß der Zuschauer sehr genau, was er hier bekommt und hat dann noch Zeit zum Abschalten, falls er eher etwas in der Art von „Road to Perdition“ oder „No Country for Old Men“ erwartet hat. Tiefgang oder Charakterentwicklung, das alles gibt es hier nicht. Dafür viele Begegnungen mit Figuren, die man nach zehn Sekunden verstanden hat.

So spielt Mikkelsen den wohl stoischsten Killer in einer langen Reihe stoischer Killer der Filmgeschichte, so etwas wie Mimik zeigt der Schauspieler im gesamten Film nicht. Allerdings gibt er durch seine Optik und seine körperliche Präsenz auch einen der coolsten Assassinen der Filmgeschichte ab. Im langen Mantel mit Augenklappe wirkt er fast wie der Anti-Held aus einem Videospiel. Akerlund serviert mit Polar einen komplett auf Style getrimmten Action-Trip, der erst nach der Halbzeit so richtig loslegt.

Polar
…beschließt Organistionschef Mr. Blut, das Altersgeld für seinen besten Killer zu sparen …

Polar: Viel Blut und schwarzer Humor

Dann gibt es aber auch kein Halten mehr: Kopfschüsse sind noch mit das Harmloseste, was Akerlund dem Zuschauer in der deutlich derberen zweiten Stunde des Films offeriert. Dazu gibt es Folter, Knochenbrüche und hin und wieder auch explizite Sex-Szenen mit reichlich nackter Haut. Also alles, was sich an die niederen Instinkte richtet. Allerdings ist Akerlund auch klug genug, diese Momente auch immer wieder ironisch zu brechen und seine Figuren übertrieben agieren zu lassen, sodass an der Comic-Haftigkeit des Geschehens nie Zweifel aufkommen.

So ist Komiker Matt Lucas als fieser Mr. Blut perfekt besetzt, da er nichts weiter zu tun hat, als extrem fies zu agieren und das mit möglichst vielen Grimassen zu unterstreichen. Katheryn Winnick spielt die eiskalte Vermittlerin mit ebenso viel Spaß an der Rolle wie Lucas. Dazu gesellt sich Altstar Richard Dreyfuss („Der weiße Hai“) als graue Killer-Eminenz – und passt sich mit sichtlichem Vergnügen dem Stil des Films an. Lediglich Vanessa Hudgens wirkt ein wenig fehl am Platz, da sie versucht, ihrer Rolle ein wenig Ernsthaftigkeit und Tiefe zu verliehen.

Jonas Akerlund steht nicht erst seit dem Music-Video zu Prodigys „Smack My Bitch Up“ in dem Ruf, sich um Grenzen oder guten Geschmack nicht zu scheren. Und das tut er hier auch nicht. Daher ist Polar genau das Richtige für erwachsene Comicfans, die auch Spaß an „Sin City“ oder „Deadpool“ hatten. Dass der blutige Spaß auch noch handwerklich sauber gemacht ist und mit rasanten Schnitten und guter Kamera-Arbeit exzellente Actionszenen liefert, ist ein zusätzliches Plus. Allerdings holt er den Zuschauer dafür auch nie auf emotionaler Ebene ab, Polar lässt einen letztlich kalt, wenn man nicht darüber lachen kann.

Fazit:

Viel Blut, viel Action und ein unglaublich cooler Held – das sind die Zutaten von Jonas Akerlunds Comic-Umsetzung Polar. Dafür hat er sich mit Mads Mikkelsen, Katheryn Winnick, Matt Lucas und Richard Dreyfuss ein paar Stars zusammengeholt und ihnen ganz im Sinne der Vorlage erlaubt, Archetypen zu spielen, die jeder sofort einordnen kann. Wer an solch comichaft überzeichneter Action seinen Spaß hat, kommt hier garantiert auf seine Kosten, Shakespeare ist das aber nicht. Für den Männerabend mit ein paar Bier eignet er sich dagegen perfekt.

Polar startet am 25. Januar 2019 bei Netflix.

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… und hetzt Duncan Vizla alias Black Kaiser eine Horde durchgeknallter junger Killer auf den Hals. Ob das eine gute Idee ist?