The Favourite

Filmkritik: The Favourite – Intrigen und Irrsinn

Bislang war der griechische Filmemacher Yorgos Lanthimos hauptsächlich für sperrige und sehr kühle Indie-Filme bekannt, die allerdings stets edel besetzt waren. Mit seinem bislang zugänglichsten Werk „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ verfilmte er erstmals ein Drehbuch, das er nicht selbst geschrieben hat. Und heimste prompt zehn Oscar-Nominierungen ein. Zu Recht? Oder ist der Historienfilm nicht so gut wie sein Ruf?

Über beide englische Königinnen mit dem Namen Elizabeth wurden bereits Filme und Serien gedreht, ob der Doppelpack mit Cate Blanchett als Elizabeth oder „The Crown“ mit wechselnden Darstellerinnen. Und auch Königin Victoria, nach der eine ganze Epoche benannt wurde, ist in Filmen schon gewürdigt worden. Königin Anne hingegen ist nicht nur den meisten Nicht-Engländern eher unbekannt. Auch Kinogänger haben sie noch nicht oft zu Gesicht bekommen. Das ändert sich nun mit The Favourite.

The Favourite
Noch ist alles in Ordnung zwischen Königin Anne und Hofdame Sarah, die heimlich die Macht über das Land besitzt.

The Favourite: Die Handlung

England im frühen 18. Jahrhundert. Offiziell herrscht Königin Anne (Olivia Colman) über das Königreich, doch sie ist schwer von Gicht geplant und an manchen Tagen offenbar auch geistig nicht auf der Höhe. Tatsächlich flüstert ihr die kluge und gerissene Sarah Churchill (Rachel Weisz) die Politik ein, die für das Land am besten ist – sehr zum Missfallen vieler männlicher Politiker bei Hofe. Sarahs entfernte Cousine Abigail (Emma Stone), die ebenfalls am Hofe der Königin ankommt, erfährt durch die Verwandte auch keine sonderlich herzliche Begrüßung.

Stattdessen landet die durch den Vater in die Armut geratene Adlige erst einmal in der Küche, wo sie den ganzen Tag zum Putzen abgestellt wird. Doch die junge Frau ist ebenso skrupellos wie ihre Cousine und schafft es bald, in der Gunst der Königin aufzusteigen. Und macht Sarah schließlich sogar den Platz in Königin Annes Bett streitig. Auch in der Politik wirft Abigail bald ihre Netze aus, um einen reichen Ehemann zu finden. Und ihre Position bei Hofe weiter zu festigen. Es kommt zum offenen Kampf mit ihrer Cousine Sarah …

The Favourite: Messerscharfe Dialoge

Drehbuchautorin Deborah Davis schrieb angeblich lange Jahre am Script von The Favourite, mit dem sie schon 1998 begonnen hatte. Und das merkt man dem fertigen Drehbuch deutlich an. Hier hat jeder Satz noch mindestens eine andere Bedeutung und ist so messerscharf formuliert, dass man kein einziges Wort ändern dürfte, um die Wirkung nicht zu verwässern. Schon das macht den Film zu einem großen Spaß für Zuschauer, die sich an gelungener Sprache und doppeldeutigen Aussagen erfreuen können. Viel besser als hier gezeigt kann man es nicht machen.

Aber das ist längst nicht alles, was The Favourite zu so einem großartigen Film macht. Auch Regisseur Lanthimos trägt einen großen Anteil dazu bei. So sorgt er mit Kameramann Robbie Ryan immer wieder für derart seltsame Optiken im Film, dass auch das Zusehen stets aufregend bleibt. Wie einst Stanley Kubrick bei seinem Historienfilm „Barry Lyndon“ entschied sich Lanthimos beispielsweise, kein künstliches Licht zu benutzen, sondern die riesigen Räume des Schlosses mit unzähligen Kerzen zu erleuchten, was für einen ganz eigenen Look sorgt.

The Favourite
Das ändert sich, als die hübsche und sehr zielstrebige Cousine von Sarah auftaucht. Abigail hat große Pläne.

The Favourite: Schräge Figuren, stark gespielt

Und auch mit den unterschiedlichen Perspektiven und Effekten, mit denen The Favourite ausgestattet ist, erzeugt der Regisseur Spannungsbögen, obwohl gar nichts Besonderes passiert. Gemeinsam mit der üppigen und detailverliebten Austattung gibt Lanthimos seinem Publikum so viel zu sehen und zu entdecken. Dennoch setzt er am beeindruckdendsten das in Szene, was den Film so außergewöhnlich macht: sein starkes Frauen-Trio. Das gleich alle drei für den Oscar nominiert sind, kommt hier nicht von ungefähr.

Olivia Colman, die hier als Hauptrolle geführt wird, obwohl eigentlich alle drei die Hauptrolle spielen, ist hinreißend als launische und relativ beschränkte Königin. Die dennoch genau weiß, was sie will – und was nicht. Und Rachel Weisz und Emma Stone, die sich hier als Verwandte zumindest verbal an die Gurgel gehen, verschießen wahlweise Blitze oder versteckte Giftpfeile, dass es nur so kracht. Dabei entwickeln beide eine Spielfreude, dass man die Charaktere förmlich leuchten sieht. Kein Wunder, dass die männlichen Schauspieler nur schmückendes Beiwerk sind.

So wie Lanthimos seinen künstlerischen Kurs durchgehend beibehält und sich optisch keinerlei Aussetzer leistet, bleibt auch das Drehbuch auf Kurs und spielt geschickt mit dem Begriff Sieger und Verlierer, die sich im Finale beim besten Willen nicht einfach benennen lassen. Auch hier zeigt sich die wunderbare Doppelbödigkeit der Geschichte. Die zwar historisch nicht belegt ist, aber zumindest in Grundzügen auf tatsächlichen Ereignissen beruht. Auch wenn der echte Kampf zwischen Sarah und Abigail wohl kaum so brillant formuliert abgelaufen sein dürfte.

Fazit:

Optisch großartig und mit präzisen Dialogen ausgestattet, ist The Favourite von Yorgos Lanthimos zu Recht auch ein Oscar-Favorit. Das wunderbare Drehbuch erfüllen Olvia Colman, Rachel Weisz und Emma Stone mit soviel Leben, dass die zwei Stunden Laufzeit kaum spürbar sind. Kluges, opulentes und satirisches Kino, dass fast spielerisch treffende Aussagen über Macht und die Mächtigen liefert und sich dabei trotzdem nie über seine Figuren erhebt. Absolut empfehlenswert!

The Favourite – Intrigen und Irrsinn startet am 24. Januar 2019 in den deutschen Kinos.

The Favourite
Schon bald entbrennt der Kampf zwischen den Cousinen mit voller Wucht – welche beherrscht die Kunst der Intrige besser?