Paddleton

Filmkritik: Paddleton

Im Gegensatz zu vielen Serien werden die meisten von Netflix produzierten Filme nicht unbedingt über den grünen Klee gelobt. Allerdings entstehen durch das Streaming-Portal auch Werke, die es sonst wohl nicht ins Kino geschafft hätten und nie gedreht worden wären. Auch „Paddleton“ könnte so ein Kandidat sein, denn eine große Leinwand braucht dieser Film nicht unbedingt. Kann die redselige Freundschaft zweier Männer in den Vierzigern tatsächlich einen guten Film ausmachen?

Große Action, opulente Bilder und unvorhersehbare Twists. All das kann Paddleton nicht bieten. Stattdessen sieht der Zuschauer zwei Männern dabei zu, wie sie sich unterhalten, puzzeln, spielen, Fernsehen und schlafen. Und daher dient der Film eher als Gegenentwurf zum modernen Hollywood-Blockbuster-Kino. Sorgt er dennoch für gute Unterhaltung oder sollten sich Netflix-Kunden die Zeit lieber sparen?

Paddleton
Michael erhält im Beisein seines besten Freundes Andy eine niederschmetternde Diagnose.

Paddleton: Die Handlung

Paddleton ist das wohl exklusivste Sportspiel der Welt, denn nur zwei Menschen kennen und beherrschen die Regeln. Andy (Ray Romano), ein redseliger, grummeliger und meist eher unfreundlicher Mittvierziger. Und sein bester Freund Michael (Mark Duplass), der im gleichen Apartment ein Stockwerk unter Andy wohnt – und sich mit ihm Paddleton ausgedacht hat. Michael ist eher der ruhige Typ, was sich nicht einmal ändert, als er im Beisein von Andy gleich zu Beginn des Films die Diagnose erhält, Krebs im Endstadium zu haben. Ihm bleiben nur noch Monate.

Der Betroffene geht mit dieser Nachricht weit gelassener und kühler um als sein Kumpel Andy, der immer wieder mit dem Thema anfängt und sein eigenes Leben nur noch um Michaels tödliche Krankheit arrangiert. Als Michael ihm erklärt, dass er den Zeitpunkt seines Todes selbst bestimmen möchte und sich deshalb in einiger Entfernung ein legales Medikament zur Selbsttötung kaufen wird, ist es für Andy Ehrensache ihn zu begleiten. Doch der Trip bringt einige unausgesprochene und unerledigte Dinge nach oben …

Paddleton: Unterhalten sich zwei Männer …

Actionfans seien ausdrücklich gewarnt. In Paddleton geht es um zwei Männer, die sich die meiste Zeit unterhalten – und mehr nicht. Selbst hastige Bewegungen sind hier selten. Regisseur und Mitautor Alex Lehmann seziert hier mit Dialogen aus dem Leben eine Situation, die so alltäglich wie außergewöhnlich ist – jemand, der einem nahe steht, stirbt. Nicht plötzlich, wie durch einen Unfall, sondern angekündigt, mit Monaten Laufzeit bis zum endgültigen Abschied. Lehmann macht daraus mithilfe seiner beiden Hauptdarsteller eine ruhige, aber nie langweilige Tragikomödie.

Denn Andy setzt sich durch seine ungehobelte Art und sein ständiges Gerede immer wieder in Fettnäpfchen. Die deshalb so gut wirken, weil Lehmann nie darauf herumreitet. Um sie mitzubekommen, muss man als Zuschauer schon aufpassen. Wie natürlich Roman und Duplass diese Momente spielen, das sind die stärksten Momente des Films. Denn während Michael sein Leben so lange wie möglich so weiterleben will wie bisher, fällt es Andy von Tag zu Tag schwerer, nicht an den Abschied von dem einzigen Menschen zu denken, der ihm etwas bedeutet.

Paddleton
Erst machen sie einfach weiter wie bisher und spielen ihren selbst erdachten Sport Paddleton.

Paddleton: Einfach, aber nicht flach

Auf welche gleichzeitig plumpe und doch anrührende Art Andy seinem Freund das Gehen gleichzeitig erschweren und erleichtern will, geht auch deshalb nahe, weil Lehmann nie auf die Tränendrüse drückt und das Geschehen eher dokumentarisch einfach abfilmt – ohne große Kamerafahrten oder bedeutungsschwangere Musik. Denn der Regisseur verlässt sich völlig zurecht darauf, dass die Geschichte, die er erzählt, ohne das alles eher stärker als schwächer wird. Allerdings muss sein Publikum dafür auch den entsprechenden Geschmack mitbringen.

Denn obwohl besonders Andy viel redet, werden die wichtigsten Dinge im Film doch nicht gesagt, sondern stehen irgendwo zwischen den vielen Zeilen. Nur selten, wenn Andy beispielsweise einen Kindertresor kauft, um Michaels Todes-Medikamente darin zu lagern, wird es deutlich, wie nahe ihm die Sache geht. Meistens redet Andy aber eher fünf Minuten um den heißen Brei herum – und sagt das Wesentliche dann doch nicht. Das ist sicherlich ein Genuss für Cineasten, die beispielsweise auch Woody Allens Spätwerk schätzen.

Es wird aber vermutlich Zuschauer eher langweilen, die sich auf eine Komödie gefreut haben, als die Paddleton bei Netflix angepriesen wird. Schenkelklopfer gibt es hier nicht und die vage Komik ist auch oft mehr ein Fremdschämen als ein befreiter Lacher. Wer aber zurückgenommene Schauspielkunst schätzt, einen Faible für unterschwellige Botschaften hat und mit stark dialoglastigen Filmen etwas anfangen kann, wird mit Paddleton sicher glücklich – denn für genau diese Zielgruppe ist er auch gedacht.

Fazit:

Mehr als  scheinbar belanglose Unterhaltungen zwischen Menschen hat Paddleton nicht zu bieten – und genau daraus besteht sein Reiz. Denn zwischen den Zeilen entstehen hier die Aussagen über Freundschaft, Tod und das Weitermachen. Das ist ohne Pathos und ganz alltäglich erzählt – und das kann man durchaus langweilig finden. Wer aber auf genau diese Art Film steht, wird mit Paddleton viel anfangen können. Statt derbem Humor setzt Regisseur Alex Lehmann auf die ganz feine Klinge – und die erwischt nun einmal nicht jeden.

Paddleton ist ab dem 22. Februar 2019 bei Netflix zu sehen.

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Paddleton
Doch als Michael seine letzte Reise antritt, wird Andy für ihn immer wieder zur zusätzlichen Belastung.